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Frankreich Französische Juden verunsichert

Simon Elmaleh bittet Gott, seine Familie zu schützen. Er gehört zur jüdischen Gemeinde des Pariser Vorortes Creteil.

Von: Susanna Dörhage

Stand: 22.01.2015 | Archiv

Ein Davidstern auf einem Schild | Bild: BR

In dem Supermarkt für koschere Lebensmittel, auf den der Anschlag verübt wurde, ging auch er regelmäßig einkaufen.

"Ich bin traurig wegen der Opfer, egal ob sie nun Juden oder Muslime sind. Man weiß nicht, wann sie das nächste Mal angreifen. Es kann jederzeit etwas passieren."

Simon Elmaleh, Jüdische Gemeinschaft Creteil

Der Supermarkt ist geschlossen – in der Mittagspause kommen manche aus den umliegenden Büros, um davor Kerzen anzuzünden, im Gedenken an die vier Menschen, die hier vor einer Woche bei der Terrorattacke starben.

Hunderte gewaltbereite Islamisten soll es in Frankreich geben. Alle wissen, der Kampf gegen den Terror wird lang dauern.

"Wir müssen die Kinder in der Schule wieder zu richtigen französischen Bürgern erziehen. Da läuft doch etwas komplett schief. Die Terroristen waren schließlich auch Franzosen."

Ein Passant

Simon Elmaleh

Simon Elmaleh ist im November letzten Jahren selbst schon Opfer eines antisemitischen Anschlags geworden. Drei junge Männer klingelten an seiner Tür, der einzigen, an der eine Mesusah hing. Dann griffen sie ihn an. Kurz nach dem Anschlag haben wir ihn damals besucht:

"Ich bin ausgerutscht, ich habe es im Fallen gerade noch geschafft, einem einen Schlag zu versetzen. Dann lag ich auf dem Boden und sie haben alle drei auf mich eingetreten und eingeschlagen."

Simon Elmaleh

Simon Elmaleh schaffte es, seine Angreifer in die Flucht zu schlagen. Aber er bleibt gezeichnet von dem Angriff in seiner Wohnung.

"Wenn ich nach Hause komme, dann drehe ich mich immer um und schaue, ob da niemand hinter mir ist. Ich habe immer den Eindruck, dass da jemand an die Tür klopft. Nachts kann ich nicht mehr schlafen. Oft schlafe ich erst um vier Uhr morgens ein."

Simon Elmaleh

Auswandern ist kein Tabu mehr.

Frankreich zählt die größte jüdische Gemeinschaft in Europa. Aber immer mehr wollen das Land verlassen. Sie werfen ihren französischen Landsleuten vor, dass sie erst nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo massiv gegen den Terror aufgestanden sind und nicht schon vorher, beispielsweise bei dem Terroranschlag vor zwei Jahren auf eine jüdische Schule in Toulouse.

"Die Juden wissen, dass sie in Israel auch Probleme haben werden. Statistisch gesehen ist es dort gefährlicher als in Frankreich. Aber in Israel sorgen sich die anderen um sie. Der Terror gegen Juden geht dort alle an. In Frankreich haben sie den Eindruck, dass die Anschläge auf Juden die anderen nicht wirklich schockieren."

Yeshaya Dalsace, Rabbiner

Die Dalsace leben mit der Angst. Der Rabbiner geht nicht mehr mit Kippa auf die Straße, seine Frau liest in der Metro keine hebräischen Bücher mehr und oft verschweigen sie einfach, dass sie Juden sind. Frankreich verlassen wollen sie aber nicht.

"Historisch gesehen wäre das ein Skandal, wenn es in Frankreich keine Juden mehr gäbe. Hier leben Juden, seitdem Frankreich existiert."

Maayane Dalsace

Simon Elmaleh fühlt sich heute fremd in Frankreich. Sobald er kann, will er den Verwandten folgen, die bereits übergesiedelt sind.

"Ich bin enttäuscht von Frankreich. Wir wollen nach Israel, aber im Moment müssen wir noch abwarten, denn meine Schwiegermutter, die hier lebt, ist sehr krank. Aber wir wollen schon nach Israel."

Simon Elmaleh

7000 Juden haben Frankreich letztes Jahr verlassen. Dieses Jahr werden es wohl doppelt so viele sein. Und diejenigen die bleiben, treten immer zurückhaltender auf. Das haben die radikalen Muslime geschafft: Frankreich geht bereits ein Teil der jüdischen Kultur verloren.


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