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TV Ungarn Tote als Zeugen der Vergangenheit

Während der Renovierung der Kirche der Dominikaner in Vác 1994 stieß man auf 265 natürlich mumifizierte, menschliche Überreste. Diese hohe Zahl von mumifizierten Leichnamen ist weltweit eine Seltenheit.

Von: Zsuzsanna Antala

Stand: 27.05.2018 | Archiv

Memento Mori | Bild: BR

Das tausendjährige Zentrum des Donauknies, nördlich von Budapest ist die Kleinstadt Vác, eine Stadt mit barocken Schätzen und mehreren Volksgruppen.

1994 stieß man bei Renovierungsarbeiten an der Dominikanerkirche auf die Krypta in der Unterkirche. Und dort auf die mumifizierten Körper einstiger Bürger von Vác:

"Zwischen 1730 und 1840 ließen sich wohlhabende Bürger der Stadt hier bestatten. 200 Jahre lang ruhten sie hier vollkommen unversehrt und mit ihnen Gegenstände aus ihrer Zeit, wie Kleidung und Geräte."

Tibor Csáki, Pfarrer

Auch die Sterbebücher sind erhalten geblieben und erlauben Rückschlüsse auf das damalige Leben. Die Ausstellung darüber mit dem Titel "Memento mori – Ars memorandi" im Ignác Tragor-Museum wird eine richtige Zeitreise.

"Während der Erschließung der Krypta haben wir in 262 Särgen und vier Gebeinskisten die Überreste von über 300 Menschen gefunden, auch verschiedene Bestattungsutensilien, Bänder, Textilien, Kleinobjekte und Teile von Kleidung. Sie alle sind wertvoll für Forschungszwecke, und zwar von Modehistorikern und Materialforschern."

Anita Csukovits, Ethnologin und Museologin

"György Stefanovits war ein vermögender Schneidermeister in Vác. Sein Name weist darauf hin, dass er wahrscheinlich aus einem slawischen Gebiet hierher kam. Er war Mitglied des Stadtrates, stand Spalier als Maria Theresia die Stadt besuchte, und wurde schließlich von seiner dritten Frau begraben."

Katalin Forró, Historikerin, Direktorin des Ignác Tragor-Museums in Vác

Katalin Forró

Die Namen zahlreicher Mumien in Vác weisen auf Zuwanderer deutscher, tschechischer, mährischer, serbischer und kroatischer Herkunft hin. Ihre stolzen Nachfahren pflegen heute liebevoll ihr Gedenken.

"Die Särge hier tragen verschiedene Aufschriften, selbstverständlich auch slowakische. Den Touristen zeigen wir immer sehr gerne, dass auch hier unsere slowakischen Vorfahren gelebt haben und am Ausbau der Stadt beteiligt waren."

Dr. Gyula Alt, Präsident der Selbstverwaltung der slowakischen nationalen Minderheit in Vác

Ildikó Szikossy

Die Sammlung der Funde, die für Wissenschaftler aus der ganzen Welt hochinteressantes Material bieten, ist im anthropologischen Archiv des Budapester Naturwissenschaftlichen Museums:

"In diesem Schrank sehen wir die Mumie von Antal Zlinszky. Die Familie Zlinszky ist sehr stolz darauf, dass Antal Zlinszky, der in der Krypta von Vác ruhte, auch nach seinem Tod etwas für die Wissenschaft tun kann. Die Untersuchungen an ihm werden nämlich gerade in die TBC-Forschung eingebunden. Zwei Ausstellungsserien sind auf Reisen. Die eine ist innerhalb von Europa unterwegs und ist derzeit in Deutschland, in der Stadt Hamm zu sehen. Nächste Station wird Mannheim sein. Die andere Serie ist bereits seit 2010 in den USA unterwegs. Dort können drei Mumien aus Vác besichtigt werden, und zwar die Familie Orlovits, die Eltern und ihr Kind. Diese Ausstellung verlässt nun die USA und ist auf dem Weg nach Prag. Danach, ab Juli 2018 wird sie hier in Budapest zu sehen sein."

Ildikó Szikossy, Budapester Naturwissenschaftliches Museum, Anthropologisches Archiv

Die Namensliste der Mumien liegt sowohl im Ignác Tragor Museum in Vác, als auch im Naturwissenschaftlichen Museum in Budapest zur Einsicht auf, die Forscher rechnen damit, dass sich noch weitere Nachfahren melden werden.


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