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Schweden Das virtuelle Land

Willkommen in Stockholm, willkommen in Schweden, willkommen im Internet-Land, wo das Smartphone den Alltag prägt und für viele nicht nur zum wichtigsten Werkzeug geworden ist, sondern auch zum liebsten Spielpartner.

Von: Clas Oliver Richter

Stand: 03.04.2016 | Archiv

Tablet | Bild: BR

Die Schweden lieben alles Digitale, weil es das so Leben bequem macht – und so schön bunt. Und – weil sich mit erfolgreichen Computerprogrammen gutes Geld verdienen lässt.

Sebastian Knutsson

Er ist einer der Helden in der boomenden Stockholmer Internetszene: Sebastian Knutsson. Ein buntes Onlinespiel, bei dem möglichst viele Süßigkeiten gesammelt werden, hat seine Firma erfolgreich gemacht, und ihn zu einem reichen Mann: Candy Crush Saga. 150 Millionen Menschen spielen das Spiel – jeden Monat. Keine App ist im vergangenen Jahr so häufig heruntergeladen worden wie Candy Crush Saga.

"In Schweden gab es sehr früh Internet für jeden. Breitbandversorgung gab es dann auch bald, alles ziemlich günstig. Und die Anschaffung von Computern für Zuhause wurde vom Staat unterstützt. Heute ist das alles normal, aber bei uns ist das schon in den 90ern passiert."

Sebastian Knutsson

Fast täglich kommen irgendwo in Stockholm ein paar Programmierer zusammen auf der Suche nach dem nächsten großen Projekt, der nächsten großen Idee, mit der sich Geld machen lässt. Inzwischen soll es in der Hauptstadt mehr Programmierer geben als Lehrer oder Krankenschwestern.

"In Schweden fanden wir es schon immer toll, technisch ganz weit vorne zu sein. Außerdem gibt es hier ein gutes Umfeld für Start-Ups, vor allem in Stockholm. Und – wir Programmierer mögen die schwedische Art, Firmen zu führen, also flache Hierarchien, wo jeder seine Meinung sagen kann und auch gehört wird."

Daniel Kuehn, Programmierer

"Stockholm ist inzwischen ein Mekka für Entwickler und IT-Start-Ups aus ganz Europa. Viele vergleichen Stockholm mit dem Silicon Valley in den USA."

Vera Olsson, Software-Entwickler

Hier lernt die nächste Generation das ABC des Programmierens, lernt Apps zu entwickeln – in der Programmiererschule. Der zehnjährige Elmer verbringt zuhause viel Zeit vor seinem Computer und an zwei Nachmittagen in der Woche hier.

"Wenn ich zuhause spiele, dann denke ich, dass ich die Spiele doch selbst viel besser programmieren könnte."

Elmer Huth

Heute baut er an einem Labyrinth für ein Suchspiel.

Die Kurse in der Programmierschule sind über Monate ausgebucht, die Wartelisten lang. Computer zu programmieren, das gehört für viele in Schweden inzwischen zur Allgemeinbildung, genauso wie Lesen und Schreiben.

"Wir unterrichten Kinder, die das Programmieren lernen wollen. Wir wollen ihnen eine Art neue Sprache beibringen und ihnen die Möglichkeit geben, aktiv etwas zu schaffen und nicht nur einfach die Spiele im Netz zu spielen."

Emelie Dahlström

Für alle die, die es beim Spielen belassen wollen, ist das Dreamhack-Festival das Highlight des Jahres: 26.000 zumeist junge Leute, die sich drei Tage lang rund um die Uhr mit Computer-Spielen die Zeit vertreiben. Da kann man zwischendurch schon einmal müde werden.

Emma Börlin

Sie ist ein Star hier: Emma Börlin, oder "Swebliss", wie sie sich selbst nennt, spielt fast rund um die Uhr. Auf ihrem eigenen Internetkanal können die Fans ihr dabei zusehen und mit ihr chatten. Dafür zahlen sie eine Gebühr. So verdient Swebliss ihr Geld. Als "Streaming-Künstlerin" bezeichnet sie sich. Aber auch die Künstlerin gewinnt nicht immer.

Das Dreamhack-Festival, eine der seltenen Gelegenheiten, die Fangemeinde einmal aus der Nähe zu erleben.

"Sie fragen mich, wie es ist, im Internet zu streamen, welche Spiel ich am liebsten mag, oder ob sie mit mir spielen dürfen. Und sie wollen wissen, ob ich schon häufig hier war."

Emma Börlin, Swebliss, Streaming-Künstlerin

Ihre Fans können Swebliss nicht nur beim Spielen begleiten. Sie lebt den ganzen Tag online. Auch als wir sie zu einem Interview treffen, können ihre Fans dabei sein. Und sie nutzt das Internet und ihr Smartphone für buchstäblich alles im Alltag.

"Fragt mich lieber, wofür ich das Internet nicht nutze. Ich schalte damit zuhause das Licht an und aus, ich schalte meinen Herd mit dem Smartphone an, ich schließe meine Haustür über das Internet ab und natürlich erledige ich alle meine Bankgeschäfte damit. Mit meinem Internet-Handy erledige ich wirklich alles."

Emma Börlin, Swebliss

Bargeld habe sie schon seit Monaten nicht mehr abgehoben. Ein Leben ohne permanentes Internet – undenkbar, sagt sie. Es sei für sie inzwischen normal, fast rund um die Uhr im Netz gesehen zu werden – überall auf der Welt!

Sehen und gesehen werden, darum geht es auch bei Stockholms derzeit heißestem Internet-Projekt, bei Tobi! Eine Software, mit der Computer über die Augen gesteuert werden können, die aber auch erkennt, wohin man als erstes schaut, wenn man auf einen Bildschirm sieht.

"Das Sichtfeld zu verfolgen, ist ein fantastisches Werkzeug, um das Verhalten der Menschen nachzuvollziehen. Das Gehirn verarbeitet ja die Eindrücke, die wir mit den Augen bekommen. Mit unserem Programm können wir Produkte und Internetseiten optimieren."

Henrik Eskilsson, Tobi

Wohin schauen wir zuerst? Wohin schauen wir am häufigsten? Die Brille kontrolliert unsere Blicke. Die roten Punkte zeigen, was am meisten interessiert. Demnächst gibt es diese Technik auch für Computerbildschirme. Dann weiß zum Beispiel der Pizza-Dienst, ob wir lieber Ananas oder Tomate mögen.

Derzeit soll Tobi 200 Millionen Euro wert sein, Tendenz steigend! Und alle warten darauf, dass auch diese Internettechnologie aus Stockholm den ganz großen Durchbruch schafft.


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