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Griechenland Rückkehr der Finanzkrise?

Am Flüchtlingscamp Eliniko, dem stillgelegten alten Flughafen von Athen, eine tagtägliche Szene: Diesmal sind es Orangen und Brot, die ein Athener Bürger vorbeibringt. An anderen Tagen sind es Hygieneartikel oder auch Spielzeug.

Von: Stefanie Stauss

Stand: 13.03.2016 | Archiv

Flüchtlingslager | Bild: BR

So unwürdig es auch ist, die Menschen nehmen was sie kriegen können. Etwa 4000 sind hier untergebracht. Eine Drehgenehmigung für das Camp bekommen wir nicht. Flüchtlinge erzählen uns, wie es ihnen drinnen im Gebäude ergeht:

"Wir kriegen jeden Tag nur Sandwiches. Ein anderes Problem sind die Waschräume, die Toiletten: auf 1000 Leute kommen vier Bäder."

Ein Flüchtling

"Die Zustände hier sind miserabel. Das Essen ist nicht gut. Schlimmer noch, das Essen, das wir bekommen ist schon seit Tagen abgelaufen."

Ein anderer Flüchtling

Die Menschen hier unterbringen zu können, allein das war schon ein Kraftakt, denn der alte Flughafen wird gerade verkauft. Seit 2010 steht er auf der Privatisierungsliste staatlichen Eigentums. Die Regierung muss ihn abstoßen - eine Folge der Finanzkrise. Hier treffen beide Krisen aufeinander.

Doch wohin mit den tausenden Flüchtlingen? Das ist gerade das größte Problem. Allein hier am Hafen in Piräus kommen täglich mehrere Hundert an, und weil es an Platz fehlt, bleiben sie hier. Lediglich die Gebäude stellen die Behörden zur Verfügung, doch das reicht nicht aus. Die einzige Unterstützung kommt von Hilfsorganisationen und freiwilligen Helfern.

"Der Staat muss einen Notfall bewältigen, und wie sich der weiterentwickelt, ist unvorhersehbar. Bislang haben wir getan, was wir konnten. Aber natürlich gibt es noch einiges zu tun, wir müssen für die Menschen, die hier bleiben, bessere Strukturen schaffen."

Angeliki Fanaki, griechisches Rotes Kreuz

Der Staat ist überfordert, die Bürger helfen. Auch wenn viele nach Jahren der Krise selbst kaum Geld in der Tasche haben, kommen sie wie hier an den Syntagmaplatz in Athen und bringen Lebensmittel, Babynahrung, Windeln, was auch immer gebraucht wird vorbei.

"Der Staat läßt uns hängen. Wir müssen uns selbst organisieren. Die Regierung hat kaum Maßnahmen ergriffen um der Flüchtlingskrise zu begegnen. Wir sind überzeugt, daß wir es sind, die helfen müssen. Vom Staat ist nicht zu erwarten, daß er das Nötige tut."

Ein Helfer

Bessere Strukturen für tausende Menschen schaffen, und das in einem Land, das genug mit sich selbst zu tun hat, seit Jahren unter der Schuldenkrise leidet, ein hartes Sparprogramm bewältigen muss. Immer wieder treibt das die Menschen auf die Straße. Steuer- und Rentenreform stehen an und sind in der Bevölkerung heftig umstritten.

Griechenland – für sie ist es nur eine Station auf dem Weg nach Mitteleuropa:

"Wenn wir hier in Griechenland bleiben würden, hätten wir keine Chance; Griechenland ist in einer Wirtschaftskrise. Hier gibt es keine Arbeit."

Zahid Waras, Migrant aus Afghanistan

Giorgos Kyristis

Noch nicht einmal zwei Prozent der Migranten stellten laut Human Rights Watch im letzten Jahr einen Asylantrag. Transitland Griechenland – das ist wohl nun vorbei. Das Land bekommt zu spüren, was es heißt Flüchtlinge tatsächlich aufzunehmen.

"Langsam finden wir Wege die Situation zu managen. Natürlich ist es eine Krise in einer Krise, es ist wie bei der russischen Baboutschka. Klar, wenn wir mehr Geld hätten, könnten wir auch mehr tun, mehr, besser und organisierter."

Giorgos Kyristis, Sprecher Krisenstab griechische Regierung

Jens Bastian

Beispiel Idomeni: Über Wochen spitzt sich die Lage der Flüchtlinge zu. Immer mehr Menschen kommen an die Grenze, obwohl die so gut wie abgeriegelt ist. Die Umstände: mehr als erbärmlich, Regen und Kälte machen ihnen immer mehr zu schaffen. Doch es dauert Tage, bis die Regierung diese zwei Kleintransporter Mitte der Woche zur Verfügung stellt. Ein medizinisches Zentrum war eigentlich angekündigt. Die Regierung brauche mehr Spielraum im Haushalt, sagt Wirtschaftsexperte Jens Bastian.

"Sie treffen jetzt auf eine Situation wo sie eigentlich mehr Personal in der Gesundheitsversorgung, in der Ausbildung, in den Sprachkursen bräuchten, mehr Personal auch an den Grenzen. Die haben sie jetzt gerade nicht, weil das zum Teil auch im Rahmen der Sparauflagen in den vergangenen Jahren abgebaut werden mussten."

Jens Bastian, Ökonom

Die Hilfsbereitschaft im Volk ist enorm. Viele in der Bevölkerung versuchen das aufzufangen, was dem Staat nicht gelingt: eine strukturierte Hilfe für die Flüchtlinge, Geld und eine Strategie.


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