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Hintergrund Interview mit Regisseur und Drehbuchautor Niki Stein

Stand: 02.04.2015

Beim neuen Oberbefehlshaber West, Generalfeldmarschall von Kluge (Thomas Thieme, li.) findet Rommel (Ulrich Tukur, re.) zunächst kein Gehör für seine Einschätzung der Lage an der Westfront. | Bild: SWR/ teamworx/ Walter Wehner

Das Rommel-Projekt wurde an Sie herangetragen. War das ein Thema, das Sie gleich fasziniert hat?

Niki Stein: Nico Hofmann und mich verbindet, glaube ich, eine sehr ähnliche Historie: Wir haben beide Väter, die als sehr junge Männer den 2. Weltkrieg in voller Länge mitmachen mussten. Das Thema beschäftigte mich also von klein auf. Mein Vater hat den Krieg als sehr traumatisch erlebt und vor allem geschwiegen. Aber natürlich bohrt man nach, später vor allem mit der Frage nach dem Gehorsam. Dieser Kadavergehorsam, den habe ich als junger Mann nie begriffen. Nach "Rommel" verstehe ich die Mechanismen besser. Und bewundere noch mehr die Treskows, Stauffenbergs, Hofackers, Osters, Becks usw., die da eine klare Haltung gefunden haben.

Sie entschieden sich für eine Beschränkung der erzählten Zeit auf die letzten Lebensmonate Rommels. Warum?

Rommel (U. Tukur) versucht, Hitler (J. Silberschneider) davon zu überzeugen, dass Verhandlungen mit dem Feind angebrachter wären.

Niki Stein: Mit Rommel verhält es sich ein wenig anders, als bei dem engen Verschwörerkreis des 20. Juli: Er ist nicht dieser Übermensch in der Radikalität seines Handelns. Er ist lange ein Wegseher gewesen, wie so viele Deutsche, gefangen von einer Faszination Hitlers. Der Wandel, den er in seinen letzten sechs Monaten vollzieht, ist umso radikaler. Das macht diese Zeit so erzählenswert.

Es ist ein großes, klassisches Drama, das sich da vollzogen hat, vergleichbar mit "Wallenstein", nur noch dramatischer, zuspitzender. Mit faszinierendem Personal: Speidel, der Einflüsterer; Stülpnagel, der Prinzipientreue; Rundstedt, der Feingeist und Zauderer; Kluge, der eitle Machtmensch, der dann doch nicht nach dem "Mantel der Geschichte" greift. Da hat die Geschichte ganz großes Theater geschrieben.

Bleibt die Frage nach dem frühen Rommel: Frank Schirrmacher hatte neulich in der FAZ geschrieben: "Man hätte, was den früheren Rommel angeht, noch ein ganz anderes, wirklich vernichtendes Drehbuch schreiben können ..." Sicher, da ist der Feldherr, der einen völlig sinnlosen Krieg in Afrika führt, den Hitler so noch nicht einmal angeordnet hatte und der über 90.000 Soldaten das Leben kostete. Da ist der ehrgeizige General, der, jede Nachschublogistik missachtend, seine Leute nach vorne treibt. Da ist der Mann hinter dem "Badoglio-Befehl" (der ihn wahrscheinlich vor ein alliiertes Kriegsgericht gebracht hätte). Und da ist der bis heute zum Mythos verklärte Soldat, der dem einfachen "Landser" näher stand als dem Generalstab. Aber dieser Rommel wirkt ja auch in unsere Geschichte hinein. Und er hat, als einziger der obersten Generalität, seine Lehren aus seiner Vergangenheit gezogen, wenn auch zu spät. - Ein Mensch eben.

Sie haben für dieses Projekt intensiv recherchiert und mit Historikern zusammengearbeitet. Wie ist die Quellenlage für diese Lebensphase Rommels?

Bei der Inspektion der Truppen an der Küste der Normandie lässt Erwin Rommel sich zu Propagandazwecken filmen.

Niki Stein: Es gibt wohl wenig militärische Führungspersönlichkeiten, über die so viel geschrieben wurde, gerade auch über seine letzten Monate. Die großen Biografien habe ich natürlich alle gelesen. Interessant ist dabei immer der Standort und die Absicht, die der jeweilige Biograf einnimmt. Rommel spaltet. Und bleibt auch in der biografischen Aufarbeitung immer ein Spielball der Interessen. Eine wirklich bemerkenswerte Konstante seines Lebens und Nachlebens.

Ich habe deswegen vor allem in den Lücken und Widersprüchen nach der Wahrheit gesucht. Des Weiteren habe ich sehr viel Begleitliteratur gelesen, Berichte von einfachen Soldaten, ein wenig selbst bei noch Lebenden recherchiert (wie es z.B. im Stab einer Heeresgruppe rein technokratisch zugegangen ist. Über den Alltag der Stäbe gibt es nicht viel Literatur.).

In einem Fall habe ich sogar noch beim Dreh recherchiert: Die Existenz der Comtesse, auf die ich in Jüngers "Strahlungen" gestoßen war, wurde von einigen Experten angezweifelt, bis ich bei dem Enkel des Grafen La Rochefoucauld zum Essen eingeladen wurde: Die Familie bestätigte mir, dass es sie (aus erster Ehe des Großvaters) tatsächlich gegeben hat.

