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Slowakei Gelungene Integration der Roma

Er ist ein Bürgermeister, der mit anpackt, der in seinem Dorf Spissky Hrov für Veränderungen sorgt, für gravierende Veränderungen.

Von: Jürgen Osterhage

Stand: 10.12.2017 | Archiv

Neue Häuser in Spissky Hrov | Bild: BR

Und sie haben davon profitiert: Die rund 300 Roma des Ortes, immerhin ein Fünftel der 1500 Einwohner.

"Nach meiner Wahl zum Bürgermeister habe ich schnell gemerkt, dass man das Roma-Problem im Ort aktiv angehen muss. Es war klar, dass sich etwas ändern muss, dass wir die Roma in ein geregeltes Leben bringen müssen – mit der Möglichkeit auf eine Arbeitsstelle. Wir haben also eine Firma gegründet für Roma, die sonst auf dem freien Arbeitsmarkt keine Chance gehabt hätten."

Vladimir Ledecky, Bürgermeister Spissky Hrov

Vladimir Ledecky

Jeder einzelne Roma hatte die Möglichkeit, in einem Gemeindebetrieb zu arbeiten und zu zeigen, was in ihm steckt. Anfangs zögerlich sind dann im Laufe der Zeit mehr und mehr Roma dazugekommen und haben eine Arbeit aufgenommen.

"Die Roma haben dann schnell verstanden, dass es vorteilhaft ist, eine Beschäftigung zu haben, und dass es auch weitere positive Dinge mit sich bringt. Das ist der natürliche Lauf: wenn sie sehen, dass es dem Nachbarn besser geht, dann versuchen es die anderen auch."

Vladimir Ledecky, Bürgermeister Spissky Hrov

Erst kam die Arbeit, dann kam über den Lohn das Geld. Und mit dem Geld wurden neue Häuser gebaut.

Auch Ivan Kacura ist vor kurzem mit seiner Frau und den vier gemeinsamen Kindern in sein neues Zuhause eingezogen mit Gasanschluss, Kanalisation und fließendem Wasser. Das hat es früher nicht gegeben:

"In Kübeln haben wir früher das Wasser ins Haus getragen. Jetzt haben alle Wohnungen ein eignes Wasserklosett. Man muss nicht bei minus 20 Grad im Winter über den Hof laufen. Schon allein für die Kinder ist das gut."

Ivan Kacura

Wie die Roma früher im Ort gelebt haben und wie überhaupt die meisten Roma in der Slowakei leben, das zeigt Ivan Kacura seinen Kindern auf Videos im Internet als Lerneffekt:

"Meine Kinder sind davon völlig geschockt. Nur ein Beispiel: ich habe einen Bretterverschlag für unser Brennholz. Andere Roma leben in so einem Bretterverschlag."

Ivan Kacura

Dass es der Familie jetzt besser geht, darüber ist seine Ehefrau sehr froh. Martina Kacurova arbeitet auch bei der Gemeinde.

"Wer Arbeit hat, der fühlt sich besser. Der kann etwas schaffen, der kann etwas aufbauen."

Martina Kacurova

Peter Strazik

Auch für die Roma-Kinder hat sich einiges verändert dank der gemeinsamen Initiative des Bürgermeisters und des Schuldirektors. Statt wie früher – wenn überhaupt – in die Sonderschule, gehen die Roma-Kinder jetzt in die örtliche Grundschule zusammen mit den anderen Kindern des Ortes. Es gibt keine Trennung mehr.

"Beide Gruppen, die Roma- und die anderen Kinder des Dorfes, müssen das Gefühl haben, gleichberechtigt und gleich willkommen zu sein. Nach zwei, drei Jahren hat das Früchte getragen. Wir sind auf einem guten Weg."

Peter Strazik, Schuldirektor

In anderen Gemeinden, so der Schuldirektor, hake es oft an der Kommunikation und alles werde über das Geld abgewickelt. Hier in Spissky Hrhov sei das anders: Eltern, Lehrer, Kinder und der Bürgermeister würden an einem Strang ziehen und eng zusammenarbeiten.

"Unser Ziel ist es, dass wir hier eine einzige Bürgerschaft haben, in der Hautfarbe und Herkunft keine Rolle mehr spielen: eine moderne inklusive Gesellschaft."

Peter Strazik, Schuldirektor

Batizovce

Wie der Alltag der Roma sonst im Lande aussieht, zeigt das Beispiel im Nachbarort Batizovce: rund ein Drittel der 2200 Bewohner sind Roma. Sie leben am Rande des Ortes in einer einfachen Hüttensiedlung. Die meisten sind ohne Job. Eine Chance auf Arbeit hätten sie nicht, sagen sie. Sie fühlen sich ausgegrenzt. Der Bürgermeister will das jetzt ändern nach dem Vorbild Spissky Hrhov. Doch noch zündet sein Konzept nicht:

"Wir sehen schon bei den einfachsten Tätigkeiten wie Laubsammeln oder Straßenkehren, dass diese Leute nicht arbeiten wollen, dass sie Probleme haben, morgens überhaupt aus dem Bett zu kommen, dass sie Probleme mit jeder Art von Pflicht haben. Das ist der Punkt, wo wir gerade stehen. Den müssen wir durchbrechen."

Gabriel Bodnar, Bürgermeister Batizovce

Vladimir Ledecky hat es schon geschafft. Mit sehr viel Engagement und ganz viel Hartnäckigkeit: Spissky Hrhov zeigt, wie es gehen kann, dass Roma in der Slowakei nicht am Rande der Gesellschaft leben, sondern mittendrin für ein Leben ohne Armut, für ein Leben mit Zukunft wie bei Ivan Kucurova und seiner Familie.


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