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Slowakei Morde und Korruption

Seit der Ermordung des Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnírová ist die Slowakei in Aufruhr. Der 27-jährige Journalist hatte über die Verfilzung von Politik und Wirtschaft recherchiert.

Von: Gunnar Köhne

Stand: 25.03.2018 | Archiv

Button "All for Jan" | Bild: BR

Zuzana Petkova

Eine Luxuswohnanlage in Bratislava, die auf einem Riesenbetrug errichtet worden ist. Die Journalistin Zuzana Petkova hat das mit aufgedeckt. Ausgerechnet hier wohnt der bereits zurückgetretene Ministerpräsident Robert Fico. Seine Regierung soll, so hat Petkova herausgefunden, die Machenschaften des Bauunternehmers decken. Es geht um Steuerhinterziehung in Millionenhöhe:

"Die haben einfach die Gesetze rasch so geändert, dass der Bauunternehmer die Mehrwertsteuer nachzahlen konnte und so straffrei blieb. Und so hat er es auch gemacht. Das ist nur einer von vielen Fällen, die darauf hinweisen, dass es hier Korruption bis in die höchsten Kreise gibt. Das ist so verbreitet, dass die Gesellschaft sich schon daran gewöhnt hat."

Zuzana Petkova, Journalistin Wochenzeitschrift Trend

Petkova schaut sich immer wieder nervös um. An diesem und anderen Skandalen hatte sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Jan Kuciak recherchiert. Kuciak wurde Mitte Februar von Unbekannten erschossen. Dennoch spricht die Reporterin einen Nachbarn des Anwesens an:

"Wie ist das mit der Baugenehmigung gelaufen?"

Zuzana Petkova

"Die wurde nachträglich beantragt und dann noch genehmigt. Das ist nicht in Ordnung. Aber das ist nicht nur ein Problem der jetzigen Regierung. In solchen Fällen gibt es eine kurze Phase Empörung und dann geht es weiter wie bisher."

Nachbar

Jan Kuciak

Doch seit dem Mord an Jan Kuciak, hier bei einem Journalistenseminar im vergangenen Jahr, ist vieles anders in der Slowakei. Vergangene Woche demonstrierten Zehntausende in Bratislava gegen die Regierung und die grassierende Korruption im Land. Auch Zuzana Petkova verlangte auf der Bühne eine rasche Aufklärung des Mordes an ihrem Freund und Kollegen und dessen Verlobter. Für die Demonstranten gibt es keinen Zweifel: Die von Jan Kuciak recherchierten Verbindungen zwischen der Politik und dem organisierten Verbrechen in der Slowakei sind wahr:

"Ich war schon 1989 gegen die Kommunisten auf die Straße gegangen. Es müsste jetzt wieder einen grundlegenden Wandel geben und die Wahrheit muss ans Licht."

Eine Frau

"Das wichtigste ist, dass sich die Menschen in diesem Land wieder sicher fühlen können. Ich habe dieses Gefühl der Sicherheit jedenfalls nicht."

Ein Mann

Premierminister Fico

Angst verbreitete auch Premierminister Fico selbst: Auf dieser Pressekonferenz beschimpft er Journalisten als Prostituierte. Zuzana Petkova ist darüber nicht nur schockiert. Sie fürchtet, dass sich durch die Hetze der Politiker demnächst wieder jemand wieder ermutigt fühlt, Journalisten anzugreifen:

"Nach dem Mord an Jan haben wir auch in unserer Redaktion Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Im Rechercheteam benutzen wir nur noch verschlüsselte Kommunikationswege. Wir verschicken nichts mehr über Mail, sondern treffen uns an einem sichereren Ort und tauschen uns dort aus."

Zuzana Petkova, Journalistin Wochenzeitschrift Trend

Vor wenigen Wochen fing Petkovas Auto während der Fahrt Feuer. Sie konnte rechtzeitig anhalten und glaubte zunächst an einen technischen Defekt. Doch kurz darauf traf sie sich mit einem Informanten in einem Einkaufszentrum:

"Plötzlich wurde der vom Parkhaus angerufen, dass sein Auto brenne. Wir sind daraufhin runtergerannt und ich sah, dass sein Auto auf die gleiche Weise brannte wie meines. Der Informant hat sich daraufhin nie wieder bei mir gemeldet. Damals habe ich mir nicht viel dabei gedacht und bin auch nicht zur Polizei gegangen. Aber inzwischen denke ich, ob das nicht eine Warnung an mich war."

Zuzana Petkova

Petkova will dennoch weitermachen; das sei sie ihrem Freund und Kollegen Jan Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnirova schuldig. Die Proteste und das Gedenken an die beiden Opfer in der ganzen Slowakei geben ihr Zuversicht:

"Ich hoffe, dass sich nach diesem Mord endlich etwas ändert. Uns Slowaken wurde der Staat gestohlen, die Institutionen sind korrumpiert und funktionieren nicht. Das hat dazu geführt, dass es zu solchen tragischen Ereignissen kommt, von denen wir gedacht haben, dass sie im Jahr 2018 nicht mehr möglich sind."

Zuzana Petkova

Jedenfalls nicht in einem Land der Europäischen Union. Darum, findet Zuzana Petkova, ginge der Mord an Jan Kuciak im Herzen Europas nicht nur die Slowaken etwas an.


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