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Griechenland Schicksalswahl des Präsidenten

Maira Zarenti hat sich dazu entschlossen, bei den Wahlen in einer Woche die linksradikale Syriza-Partei zu wählen.

Von: Natalie Amiri

Stand: 23.01.2015 | Archiv

Alexis Tsipras auf einem Wahlkampfplakat | Bild: BR

Maira Zarenti

Nicht nur Maira, viele junge Griechen sehen in dieser Partei, die noch nie regiert hat, die letzte Hoffnung. Syriza liegt in den Umfragen an erster Stelle.

Besonders die jungen Leute hat sie hart getroffen, die Krise, die ihnen Arbeitsplätze verweigert und keine Zukunftsaussichten gibt. Alexis Tsipras, Oppositionsführer und Parteichef, hat ihnen viel versprochen, er will die Korruption bekämpfen, die Machenschaften der Elite aufdecken, neue Arbeitsplätze schaffen und ein Ende des Spardiktates. Die Jugend hat ihn angenommen, ihn, der selbst erst 40 Jahre alt ist.

"Ich werde Syriza wählen, denn im Moment gibt es keine bessere Lösung. Zu Zeiten des Memorandums und einer solch hohen Arbeitslosigkeit in Griechenland, wo alle unsere Proteste mit polizeilicher Gewalt beantwortet werden, egal ob es ein Studenten- oder Arbeiterprotest ist, oder andere Streikende. Es gibt nichts Hoffnungsvolleres als den Glauben an eine Regierung der Linken."

Maira Zarenti, Studentin

Und hat sie keine Angst vor radikalen Veränderungen?

"Ich denke es wird keine schlimmeren Tage geben, als die, die wir gerade durchleben. Was kann schlimmer sein, als nicht in der Lage zu sein, zu studieren oder zu arbeiten. Was ist schlimmer, als 20 Jahre alt zu sein und daran glauben zu müssen, dass es keine Zukunft in deinem Land gibt."

Maira Zarenti, Studentin

Alexandro Santos befürchtet, dass es gerade mit Syriza keine Zukunft für sein Land geben wird. Trotzdem ist er sich bewusst, dass die momentane Regierung von Samaras mit ihren Sparprogrammen viel falsch gemacht hat. Und die Bevölkerung nur noch wenig Vertrauen in sie hat.

"Wir haben innerhalb der letzten vier Jahre 50 Prozent unseres jährlichen Gewinnes einbüßen müssen. Unser Unternehmen hatte 120 Angestellte und jetzt sind es nur noch 20. Das sagt doch schon alles. Ich hüte mich davor, Syriza zu wählen, dann würde ich auch noch die anderen 50 Prozent des Gewinns meines Unternehmens verlieren. Das Risiko, das wir jetzt haben, ist ein Bankrott, ein Risiko, unsere Unternehmen zu verlieren und nichts mehr zu haben. Für mich ist das inakzeptabel, dass so was passiert."

Alexandro Santas, Unternehmer

Athanasios Syrianos

Er ist nicht der einzige, der sich vor einem Bankrott fürchtet. Auf dem Neujahrsempfang der deutsch-griechischen Handelskammer in Athen steht besonders in diesem Jahr eine große Verunsicherung im Raum.

"Ja die Unternehmer sind natürlich sehr beunruhigt. Sie wissen ja nicht, was die Politik für einen Wechsel machen wird. Alles ist zum Stillstand gekommen. Wir merken es selbst am Bierkonsum: der geht jetzt gegenüber dem Vorjahr zurück. Unsicherheit ist das herrschende Element. Man muss ja feststellen, dass viele Menschen zurzeit verarmt sind. Und das ist das Potential, woraus der politische Wandel sich vollzieht. Und diese Menschen, denen kann man ja letztendlich nichts anderes wünschen, als dass dieser Zustand ein Ende hat, und zwar nicht langsam sondern rasch. Viele Menschen hungern, es gibt viele Kinder die hungern. Es sind 700.000 Kinder, die unter der Armutsgrenze leben."

Athanasios Syrianos, Vorstandsmitglied der deutsch-griechischen Handelskammer

Es hat sich nicht viel geändert seit 2012, als die Europäer anfingen, nur noch den positiven Zahlen aus Hellas Glauben zu schenken. Viele Menschen leben hier nach wie vor unter der Armutsgrenze, haben ihre Jobs verloren und werden so durch Aussagen von radikalen und neuen Parteien angezogen: Zwei davon werden potentielle Koalitionspartner für die Regierungspartei sein, denn laut der Vorhersagen wird es weder Syriza noch Nea Dimokratia schaffen, alleine die Regierung zu stellen.

Potami, die neue Partei entstanden im Februar vor einem Jahr, kommt aus der intellektuellen Mitte. Der Gründer: Stavros Theodorakis, ein Journalist, proeuropäisch. Um jeden Preis muss - seiner Meinung nach - Griechenland in der Eurozone bleiben. Gleichzeitig ist er offen für eine Koalition mit den zwei in den Umfragen stärksten Parteien.

Nikos Michaloliakos

Radikal und unerbittlich ist die faschistische Partei Goldene Morgenröte. Ihr Anführer Nikos Michaloliakos ist inzwischen wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet. Trotzdem liegt die Partei noch bei über sechs Prozent. Die Dunkelziffer soll höher sein, viele geben vor der Wahl nicht offen zu, für diese nationalistische und einwanderungsfeindliche Partei zu stimmen.

Die Uhr tickt für alle. Wie eine Bombe wirkt hier das Schlagwort Grexit, also der Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion. Solch ein Szenario bereitet Alexandros Santos große Angst.

"Für mich würde ein Grexit eine totale Katastrophe bedeuten. Der Handel ist die Basis meines Unternehmens. Wir sind Importeure. Deshalb sind wir abhängig von unseren europäischen Partnern. Syriza ist soviel gefährlicher als Nea Dimokratia im Moment. Und das ist ein ausreichender Grund für mich, sie nicht zu wählen. Es ist ein unnötiges Risiko, für das es keinen Grund gibt, es einzugehen."

Alexandro Santas, Unternehmer

Und fast beschämt sagt er:

"Trauriger Weise, leider, muss ich sagen, dass ich Nea Dimokratia wählen werde." Alexandro Santas, Unternehmer

Denn eigentlich weiß er, dass auch diese Partei nichts für sein Land getan hat.

Maira hat sich mit ihrer Freundin verabredet. Sie weiß noch nicht, wen sie wählen wird; vielleicht auch überhaupt niemanden, wie übrigens viele Griechen, die keinem mehr vertrauen, ihre Hoffnung verloren haben. Aber Maira will hoffen.

"Ich stelle mir eine Zukunft mit einem ruhigeren und gerechteren Leben vor, mit einer anderen Regierung. Es gibt reiche Jugendliche, die fast alles machen können und ärmere Jugendliche, die sich kaum was leisten können. Mit Syriza an der Regierung werden hoffentlich alle in Würde leben."

Maira Zarenti, Studentin

In Ruhe leben, das wünschen sich alle hier. Die Krise hinter sich lassen und der neuen Regierung vertrauen, das ist ihr Traum. "Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind" heißt es in Goethes Faust.


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