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Slowakei Wenn ein Neonazi Regionspräsident wird

Banska Bystrica im Herzen der Slowakei – die Heimat von Marian Kotleba. Hier hat der Rechtsextremist seinen politischen Durchbruch geschafft: vor gut drei Jahren wurde er zum Gouverneur des Bezirkes gewählt.

Von: Arndt Wittenberg

Stand: 08.01.2017 | Archiv

Marian Kotleba | Bild: BR

Nach seinem Wahlsieg ließ Kotleba die EU-Flagge von seinem Amtssitz entfernen - für ihn nur das Symbol einer verhassten Institution. Die rasante Wandlung eines Rechtsradikalen: Vor kurzem noch marschierte Marian Kotleba mit Fackeln und schwarzen Phantasieuniformen, die an die Nazi-Zeit erinnern. Seit der Wahl zum Bezirksgouverneur gibt der 39-Jährige zunehmend den biederen Politiker, dem Werte wie Familie, Nation und Religion am Herzen liegen. Das kommt bei Protestwählern an, wie uns die Leute bestätigen: "Die Slowakei braucht einen Wechsel. Deshalb ist es so gekommen. Aber nicht alles bei ihm ist in Ordnung." "Wenn Kotleba etwas sagt, auch wenn er wenig verspricht, er hält sein Wort. Die Leute sind der bisherigen Politik einfach überdrüssig." "Er ist anders als die anderen Politiker. Der will endlich mal was ändern."

Das versucht Marian Kotleba in Banska Bystrica. Der Bezirk ist zum Versuchslabor rechtsextremer Politik geworden. Besonders spürt das die lokale Kulturszene. Stücke des renommierten Tanztheaters "Divaldo" verunglimpfte Kotleba schlicht als "dekadente Kunst".

Iveta Skripekova

Auch das "Theater am Kreuzweg" ist ins Visier des rechtsradikalen Politikers geraten. Vor allem wegen seiner Inszenierung "Brief an meinen schwarzen Sohn", ein Stück, das sich um Rassismus und Vorurteile im Alltag dreht. Damit tourt die Theatertruppe auch durch Schulen und organisiert Diskussionen über Extremismus und Fremdenfeindlichkeit. Das wollte Marian Kotleba offensichtlich verhindern: vor genau einem Jahr ließ er die bereits genehmigten Subventionen aus Bratislava einfach stoppen. Ein Schock für die Kulturszene, fast ein Fanal: das erste Mal, dass ein Bezirksgouverneur einem Theater den Geldhahn zudrehen wollte, um auf die Inhalte Einfluss zu üben. Theaterdirektorin Iveta Skripkova hat sich nicht unterkriegen lassen: Das Stück läuft weiter, finanziert mit Geldern, die jetzt direkt aus Bratislava fließen. Aus Protest gegen die Einflussnahme haben sie eine Initiative gegründet: das Weiße Band. Aber aller Symbolik zum Trotz - es herrscht eine Atmosphäre der Angst:

"Wir sind alle abhängig von der obersten Behörde; die Theater und ihr Personal werden von ihr bezahlt. Jegliche Kritik wird jetzt sehr genau wahrgenommen. Und alle, die offen ihre Meinung sagen, können Probleme bekommen. Deshalb wollen alle in der Kulturszene nichts mehr dazu sagen."

Theaterdirektorin Iveta Skripekova

Stanislav Micev

Es ist eine absurde Wendung der Geschichte: Ausgerechnet in Banska Bystrica, wo 1944 der Aufstand gegen das slowakische Nazi-Regime begann, regiert wieder ein Rechtsextremist. Für Stanislav Micev, den Leiter des historischen Museums, ist klar: Kotleba beruft sich auf Pater Jozef Tiso, der als Marionette Adolf Hitlers Zehntausende Juden und Roma in die Gaskammern schickte. Die versuchte Zensur in der Theaterszene sieht Micev auch nicht als Lappalie, sondern als Vorboten einer totalitären Gleichschaltung des Kulturbetriebs:

"Es kann nicht sein, dass ein Politiker entscheidet, was Kunst darf und was nicht. Kotleba versucht hier im Kleinen, was er tun würde, wenn er an der Macht wäre: Theater schließen, bestimmte Bücher und Autoren verbieten. Die Meinungsfreiheit wäre ganz eindeutig eingeschränkt."

Stanislav Micev

Bei einer Bürgerversammlung seiner Partei „Unsere Slowakei“ treffen wir Marian Kotleba. Sein politisches Programm, wenn man es so nennen will, ist überschaubar: der Putin-Fan hetzt gegen die Roma-Minderheit, gegen Homosexuelle, die EU, den Euro und die NATO, die er eine Verbrecherorganisation nennt. Wir hatten bereits mehrfach um ein Interview gebeten. Doch auch an diesem Tag lehnt Rechtsextremist Kotleba strikt ab: Er spreche grundsätzlich nicht mit ausländischen Medien. Kotleba macht Fotos lieber mit seinen Fans. Nach den letzten Umfragen wächst die Zahl seiner Anhänger.

Eine beunruhigende Entwicklung, die auch seine Gegner beschäftigt. In Banska Bystrica haben junge Aktivisten die Initiative „Nicht in unserer Stadt“ gegründet. Unterstützt von Universitäten, Kirchen und Unternehmen organisieren sie Veranstaltungen: Konzerte, Lesungen und Diskussionen an Schulen. Werbetexter Maros Chmelik ist wieder einmal unterwegs, um in der Stadt Plakate zu kleben. Was ihn beschäftigt: Kotlebas moderner Wahlkampf über die sozialen Medien hat Erfolg: Immer mehr Erstwähler würden den Rechtsextremisten wählen. Und bei den Bezirkswahlen in diesem Jahr hat Kotleba keine schlechten Chancen, zum Gouverneur wieder gewählt zu werden. Für Maros wäre das eine Katastrophe.

"Wir brauchen einfach größere Unterstützung von der Politik, Öffentlichkeit und anderen Institutionen, die dieses Thema bislang ignorieren, weil sie Angst davor haben. Nur gemeinsam können wir die wachsende Bedrohung durch die Radikalisierung und den Rechtsextremismus von Marian Kotleba bekämpfen."

Maros Chmelik

Noch ist es friedlich hier. Doch Maros und seine Mitstreiter fürchten, dass die Stimmung umschlagen könnte - in ein Klima der Gewalt.


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