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Russland Rettung für die Kaukasus-Leoparden?

Es ist schon etwas unheimlich: Wir sind in einem Fleckchen Erde – einzigartig in Russland. Ein Schutzgebiet, das es so in ganz Europa nicht gibt. Natur wie vor 100 Jahren. Bislang unter Totalschutz.

Von: Birgit Virnich

Stand: 09.07.2017 | Archiv

Kaukasischer Leopard | Bild: BR

Nur in Begleitung dieser Wissenschaftler und Ranger dürfen wir überhaupt hier sein. Wir sind im Land der Leoparden. Früher lebten hier viele. Doch die meisten wurden ausgerottet, die anderen zogen in den Ostkaukasus. Das soll sich nun ändern.

Im letzten Jahr haben sie hier drei Leoparden ausgewildert. Eines Tages könnten hier wieder 100 Großkatzen leben, so der Biologe Alim Pjitikow. Das ist jedenfalls sein Traum.
Jetzt will er sehen, was aus ihnen geworden ist.

Alim Pjitikow

Alim hat Kameras aufgestellt, um mehr über die Leoparden und den Tierbestand im Westkaukasus zu erfahren. Er ist hier, um die Fotokarten auszuwechseln:

"Den Leoparden steht etwa eine halbe Million Hektar Land zur Verfügung. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer von ihnen von einer unserer Videokameras aufgenommen wird, ist ziemlich gering. Doch die Fotofallen liefern wichtige Hinweise über die Beute. Und da der Leopard seiner Beute folgt, schon möglich, dass er irgendwann hier vorbeikommt."

Alim Pjitikow

Nicht nur die Leoparden auch das Wild wurde hier früher gnadenlos gejagt. Alim und Sergej sind zufrieden: Die Wildbestände haben sich erholt. Die beiden Biologen dokumentieren alles ganz genau. Schließlich ist es das erste Mal, dass hier Leoparden ausgewildert wurden. Und im nächsten Jahr sollen fünf weitere Tiere folgen. Aber nur, wenn es mittlerweile wieder genügend Nahrung für die Großkatzen gibt.

Alles deutet daraufhin: Gemsböcke in Hülle und Fülle. Sorgen machen sich die beiden Biologen eher um die Bewegungsfreiheit der Katzen. Das Überleben der Leoparden im Kaukasus kann nur gesichert werden, wenn die alten Wanderrouten, die Korridore nach Aserbaidschan und Armenien offen bleiben, damit sie sich mit den Leoparden dort vermehren können.

Manchmal läuft Alim 20 Kilometer am Tag quer durch den Westkaukasus. Denn nicht immer hat er das Geld für Pferde. Doch er weiß, wie wichtig es ist, jetzt soviel Informationen zusammenzutragen wir möglich. Denn nur dann können weitere Tier ausgewildert werden. Täglich wertet er im Camp alles aus. Langsam ergibt sich ein Gesamtbild: Kadaver, vor allem die sogenannten Cluster geben Auskunft über die Jagdreviere der Leoparden. Alles wird in eine Karte eingezeichnet.

"Die Leoparden sind ideale Raubtiere, weil sie nur das nehmen, was sie brauchen. Und das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Huftieren und Leoparden gibt keinen Anlass zur Sorge. Man muss nicht befürchten, dass die Huftiere unter Druck geraten und radikal reduziert werden."

Alim Pjitikow, Biologe WWF

Die Bewegungsmuster der Leoparden zeigen: Sie haben sich ausgezeichnet angepasst: Sie jagen, gehen aber an Siedlungen vorüber.

Alim hat ein ganz besonders Verhältnis zu den Großkatzen. Er war dabei, als die drei jungen Leoparden vor einem Jahr ausgewildert wurden. Es ist das erste großangelegte Experiment dieser Art weltweit: Leoparden, die in menschlicher Obhut heranwuchsen, wurden in freier Wildbahn ausgesetzt.

Igor Tschestin

Nur selten sind die scheuen Großkatzen bisher gesichtet worden. Sie meiden Menschen. Und das ist gut so. Denn vom Menschen geht die größte Gefahr aus, so der Direktor des WWF in Russland. Vor den Olympischen Spielen in Sotchi, hatte sich die russische Regierung verpflichtet das Gebiet unangetastet zu lassen, sogar zu vergrößern, doch mittlerweile stehen wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt. Gerade hat sie einen wichtigen Teil des Parks, der für die Wanderung der Leoparden wichtig ist, zur kommerziellen Nutzung freigegeben: Straßen und Skilifts sollen dort gebaut werden.

"Die größte Gefahr geht von einer Ausweitung der Skiressorts aus. Es geht in erster Linie um die Gazprom- und Interros-Resorts, die über die Pläne verfügen, sich nicht nur weiter in Richtung Wildpark auszudehnen, sondern auch in Richtung Kaukasisches Naturschutzgebiet. Wenn diese Pläne realisiert werden, wird diese Gruppe, die von uns gerade frisch gebildet ist, isoliert sein, sich nicht mehr mit den Leoparden, die im östlichen Kaukasus leben, austauschen."

Igor Tschestin, Direktor WWF Russland

Alim lebt fast die meiste Zeit hier draußen in der freien Natur.

"Wenn der Mensch dafür verantwortlich ist, dass diese herrlichen Raubkatzen hier ausgerottet wurden, dann müssen wir jetzt dafür sorgen, dass das Gleichgewicht wieder hergestellt wird. Das ist unsere Verantwortung. Der Leopard lebte hier ja früher. Er ist also eigentlich unentbehrlich. Keine fremde Art. Er war Teil dieses Ökosystems, eine feste Komponente des unberührten Biotops. Der Leopard ist eine Art Indikator dafür, dass das System in Ordnung ist, dass hier alles richtig funktioniert, dass alle Glieder dieser Kette erhalten geblieben sind."

Alim Pjitikow, Biologe WWF

Alim ist zwar stolz, macht sich aber auch Sorgen um dieses letzte bisschen Urwald am Rande von Europa. Sollte Russland den Schutz des Westkaukasus als Weltnaturerbe nicht gewährleisten, ist mit harten Gegenmaßnahmen der UNESCO zu rechnen.


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