BR Fernsehen - EUROBLICK


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Polen Hunde als Resozialisierungshelfer

Bekon hat kurze Beine, er ist freundlich und möchte gerne raus.

Von: Griet von Petersdorff

Stand: 13.12.2015 | Archiv

Häftling beim Hundetraining | Bild: BR

Das ist Sugar. Gleich gibt es was zu fressen. 43 Hunde sind im Tierheim von Jarosław und Aneta Motak, manche ausgesetzt, manche weggelaufen. Jedes Tier hat seine eigene traurige Geschichte; menschliche Zuwendung, wie schön! Heute ist Gefängnistag. Sie werden mit Häftlingen zusammenarbeiten.

"Es ist ja so: die Häftlinge sind sozial ausgegrenzt. Und die Hunde, die zu uns kommen, auch. Ich glaube diese zwei Gruppen können sich gegenseitig am besten helfen."

Aneta Motak, Tierheim

Aneta Motak

Das ist das Tierheim, das allein von Privatspenden lebt. Und das ist der hochmoderne Knast für insgesamt 1200 Häftlinge. Der Besuch hier ist jedes Mal eine langwierige Prozedur. Die Hunde im Kofferraum schauen erstaunt raus, der Wachmann erstaunt rein und weiter geht’s.

Das Tierheim

Eigentlich ist es so: raus aus dem kleinen Käfig im Tierheim hinein in den großen des Gefängnisses.

Die Häftlinge kommen: schwere Jungs. Neun Monate dauert das gesamte Programm, in dem es vor allem um die Kontrolle der Gefühle geht. Die Arbeit mit dem Hund ist ein Teil davon.

"Wenn einer sehr erregbar ist, also im negativen Sinne, dann suchen wir einen ähnlichen Hund für ihn. Wenn einer ruhig, gar phlegmatisch ist, so suchen wir ein Tier mit diesen Eigenschaften. Der Häftling soll sich in dem Hund selbst erkennen."

Jarosław Motak, Tierheim

Die Umgebung: eher einschüchternd.

"Das sind Bekon, Sugar, Margot, Zeniusz und Waffel. Wir nehmen jetzt die Leine in die linke Hand, in der rechten Hand haltet ihr die Essen."

Aneta Motak, Tierheim

Sugar muss auf die Matte. "Bleib da," meint Marcin, "und jetzt komm!" Klappt halbwegs.

Und Waffel? Freut sich übers neue Herrchen und ist einfach zu aufgeregt, um auf der Matte zu bleiben. Die Beziehung zwischen Häftling und Hund ist heilsam. Das Tier weiß nicht, was der Mensch getan hat, es will nur Zuwendung.

"Diese Hunde hier geben mir vor allem viel Liebe und das Gefühl der Sicherheit und Akzeptanz für einander. Eigentlich, ich kann es nicht richtig beschreiben, aber es ist etwas sehr Schönes."

Marcin, Häftling

"Ich war immer in Eile. Ich rannte, und erst durch die Arbeit mit den Hunden habe ich Geduld gelernt, auch zu planen. Und ja, jetzt habe ich sogar angefangen, eine ganze Menge über Gefühle zu lesen."

Rafał, Häftling

Es gibt keine Fluchtmöglichkeit, Hund und Häftling müssen miteinander auskommen. Der Hund muss gehorchen lernen, dann kann das Tierheim ihn leichter vermitteln in ein neues Zuhause, und der Häftling muss Verantwortung lernen fürs neue Leben.

Waffel muss jetzt nach dem Slalom rein in den Tunnel. Und das wichtigste: auch wieder raus. Na, endlich. Waffel ist gern im Tunnel. Und jetzt Sugar, rast durch, ein pfiffiger Hund.

Die Häftlinge verändern sich, sie streicheln, werden weich, versorgen die Tiere.

"Ich finde es toll, wenn die was Neues können, wie heute im Tunnel. Der Hund wollte immer wieder zeigen, was er gelernt hat. Der wusste, was er wollte und, ach, sie freuen sich so übers Streicheln und so."

Rafał, Häftling

Jarosław Motak

Seit fünf Jahren läuft das Projekt bereits, auch weil es so erfolgreich ist. Den Trainern allerdings fällt es manchmal schwer, hinter Mauer und Stacheldraht zu arbeiten.

"Aber wenn so ein vor Kraft strotzender Strafgefangener im Knast, also dort, wo die Gefühle ungern gezeigt werden, mich, einen fremden Mann, ans Herz drückt, dann weiß ich, es lohnt sich weiterzumachen."

Jarosław Motak, Tierheim

Und genau das geschieht auch heute: Marcin und die anderen nehmen Jarosław in den Arm; auch der Abschied von den Hunden, wie Sugar oder Bekon, fällt den einstigen Gewalttätern schwer, vor allem wenn das Programm endet. Doch auch das gehört zum Lernprozess dazu, mit den Gefühlen umzugehen, Abschied nehmen zu können.


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