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Belgien Engagierte Volksärzte nah am Patienten

Charleroi - alte Arbeiterstadt, heute: ein sozialer Brennpunkt. Hohe Arbeitslosigkeit, Armut, Drogen. Ein typisches Terrain für die sogenannten Roten Ärzte: Idealisten, die sich vor allem um Arbeiter und sozial Schwache kümmern.

Von: Cornelia Kolden

Stand: 12.12.2014 | Archiv

Blick auf Charleroi | Bild: BR

Sofie Mercks mit Monique Heber

Eine von ihnen ist Sofie Merckx. Sie hat sich ganz bewusst für diese Stadt entschieden, für Patienten mit oft schweren Schicksalen und wenig Geld, Patienten wie Monique Heber. Sofie betreut die Familie seit vielen Jahren. Monique verlor in kurzer Zeit Mann und Sohn, kümmert sich nun um die Enkelin. Einen normalen Hausarzt könnte sie von ihrer kleinen Rente nicht bezahlen.

"Sofie hat uns soviel Gutes getan. Wir können sie jederzeit anrufen. Wenn es meinem Sohn nicht gut ging, hat er sie um halb elf nachts angerufen. Sie hat sofort geantwortet. Wissen Sie, ein Hausarzt, der seine Patienten auch noch im Krankenhaus besucht und betreut, da können sie aber lange suchen. Sofie hat das getan, für meinem Mann und meinen Sohn - bis zuletzt, im Krankenhaus."

 Monique Heber

Sofie Merckx

Normalerweise müssen Patienten in Belgien das Arzthonorar sofort bezahlen, bekommen später einen Anteil von der Krankenkasse zurück. Sofie lässt sich von der Kasse direkt bezahlen und verzichtet auf zusätzliches Honorar.

"Wir behandeln so viele Patienten, wie wir Volksärzte es eben schaffen. Wir stellen keine Bedingungen wie etwa, dass Patienten ein besonders niedriges Einkommen haben müssen. Wir sind für alle offen."

Sofie Merckx, Volksärztin

Das Haus der Volksärzte in Charleroi ist eines von elf in ganz Belgien. Rund 1800 Patienten betreuen sie hier. Wartezeiten gibt es dennoch kaum. Pflege- und Verwaltungspersonal, Ärzte - alle hier arbeiten für ein bescheidenes Gehalt.

Sofie duzt ihre Patienten. Die meisten kennt sie seit Jahren: ihre Familien, die Wohnungen, die Arbeit, die Sorgen. Philippe, Koch in einer Großküche, schätzt die Ärztin als Freundin auf Augenhöhe.

"Man sagt doch, man sollte so leben, wie es den eigenen Idealen entspricht. Sonst verliert man diese Ideale. Damit will ich sagen, dass ich mit einem bescheidenen Gehalt die Menschen, die ich behandele, besser verstehe. Ich weiß, was es für sie heißt, wenn Preise erhöht werden. Wenn ich nachempfinden kann, wie sie leben, dann schafft das Nähe, und das schätzen die Patienten."

Sofie Merckx

Arbeiter haben den Flughafen von Charleroi blockiert. Sofie ist vor Ort, weil auch sie die Sparpolitik der neuen belgischen Regierung kritisiert.

"Ich unterstütze die Forderungen der Streikenden. Ich bin hier, weil ich wissen will, wie es den Leuten geht, was sie erleben. Ich will ihre Probleme kennen, will wissen, warum sie streiken. Ich war gerade noch bei der Krankenkasse, wo mir die Angestellten berichteten, dass immer mehr Leute sehr krank werden, weil sie nicht zum Arzt gehen, um Geld zu sparen. Das ist doch wichtig zu wissen."

Sofie Merckx

Als Ärztin streikt Sofie übrigens nicht. Niemals würde sie ihre Patienten unversorgt lassen.


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Dr. med. Angelica Wegener, Sonntag, 14.Dezember 2014, 19:55 Uhr

1. Beitrag über Volksärzte in Belgien

Was Sie in diesem Beitrag aber verschweigen, ist die Tatsache, daß die Beiträge zur öffentlichen Krankenversicherung extrem niedrig sind - rund 100 Euro pro Jahr!! - und Geringverdiener kostenlos versichert sind (Quelle: AOK Bundesverband). Auch erhält ein Arzt wohl nur zwischen 22 und 28 Euro pro Konsultation, von denen die Kassen dann später ca. 18 bis 21 Euro erstatten, so daß der Patient selbst nur 4 7 Euro selbst bezahlen muss. Dies ist auch für einen Geringverdiener extrem wenig und kein Grund zur Klage.