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Frankreich Muslimische Jugendliche uneins

Er weigert sich seine Vision vom Frieden aufzugeben - erst recht nach den Anschlägen von Paris. Khalil Merroun, der Vorsitzende der Moschee von Evry beim täglichen Gebet.

Von: Susanna Dörhage

Stand: 22.01.2015 | Archiv

Eine Moschee | Bild: BR

Evry - Eine Pariser Vorstadt, bunt, multikulturell. Und mit sozialen Brennpunkten: die Unzufriedenheit ist groß unter den Jugendlichen.

"Ich sage den Eltern, sie sollen aufpassen, dass ihre Kinder den Islam nicht beim Imam Google lernen. Das ist ein falscher Imam. Die Jugendlichen sollen sich an einen echten Gelehrten wenden."

Khalil Merroun, Vorsitzender Moschee Evry

Khalil Merroun und Jugendliche

Merroun inmitten der Jugendlichen, auch das ein tägliches Ritual. Er kennt das Leben am gesellschaftlichen Rand, kam selbst in den 70er Jahren als Gastarbeiter nach Lothringen. Aber er sei schon immer Menschenfreund gewesen, sein Frankreich ist ein offenes Land.

"Die drei getöteten Polizisten repräsentieren Frankreich. Sie kamen aus allen Gruppen. Einer war Araber, einer weiß und eine Frau war schwarz. Das ist typisch für diesen blinden Terror."

Khalil Merroun, Vorsitzender Moschee Evry

Khalil Merroun

Merroun unterstützt die internationale Kampagne "Nicht in meinem Namen / Not in my name", die junge Muslime auch nach Frankreich holen. Sie posten ihre Fotos, distanzieren sich vom Terror und falschen Propheten, haben ihre eigenen Prinzipien.

"Ich mag Charlie Hebdo nicht, denn die Zeichner sind oft zu weit gegangen und haben Gefühle von Menschen verletzt. Deshalb kann ich mich nicht mit Charlie Hebdo identifizieren. Aber ich bin gegen jede Gewalt und ich will nicht, dass irgendwelche Leute im Namen des Islam töten. Das sind keine Molems."

Hosna Mezhoud

Die meisten Moslems reagieren mit Abscheu auf den Terror. Dennoch steht die muslimische Gemeinde in Frankreich unter Druck. Diskriminierungen und Benachteiligungen gehören zum Alltag. Rechtsradikale Gruppen wettern gegen eine angebliche Islamisierung im Land und verteufelen gläubige Moslems als Extremisten.

"Früher waren die Juden die Zielscheibe der Rechtsextremen. Aber jetzt setzt Marine Le Pen auf die Islamophobie, um die nächsten Wahlen gewinnen. Dabei ist sie völlig verlogen. Sie tut freundlich und sagt dann wieder das Gegenteil."

Khalil Merroun, Vorsitzender Moschee Evry

Kennenlernen statt Vorurteile schüren - der Gelehrte Merroun kämpft unermüdlich gegen Fanatiker aller Lager. Er kann stolz sein: Für seine Friedensarbeit auf den Straßen von Evry hat er die Ehrenmedaille Frankreichs bekommen.

"Ich weiß auch, wie sehr ihr muslimischen Mitbürger zurzeit leidet und ich danke dem Vorsitzenden der Moschee Khalil Meroun für seine klaren Worte zu den Anschlägen."

Manuel Valls, Premierminister Frankreich

Eine symbolische Verneigung des französischen Miniterpräsidenten vor einem gelehrten Moslem, der Toleranz predigt. Der tiefsitzende Schock bewirkt einen Schulterschluss: auch hunderttausende Moslems gehen auf die Straße, aus Solidarität mit den Angehörigen und den Opfern der Anschläge von Paris. Aber das Zusammenwachsen ist längst nicht abgeschlossen - selbst innerhalb der muslimischen Gemeinschaft sind sich traditionalistische und modernere Gelehrte oft spinnefeind. Dieser Richtungsstreit aber schade der Aufklärung über den Islam, findet Malek Chebel, Anthropologe und selbst Moslem.

"Es ist nun endlich an der Zeit, dass wir alles reformieren. Wir müssen endlich unter den Muslimen demokratische Wahlen organisieren, damit wir einen gewählten großen Imam habe. Wir müssen es genau so wie die jüdische Gemeinde machen."

Malek Chebel, Anthropologe

Sich einmischen in gesellschaftliche und interreligiöse Belange, dafür will Khalil Meroun, der Vorsitzende der Moschee von Evry, Vorbild sein.

"Wir sagen Muslimen: Seid die Augen der Gesellschaft! Ihr müsst verhindern, dass der Terror sich ausbreiten kann."

Khalil Merroun, Vorsitzender Moschee Evry

Muslime als Wächter! Sie müssen wohl - heute mehr denn je - die Werte des Islam verteidigen, damit Frankreich nicht auseinanderbricht.


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