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Polen Der Kindersegen von Sierakowice

Der älteste Bruder Dawid kuschelt mit dem jüngsten Bruder Gabriel. Dazwischen gibt es noch sechs weitere Geschwister. Die ganze Familie Krefft trifft sich am Nachmittag.

Von: Griet von Petersdorff

Stand: 13.03.2016 | Archiv

Drei Kinder | Bild: BR

Wioletta Krefft

Hausaufgaben, Spielen und so weiter: alles passiert an einem großen Tisch. Es ist erstaunlich ruhig und natürlich helfen sie sich gegenseitig. Und sind nun alle da?

"Zwei, vier, acht - ja, das sind alle meine Kinder. Das sieht man nicht auf einen Blick, da muss man wirklich durchrechnen."

Wioletta Krefft, Mutter

Und über allem schwebt die heilige Familie. Der Glauben spielt hier beim Kindersegen eine große Rolle.

"Wir hatten vier Kinder geplant, Gott hat uns acht gegeben. Er hat unsere Pläne verdoppelt."

Wioletta Krefft, Mutter

"Für mich ist das normal. Ich bin ja auch in einer kinderreichen Familie aufgewachsen. Es ist ja Tradition. Bei uns Zuhause waren wir sechs. Ich war der Älteste und dazu noch fünf Schwestern."

Mirosław Krefft, Vater

Gleich gibt es Mittagessen in einer der zahlreichen Schulen von Sierakowice, kostenlos im Übrigen. Viele Kinder, das ist nichts Besonderes, das ist normal hier. Und hinein strömen sie, die hungrigen Kindermassen. Das ist nur ein Jahrgang.

"Kinderreich, das heißt bei uns nicht zwei, nicht drei, nicht vier – zehn Kinder sind keine Ausnahme. Unser Rekord: 12 Kinder an unserer Schule von einer Familie."

Hanna Subkowska-Wójcik, Schuldirektorin

Fast 20.000 Einwohner leben in der gesamten Gemeinde. Und die Zahl steigt stetig. Vielleicht liegt es auch an ihm: Tadeusz Kobiela, ununterbrochen Gemeindevorsteher seit der Wende. Und Demographie ist seine Leidenschaft.

"Immer am Anfang eines neuen Jahres ziehe ich Bilanz: Wie viele Kinder geboren sind, wie viele Menschen gestorben sind, wie viele Ehen geschlossen wurden. Und anhand dieser Zahlen errechne ich die Zuwachsrate."

Tadeusz Kobiela, Gemeindevorsteher

Schuldirektorin Hanna Subkowska-Wójcik und Tadeusz Kobiela

Kinderreiche Familien bekommen einen Zuschuss für Benzin oder Diesel, auch für Lebensmittel in den Läden. Alles in allem ein Erfolg, freut sich Tadeusz Kobiela. So machen die Besuche in den insgesamt elf Schulen Spaß.
Hier gibt es ein Problem: Der Parkplatz reicht nicht für Busse und Autos, in denen die Kinder zu Schule gekarrt werden. Sonst aber fehlt es den Schülern offenbar an nichts.

"Ja, wir haben einen Stau bis zur Kapelle, unglaublich. Und das jeden Morgen. Und dann streiten sich die Fahrer um den Platz. Da gibt es wirklich unangenehme Situationen."

Hanna Subkowska-Wójcik, Schuldirektorin

"Okay, vielen Dank! Ich muss weiter."

Tadeusz Kobiela, Gemeindevorsteher

Die Direktorin weiß, er kümmert sich drum.

Für eine dörfliche Gemeinde ist das Gymnasium extrem gut ausgestattet. Bildung hat Priorität im Budget von Sierakowice. Das gilt für das Chemielabor, es gilt aber auch für die Zeit nach dem Unterricht. Ein echter Magnet ist der Flugsimulator. 20 Prozent zahlte die Gemeinde, der Rest kam von der EU. Manch Berufswunsch bekam da eine neue Richtung. Einige der Ex-Schüler haben bereits Fluglizenzen, ein angehender Pilot ist auch dabei.

"Es geht immer um die Absicherung der älteren Generation, es geht aber auch um die Zukunft. Wir bringen eine Entwicklung in Gang, die Welt braucht das. Da ist Dynamik drin."

Tadeusz Kobiela, Gemeindevorsteher

600 Kinder allein in dieser Schule. Und viele sind miteinander verwandt.

"Ich habe vier Geschwister."

Ein Mädchen

"Ich auch vier."

Ein anderes Mädchen

"Und gibt es ein Einzelkind?"

Reporterfrage

"Ja, Marysia. Die kennen alle. Aber sie fehlt heute."

Ein Mädchen

"Und sie ist die einzige?"

Reporterfrage

"Ja!"

Ein Mädchen

Das ist die Firma Bat, sie verkauft Baumaterialien. Besitzer sind die beiden Brüder: Andrzej, der hat neun Kinder, und Tadeusz hat sechs Kinder. Zur Besprechung kommen zwei Söhne: der eine macht Marketing, der andere die Finanzen.

"Das ist in Ordnung, aber das musst du noch überprüfen."

Tadeusz Bigus, Unternehmer

Ganz der Familienhierarch.
Ein Familienunternehmen, selten traf ein Begriff so zu, wie hier. 13 Filialen hat die Firma und überall sind Tanten, Onkel, Nichten, Neffen, Töchter oder Söhne angestellt. Da muss man sich um den Nachwuchs tatsächlich keine Sorgen machen: den zeugt man selbst, mit dem Segen Gottes.

"Das Thema Verhütung spielte bei uns überhaupt keine Rolle. Wir teilen da die Einstellung der katholischen Kirche: gebären und die Familie vergrößern."

Tadeusz Bigus, Unternehmer

Die fünf Geschwister kommen von der Schule: Einer passt auf den anderen auf, keiner geht allein durch die Feldbank. Zuhause wartet das Kaninchen aufs Schmusen. Bald aber wird es gegessen, das wissen die Kinder auch. Ohne eigene Bratenproduktion geht es nicht. Zusätzlich gibt es regelmäßig Lebensmittelpakete von der Gemeinde. Tadeusz Kobiela schaut vorbei, wie ein stolzer und sogleich besorgter Hirte des gesamten Ortes. Der Gemeindevorsteher liebt seine Nachwuchsprojekte. Was ist sein Rezept?

"Man muss sich lieben, das ist alles. Diese Antwort haben Sie wohl nicht erwartet."

Tadeusz Kobiela, Gemeindevorsteher

Maks ist für die Tassen zuständig. Eins, zwei, drei, eine fehlt noch. Irgendwann gibt es vielleicht eine elfte.


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