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Großbritannien Die Bauern und der Brexit

Es ist nicht leicht aus der Zungenakrobatik von Tom Wrench den Geschäftsabschluss herauszufiltern, aber es gibt ja nun mal auch 2000 Schafe, die an diesem Morgen noch unter den Hammer müssen.

Von: Hanni Hüsch

Stand: 03.04.2016 | Archiv

Schafe | Bild: BR

Keine schlechten Zeiten für die Farmer auf der Schafsauktion in Rugby – so kurz vor Ostern, steigt der Bedarf an Lammfleisch. Zwei aber haben keine Augen für die Viecher. Es wird heftig diskutiert. Das Wort „out“ fällt – raus, raus aus der EU:

"Diese verdammten Migranten – wir können nicht mehr kontrollieren, wer da kommt."

Ein Mann

"Was für ein Blödsinn, raus zu gehen. Dabei können wir nichts gewinnen – es hat doch nur mit dem albernen Streit der Konservativen zu tun. Denen geht es nicht um das Wohl unseres Landes."

Ein anderer Mann

Fast alle, die heute ihre Schafe durch die Auktionsgatter treiben, hängen massiv am Tropf der EU. Viele könnten ohne die Gelder aus Brüssel gar nicht überleben. Die Schafszucht ist ein hartes Geschäft. 50 Jahre hat Allan Knight von seinen Schafen gelebt und nur wegen der Farmsubventionen überhaupt ein Auskommen gehabt. Demnächst will der 66-Jährige in Rente gehen und zu meinem Erstaunen für den Brexit stimmen.

"Wir werden nicht das gleiche von unserer Regierung kriegen, aber trotz allem willst Du raus aus der EU: ja, aber bitteschön warum."

Reporterfrage

"Ich mag es lieber unabhängig. Die Regulierungen aus Brüssel gefallen mir nicht."

Allan Knight , Farmer

Es mag also nicht verwundern, dass der Premierminister in diesen Tagen durch Kuh- und Schafställe eilt, Lämmchen liebkost. Der sehr eigenwilligen Farmerlogik setzt David Cameron das Projekt Angst entgegen: Hohe Ausfuhrzölle, mahnt der Wahlkämpfende streichelnd, könnten Farmer in die Knie zwingen, sollte das Land der EU den Rücken kehren.

Bei Nigel verfängt das nicht – gerade sind seine Lämmer in der Auktion, gute britische Lämmer. Die schätzen sie vor allem in Frankreich und Deutschland.

"Die Leute werden immer Lamm essen. Dann machen wir eben neue Verträge, um nach Europa zu verkaufen."

Nigel Redfirn, Farmer

100.000 Schafe werden hier in Rugby jedes Jahr umgeschlagen. Die meisten wandern in den Schlachthof und von da aus auf die Teller in der EU. 80 Prozent der Lämmer gehen in den europäischen Export.

Mohammed Akrm

Beim genauen Hinschauen fällt mir ein Mann auf, der ständig kniepst, zuckt und kreist. Es dauert nicht lange und Mohammed Akrm hat die Hälfte der Tiere aufgekauft. Die meisten für Halal-Geschäfte in Frankreich und Deutschland.

"Der europäische Markt ist das Rückgrat unserer Agrarindustrie. Leute die rauswollen, sollten noch mal scharf nachdenken. Wo soll die Landwirtschaft denn hin ohne Europa. Wenn wir Europa im Stich lassen, lassen die uns auch uns hängen."

Mohammed Akrm, Händler

Für Dennis Clark ist das heute nicht gut gelaufen. Seine alten Widder waren Mohammed nicht viel wert. Seine Züchterpotenz aber möchte Dennis uns gerne noch präsentieren – schließlich ist er einer der großen in den Midlands. Und fast im Minutentakt gibt es jetzt Nachwuchs. 1800 Lämmchen waren es schon seit Januar. Dennis hat im letzten Jahr durchaus schmerzvoll erleben müssen, was es heißt ohne die EU-Gelder auskommen zu müssen: 65.000 Euro weniger für die Familienfarm durch ein bürokratisches Missgeschick.

"Wenn du so unglücklich bist wie wir im letzten Jahr, da war unser Profit gleich null. Es ist sehr wichtig dieses EU-Geld, viel wichtiger als ich dachte."

Dennis Clark, Farmer

Vermutlich würden Schafe den Brexit wählen, denn Absatzschwierigkeiten, die auf den Ausstieg folgen könnten, sichern dem lieben Vieh ein längeres Leben.


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