BR Fernsehen - EUROBLICK


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Zypern Wenig Aussicht auf Versöhnung

Sieht so eine europäische Hauptstadt aus? Nikosia auf Zypern ist eine geteilte Stadt, geteilt durch eine Sperrzone, in der wir mit Sondergenehmigung filmen dürfen. Seit 1974 sind diese Straßenzüge Niemandsland, bewacht von den Vereinten Nationen.

Von: Cornelia Kolden

Stand: 08.01.2017 | Archiv

Demarkationslinie zwischen den beiden Teiler der Insel | Bild: BR

Eine Pufferzone zwischen griechischen und türkischen Zyprern. Eine echte Grenze ist dies nicht, obwohl es Ausweiskontrollen gibt, denn die Republik Nordzypern mit ihren allgegenwärtigen Halbmondflaggen wird nur von der Türkei anerkannt. Also eine Grenze zu einem Land, das gar nicht existiert.

Unterwegs im griechischen Teil Nikosias: Als Filmteam kommt man schnell ins Gespräch. Wir sind in Begleitung von Sotos Ktoris, ein Friedensaktivist, der als Kind aus Nordzypern fliehen musste. Dass viele Zyperngriechen Vorbehalte gegen die Wiedervereinigung der Insel haben, hört er jeden Tag auf der Straße.

Zwei ältere Männer erzählen uns: "Wir haben uns ja alle eine Lösung gewünscht. Aber die Türken wollen immer mehr. Sie haben uns schon die Hälfte der Insel weggenommen, aber sie fordern, fordern, fordern." "Für eine Lösung muss das türkische Militär weg. Nur auf diese Art kann das Zypernproblem gelöst werden."

Sotos Ktoris

Derzeit würde keiner von Ihnen einer Wiedervereinigung zustimmen. Anders Sotos, der unbedingt Frieden mit den Zyperntürken will.

"Ich erzähl Euch was. Mein verstorbener Großvater, Kostandis war sein Name, saß jede Nacht auf dem Sofa und guckte die Nachrichten. Immer in der Hoffnung, dass jemand ihm sagen würde, das Zypernproblem sei gelöst. Er starb, ohne dass irgendwelche Fortschritte erzielt wurden. Mein Vater ist jetzt 72. Und ich sehe in seinen Augen dieselbe Hoffnung, und doch passiert vielleicht das gleiche. Mein Vater lebt mit der Vorstellung, eines Tages mit meiner Mutter in sein Heimatdorf zurückzukehren."

Sotos Ktoris, Friedensaktivist

Wir wollen natürlich auch mit Zyperntürken sprechen. Um sie zu beschützen, so 1974 die Begründung der Türkei, griff die türkische Armee Zypern an und besetzte den Nordteil der Insel. Rechtsextremistische Zyperngriechen hatten versucht, die Türken von der Insel zu vertreiben. Dabei schreckten sie auch nicht vor Völkermord zurück. Ganze Dörfer wurden dahingemetzelt und in Massengräbern verscharrt.

Kemal Baykalli

Wir treffen Zyperntürken in Nikosia auf neutralem Grund, in der Pufferzone vor dem UN-Hauptquartier. Weil die Bewohner aus dem türkisch besetzten Norden nicht ohne weiteres in den Süden kommen können, unterhalten inmitten der Ruinen beide Bevölkerungsgruppen ein Freundschaftscafé. Für ein vereinigtes Zypern sind auch diese Zyperntürken, aber ob sie eine ausländische Schutzmacht brauchen, ist die Kernfrage:

"Ich glaube, dass wir demnächst zivilisiert genug sind, friedlich und erfolgreich zusammenzuleben, ohne den Schutz eines anderen Landes. Aber nur, wenn wir uns alle im Land als Zyprer fühlen dürfen. Doch bis das der Fall ist, ob wir mögen oder nicht, gibt es dieses Gefühl des Misstrauens, einen Mangel an Sicherheit. Aber das kann man auch anders sehen…"

Kemal Baykalli, Auswärtige Angelegenheiten Nordzypern

"Es gibt zwei Probleme. Brauchen die türkischen Zyprer eine besondere Sicherheitsgarantie? Ich glaube schon. Kann die Türkei dafür sorgen? Ich finde nicht. Das ist meine persönliche Meinung. Die derzeitige türkische Regierung, all das, was dort mit der Opposition passiert, das empfinden natürlich die gemäßigten Leute hier in unserem Land als bedrohlich."

Mertkan Hamit, Friedensaktivist Nordzypern

Kleiner Grenzverkehr

Wir reisen nach Nordzypern, in den Küstenort Varosha bei der alten Hafenstadt Famagusta. Das ehemalige Nobelferienressort ist bis heute eine Geisterstadt, die vom türkischen Militär seit 1974 besetzt gehalten wird. Zyperngriechen hätten hier ihren Besitz wiederhaben können, hätten sie das türkische Nordzypern anerkannt. So aber können ehemalige Hotelbesitzer wie Pavlos Iakovou nur dem allmählichen Verfall des alten Familienbesitzes zusehen. Immerhin darf er seit 2003 zu Besuch kommen.

"Seit 1974 konnte ich das Haus nie wieder betreten. Ich kann es angucken, berühren, ‚Guten Tag!‘ sagen. Vor allem im Sommer fahren wir jeden Sonntag hierher, um zu schwimmen, Freunde zu treffen, um uns an unsere Kindheit zu erinnern, die 1974 endete."

Pavlos Iakovou, Friedensaktivist

Lassen sie uns annehmen, der Konflikt würde morgen beigelegt, würden sie zurückkehren?

"Ich würde rennen."

Pavlos Iakovou, Friedensaktivist

Doch die Rückkehr der Zyperngriechen und ihre Entschädigung ist ein schwieriger Verhandlungspunkt. Nicht wenige, letztlich sogar die EU, nehmen die Situation der Teilung einfach hin. Hauptsache, sie eskaliert nicht. Die Flagge über Nikosia lässt nämlich nie vergessen, dass die Türkei hier immer noch einen Fuß in der EU hat.


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