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Griechenland Das Geld und die Griechen

Der Karla-See im griechischen Thessalien. Um Land zu gewinnen, wurde er 1962 vollkommen trocken gelegt. Eine Wiedergeburt des Sees sollte die Wasserversorgung der ganzen Region sichern.

Von: Natalie Amiri

Stand: 21.06.2015 | Archiv

Karla-See | Bild: BR

Ein riesiges Bauprojekt. Arbeitsplätze wurden versprochen, Touristen sollten angelockt, die Wirtschaft angekurbelt werden – ein Vorzeigeprojekt.

Die Realität: eine millionenteure Umweltkatastrophe, eine dümpelnde Müllhalde, ohne Kontrolle. Finanziert zu 95 Prozent von Geldern der EU. Mehr als 100 Millionen Euro versickerten bisher im See. Und der Fortschrittsbericht der EU schaut weg.

"Wenn vor Ort was schiefgeht, dann sagt uns die EU-Kommission: 'Wir waren es nicht, das waren die vor Ort.' Und wenn wir dann fragen: 'Ja ihr hättet es doch prüfen können, ihr hättet es merken können.' 'Ja ne, hätten wir nicht merken können.' Also es geht so weit, dass, wenn ich nach einzelnen Projekten in den Mitgliedsstaaten frage, wird mir ein Link zu einem Mitarbeiter der nationalen Verwaltungsbehörden genannt; nach dem Motto: 'Frag den doch selber.'"

Ingeborg Graessle, EU-Abgeordnete, Haushaltskontrollausschuss

Alexis Tsipras kam und versprach: alles wird besser. Es wird gerechter, ehrlicher, kein Klientelismus mehr. Alle Gelder kommen an.

Besonderes einer freute sich darauf, auf eine gerechtere Politik: Kostas Vaxevanis. Er sorgte dafür, dass vor drei Jahren in seinem Magazin "Hot Doc" die Lagarde-Liste veröffentlichte wurde. Seitdem muss er bewacht werden. Mehrere Morddrohungen hat er deshalb erhalten. Einmal konnte er sich in letzter Minute noch durch die Hintertür retten. Er war der einzige, der sich traute die Liste in seinem Magazin zu veröffentlichen; eine Liste mit Namen ziemlich reicher Griechen. Über zwei Milliarden Euro hatten diese bis 2007 auf die Schweizer HSBC-Bank überwiesen.

Die Liste war nicht neu. Bereits 2010 übergab sie die heutige IWF-Chefin Christine Lagarde, damals in der Funktion der französischen Finanzministerin, an ihren griechischen Amtskollegen. Zwei Jahre lang verschwand die brisante Liste daraufhin in den Schubladen der griechischen Behörden.

Inzwischen ist bekannt, dass von den 2062 Namen erst 49 überprüft wurden.

Auch Tsipras und Varoufakis haben die Liste nicht ernsthaft angefasst. Begründung: "Kein Personal." Stattdessen gab es Steuerstundung für Superreiche, Pfändungsfreigrenzen bis zu einer halben Million. Nun soll auch noch die Immobiliensteuer aufgehoben werden. Alexis Tsipras, ein "Robin Hood der Reichen"?

Haris Theoharis

Es gab auch mal einen unabhängigen Steuerfahnder in Griechenland: Haris Theocharis. Als er zu aktiv wurde, hatte ihn die Vorgängerregierung einfach abgesetzt. Aber auch die jetzige tut nichts zur Intensivierung der Steuerfahndung. Pro Jahr entgehen ihr so mehr als 30 Milliarden Euro.

"Die Vetternwirtschaft existiert. Ich habe sie bekämpft, als ich noch meinen Posten hatte. Wir haben so viel wie möglich zu verhindern versucht, aber sie ist noch immer Bestandteil der griechischen Gesellschaft. Und politisch betrachtet ist die Vetternwirtschaft das größte Übel, das bekämpft werden muss."

Haris Theoharis, ehemaliger oberster Steuerfahnder

Diesem Übel, den paar Superreichen gehört fast ganz Griechenland. Sie besitzen Banken, Tankstellen, Gaskonzerne, Schiffe und Fußballvereine. Doch niemand traute und traut sich an die Besteuerung der Superreichen dran, auch Tsipras nicht, obwohl er es groß angekündigt hatte, seinen Wählern und der EU versprochen.

Dazu jetzt der Finanzminister: "Wir haben zu wenig Personal. Die Löhne der Steuerfahnder wurden so brutal gekürzt, dass sie sich andere Jobs gesucht haben."

So einige Reeder sind froh über die neue, alte Politik. Dabei haben sie auch noch Tipps für diejenigen, die nicht so viel vom Kuchen abbekommen haben wie sie:

"Auch jemand mit nur fünf Euro in der Tasche kann sich doch einen schönen Tag machen: Er nimmt die Straßenbahn für 50 Cent zum Strand und verbringt den Tag in der Sonne."

Ein Reeder

Nicolas Vernicos

Er selbst ist aber als Reeder per Verfassung von der Steuer befreit. Und das ist auch in Ordnung so, findet er.

"Wenn sich an der Steuerpolitik für die Schifffahrt etwas ändert, dann werden die Banken, die uns finanzieren, zum Beispiel die Deutsche Bank, sagen: 'Herr Vernikos, wir mögen Sie. Wir möchten Sie unterstützen, aber wechseln sie zu einer anderen Flagge. Sie verlieren sonst ihre Wettbewerbsfähigkeit.'"

Reeder

Im September will Brüssel das Karla-See-Projekt besuchen. Sie werden feststellen müssen, dass der See noch ein bisschen mehr ausgetrocknet ist. Wenn das Projekt als gescheitert angesehen wird, muss Griechenland auch das Geld zurückzahlen.


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