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Griechenland Sklaven auf dem Peleponnes?

Sie sind illegal nach Griechenland gekommen. Wenn sie Glück haben, werden sie heute an dieser Straßenecke von einem Landwirt zur Feldarbeit mitgenommen.

Von: Gunnar Köhne

Stand: 21.09.2014 | Archiv

Ein Mann in einem mit einem Gitter gesicherten Bett | Bild: BR

Es ist halb sechs Uhr morgens auf dem Peloponnes – Einwanderer aus Bangladesch warten auf Arbeit.

"Wir bekommen zwei Euro die Stunde. Oft wird aber weniger ausgezahlt. Und wenn wir uns beschweren, dann sagt der Boss, wir könnten auch gehen, es gäbe ja genug von uns."

Ein Einwanderer

Ein mit Tagelöhnern vollbepackter Pritschenwagen rast durch die Dunkelheit an ihnen vorbei. Dann nähert sich ein Pickup. Doch als der Fahrer die Kamera sieht, dreht er wieder ab, denn eigentlich ist die Beschäftigung von Illegalen verboten.

Enttäuscht machen sich die Männer wieder auf den Weg. An diesem Tag wird es für sie keine Arbeit mehr geben.

Wir fahren hinaus zu den Feldern, wo die Einwanderer beschäftigt sein sollen. Die Erdbeersaison ist vorbei, nun geht es um die Kartoffelernte.

Schnell wird klar: Wir sind hier unerwünscht, denn mit den illegalen Tagelöhnern wird viel Geld verdient. Einer der Bauern beschimpft und bedroht uns. Nur mit Mühe lässt er sich davon abhalten, die Kamera zu zerstören.

Liton Khan

Ende Juli dieses Jahres: Im Landgericht der Hafenstadt Patras wird ein Verbrechen verhandelt, das der griechischen Öffentlichkeit die Ausbeutung der illegalen Einwanderer drastisch vor Augen geführt hat. Über 20 Plantagenarbeiter waren im vergangenen Jahr von ihrem Vorarbeiter angeschossen worden. Sie hatten sich beklagt, weil sie ein halbes Jahr lang keinen Lohn bekommen hatten. Einigen stecken noch Schrotkugeln im Körper.

"Diese Leute schulden fast 200 von uns 150.000 Euro. Wir wollen unser Geld und Gerechtigkeit. Im Sommer schuften wir in den Gewächshäusern bei Temperaturen von bis zu 60 Grad!"

Liton Khan, Saisonarbeiter

Nur der Vorarbeiter wird am Ende wegen versuchten Totschlags verurteilt. Sein Boss wird frei gesprochen.

Allein im Ort Nea Manalada auf dem Peloponnes haben sich hunderte Illegale niedergelassen. Züge halten hier schon lange nicht mehr, die Krise hat auch hier viele Griechen den Job gekostet. Doch die harte Feldarbeit bleibt den Migranten aus Asien überlassen. Am Ortsrand bauen die sich abends ein paar Marktstände auf. Vertraute Lebensmittel werden angeboten – und Arbeitshandschuhe. Auch die müssen sie sich selber kaufen. "Wir brauchen diese Menschen, sollen sie ruhig bleiben", ruft der griechische Rentner nebenan aus seinem Garten.

Bleiben sollen sie in solchen Zeltlagern außerhalb des Ortes. Fast 100 Männer haben unter diesen Plastikplanen ihr Zuhause.

Dulak aus Bangladesch zeigt uns das Lager. Er lebt schon seit fünf Jahren illegal in Griechenland.

"Hier waschen wir uns und dort hinten sind die Toiletten."

Dulak

Auf den Plantagen bekommen sie nichts zu essen. Sie müssen sich selber helfen. Aber es ist hier immer noch besser als dort, wo sie herkommen:

"Zurück nach Bangladesch können wir nicht. Dort haben wir weder genug zu Essen noch Arbeit. Hier habe ich wenigstens genug zum Überleben."

Dulak

Nabil Morad

Die Hoffnungen der Illegalen von Neo Manolada ruhen auf diesem Mann: Der Arzt Nabil Morad ist der neugewählte Bürgermeister der Kreisstadt Lechena. Morad ist gebürtiger Syrer – der erste Bürgermeister Griechenlands mit Migrationshintergrund. Seit 25 Jahren lebt Morad in Griechenland, er ist ein angesehener Bürger der Stadt – und vorbildlich integriert. Er sei anders als diese Saisonarbeiter aus Bangladesch, sagen seine Wähler. Gute Ausländer, schlechte Ausländer? Der Bürgermeister hält dagegen:

"Ich werde mich um diese Leute kümmern. Eine meiner ersten Amtshandlungen wird sein, eine Beratungsstelle für die Migranten im Rathaus einzurichten. Die Botschaft von Bangladesch soll mich dabei unterstützen. In diesem Büro können sie Beschwerden und Probleme loswerden. Wir wollen ihnen auch Sprachkurse anbieten. Ihre Lebensbedingungen müssen sich verbessern."

Nabil Morad, Bürgermeister Lechena

Nur eines wird es in diesem Rathaus auch in Zukunft nicht geben: Legale Papiere. Die kann nur die Regierung ausstellen. Doch in Griechenland gilt ein Einwanderungsstopp. Dulak und seine Freunde sind nach all der Schufterei von den Griechen enttäuscht:

"Dass wir keine Papiere haben, ist das Hauptproblem. Deshalb werden wir ständig von der Polizei mitgenommen. Und die Bauern glauben, dass sie uns nicht zu bezahlen brauchen. Und weil wir Illegale sind, müssen wir hier ohne Strom und Wasser leben."

Dulak

Und so bleiben die Einwanderer auf den Feldern des Peloponnes vorerst weiter der Willkür ihrer Herren ausgesetzt.


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