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Polen Machtübernahme nun auch in der Wirtschaft

Das ist Ascott, ein Araberpferd. Es gehört der königlichen Familie von Saudi Arabien, es lebt aber hier in Janów Podlaski.

Von: Griet von Petersdorff

Stand: 15.05.2016 | Archiv

Ein Demonstrationszug | Bild: BR

Das Gestüt im Osten Polens ist der beste Ort für solch ein kostbares Tier. So war es zumindest. Bisher war das Gestüt weltweit führend in der Araberzucht. Es hat zwei verheerende Weltkriege überstanden. Immer wieder konnten wertvolle Pferde gerettet werden. Für die Fachwelt spielt Janów Podlaski schon zu Zeiten des Sozialismus in der obersten Liga. Doch nun hat die aktuelle Politik das Gestüt für sich entdeckt – Umwälzungen sind im Gange, denn Marek Trela, der langjährige Chef des Gestüts, wurde plötzlich entlassen. Seitdem: ein trauriger Mann, der sich große Sorgen macht.

"Nächstes Jahr wird das Gestüt 200 Jahre alt – ein besonderer Ort, nicht nur für mich, für viele. Der Abschied jetzt schmerzt. Janow war immer staatlich und ich habe mich immer aus der Politik herausgehalten, auch das Gestüt, aber leider bahnt sich die Politik ihren Weg."

Marek Trela

Marek Trela

Nachfolger ist einer aus der Wirtschaft, Ahnung von Pferden null. So ist die Politik der neuen nationalkonservativen Regierung, schimpfen die Demonstranten. Die Chefs der staatlichen Unternehmen werden alle ersetzt – Kompetenzen egal, Parteinähe gut. Es sei die totale Machtübernahme: erst das Verfassungsgericht, die Medien, jetzt die Pferde.

"Solch ein Leichtsinn! Dann kann man gleich eine Autofabrik einer Kosmetikerin anvertrauen, denn lackiert wird da ja auch."

Ein Mann

"Die beste Zucht der Welt! Es gibt ja nicht viele Sachen in Polen, wo man sagt: das Beste der Welt. Und dann werden Fachleute, die 40 Jahre daran gearbeitet haben, von einem Tag auf den anderen entlassen. Und warum? Darum."

Eine Frau

"Ich glaube, die neue Regierung will nicht nur über Menschen regieren, sondern auch über Tiere. Das ist eine skandalöse Situation."

Eine andere Frau

Landwirtschaftsminister Krzysztof Jurgiel

Sie vermuten, dass die PIS-Regierung mit dem Gestüt schnell viel Geld machen möchte, um ihre teuren Wahlversprechen zu bezahlen. In einer Pressekonferenz versucht der Landwirtschaftsminister die Entlassungen zu begründen:

"Es gibt mehrere Vorwürfe: Unwirtschaftlichkeit, schlechte Veterinäre, mangelnde Aufsicht. Womöglich sind das strafrelevante Vergehen."

Krzysztof Jurgiel, Landwirtschaftsminister PIS

Marek Szewczyk

Genannt wird auch der bisher ungeklärte Todesfall eines Pferdes als Beispiel für die Unfähigkeit der Leitung. Völlig hergeholt, so sieht der Fachjournalist Marek Szewczyk die Vorwürfe der Regierung:

"Die Gestüte haben unter der alten Leitung immer schwarze Zahlen geschrieben. Eigentlich müssten sie von der Regierung Medaillen bekommen, als Vorbilder gelobt werden, in der sehr schwierigen Branche. Und dann entlässt man sie? Die Gründe sind absurd."

Marek Szewczyk, Journalist und Pferdeexperte

Vieles scheint absurd nach dem Regierungswechsel. Die PIS hat nun die absolute Mehrheit, das Land wird ein anderes. Kontrolle total, selbst über ein harmloses Gestüt. Als erstes wurde das Verfassungsgericht durch eine Justizreform lahmgelegt, wohl damit es bei umstrittenen Regierungsentscheidungen nicht stört. Auch Journalisten sollen nicht mehr stören durch regierungskritische Kommentare. Viele verloren ihren Job. Die öffentlichen Medien wurden auf den Kopf gestellt, sie heißen bald "national". Eine Protestwelle erfasst das Land. Der bisherige Höhepunkt war am 7. Mai: Weit über 100.000 kamen nach Warschau, die größte Kundgebung nach dem Ende des Kommunismus. "Ja" zu Europa hieß zugleich "Nein" zur aktuellen Regierungspolitik. Der neue Held der Protestszene ist Mateusz Kijowski vom "Komitee zur Verteidigung der Demokratie".

"Wir wollen kein Diktat einer einzigen Weltanschauung, einer Religion, einer Partei, eines Vorsitzenden."

Mateusz Kijowski

Die Proteste nehmen zu – und auf dem Gestüt die Probleme. Einmal im Jahr findet hier "The Price of Poland" statt: Die Auktion für Araberpferde gilt bisher als Höhepunkt für die internationale Szene. Pepita, zehn Jahre alt, wurde noch für 1,5 Millionen Euro verkauft, ein anonymer Käufer aus der Schweiz, heißt es. Spitzenpreise dank einer Spitzenleitung, die nun offenbar der Politik geopfert wurde?

"Gerade in der Zucht ist Kontinuität extrem wichtig. Wir haben Angst, dass jetzt viele Pferde verkauft werden. Für den Staatshaushalt. Doch wenn das zu schnell passiert, geht die Zucht kaputt."

Marek Szewczyk

Bisher reisten prominente Pferdeliebhaber aus der ganzen Welt in die polnische Provinz, wie Charlie Watts von den Rolling Stones. Amerikanische Millionäre oder auch Repräsentanten aus den Emiraten auf Einkaufstour für ihre Herrscher. Doch die neue Leitung hat sich mit den Veranstaltern überworfen. Was wird aus dem hochkarätigen "The Price of Poland"? Auch da ist die Sorge groß.
Im Gestüt häufen sich die Unglücksfälle. Zwei Pferde von Charlie Watts‘ Ehefrau sterben. Das Vertrauen zur neuen Leitung ist auf dem Nullpunkt. Die Pferdenärrin Shirley Watts lässt den Rest ihrer kostbaren Tiere abholen, sie kommen in ein Gestüt in England.

"Frau Watts war unsere treueste Kundin gewesen, eine große Liebhaberin polnischer Zuchtlinien."

Eine Frau

Hilflos sieht Marek Trela zu, was in Janow Podlaski passiert. Der gefeuerte Chef leidet. Jetzt ist er oft bei einem Freund, der auch Araberpferde besitzt. Trela braucht die Nähe zu den Tieren.

"Am schmerzhaftesten war der Abschied von den Pferden. Die sind ja alle in meiner Amtszeit auf die Welt gekommen."

Marek Trela

"Würden Sie denn zurück gehen?"

Reporterfrage

"Ich glaube, ich werde zurück müssen, um aufzuräumen."

Marek Trela

Bisher ist er noch hier, obwohl ein Jobangebot aus Katar schon auf dem Schreibtisch liegt. Trela klagt jetzt auf Wiedereinstellung; die neue Regierung soll sein Gestüt nicht kaputt machen.


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