War es ein schwieriger Prozess, sich dann auch wieder zu lösen, den nötigen Abstand zu gewinnen? Wie würden Sie das Verhältnis von Nähe und Abstand zu Ihrer Hauptfigur beschreiben?

Im Innenhof von La Roche-Guyon, dem Hauptquartier der Heeresgruppe B

Niki Stein: Mit der Nähe und dem Abstand ist es immer das gleiche: Wenn man seine Hauptfigur nicht mag oder irgendwie von ihr fasziniert ist, bleibt ja nur die Denunziation. Und die ist ein schlechter Ratgeber. Der Zuschauer merkt das sofort. Dann muss man sich eine andere suchen. Bei "Rommel" habe ich tatsächlich eine Zeitlang darüber nachgedacht, die Geschichte aus der Perspektive Speidels zu erzählen. Er bekommt ja eine sehr schwierige Aufgabe: Sensibilisieren Sie den vermeintlichen Hitler-Verehrer Rommel für die Ziele des Widerstands. Beim Schreiben ist es dann aber immer mehr die Rommel-Perspektive geworden. Rommel hat natürlich den größeren Konflikt. Und er verhält sich am Ende konsequenter und mutiger, als alle anderen hohen Generäle, die der Widerstand angesprochen hat.

"Rommel" ist ein Film mit sehr vielen Männerrollen. Wie haben Sie Ihre Besetzung zusammengestellt?

Niki Stein: Schon als ich das erste Mal mit den zuständigen Redakteuren des SWR, Manfred Hattendorf und Michael Schmidl, zusammensaß, habe ich Ulrich Tukur vorgeschlagen und bin sofort auf große Zustimmung gestoßen. Ich wusste von seinen schwäbischen Wurzeln. Diese regionale Verankerung war mir wichtig. Außerdem wusste ich, dass er die nötige historische Sensibilität und Intelligenz hat, diese schwere Rolle zu bewältigen. Ganz davon abgesehen, dass er einer der Besten ist, die wir haben. Auch die anderen Rollen waren sofort in meinem Kopf: Thomas Thieme als Kluge - ich finde herausragend, wie er das macht -, Bergmann als aufrechter Hofacker, Zischler als sich wegduckender Intellektueller. Total umgehauen hat mich, wie Benjamin Sadler diesen schillernden Charakter Speidel bewältigt. Aber auch alle anderen Rollen, gerade die unauffälligen, wie Horst, Tempelhoff, Aldinger waren erste Wahl. Mit vielen Kollegen drehe ich schon seit Jahren. Natürlich spielte die historische Ähnlichkeit bei der Besetzung eine gewisse Rolle, war aber nicht ausschlaggebend, siehe Bergmann als Hofacker.

Begeistert bin ich übrigens von der Hitler-Darstellung durch Johannes Silberschneider. Gerade, dass der da keine Fratze draus gemacht hat mit zitternder Parkinson-Hand, sondern einen bei allem Irrsinn stets höflichen Mann, macht es so realistisch. Ich habe dieses einzigartige Tondokument gehört, das es von Hitler im Gespräch mit dem finnischen Außenminister gibt. Da erleben Sie diesen höflichen Herrn und erschaudern im Wissen, dass da ein Massenmörder spricht. Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass diese Interpretation massiven Widerspruch auslösen wird.

Sie und Ihr Team haben am historischen Ort in La Roche-Guyon gedreht. Wie sind Sie empfangen worden, und hat der Drehort das Arbeiten beeinflusst?

Rommel (Ulrich Tukur) stellt seinem neuen Stabschef Hans Speidel (Benjamin Sadler) die Comtesse de La Rochefoucauld (Vicky Krieps) vor.

Niki Stein: "La Roche-Guyon" war ein Glücksfall. Ich war vor Jahren einmal da. Da war es der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Jetzt gehört es dem Departement Île de France, dient als Ausstellungsraum, steht aber praktisch leer. Es war in einem Zustand, als ob Rommel mit seinem Stab gerade ausgezogen wäre. Seit einigen Jahren hängen auch wieder die berühmten Gobelins am historischen Ort, die vorher im Louvre waren.

Die Franzosen waren sofort sehr aufgeschlossen und interessiert, im übrigen auch die Familie La Rochefoucauld, die heute noch eine Etage im Schloss bewohnt. Zwei ihrer Söhne haben bei uns als Komparsen deutsche Offiziere aus Rommels Stab gegeben.

Unabhängig von der Einzigartigkeit dieses 1000 Jahre alten Gebäudes, hat das Bewusstsein, genau dort etwas nachzustellen, wo es stattgefunden hat, sicher etwas mit den Schauspielern gemacht. Ich erinnere mich, dass wir in der Nacht, in der wir das berühmte Abendessen mit Kluge, Hofacker und Stülpnagel drehten, das den beiden letzteren den Kopf kostete, alle etwas leiser waren als sonst.

Wie, meinen Sie, werden die Zuschauer mit dem Film umgehen?

Niki Stein: Zunächst hoffe ich, dass die Leute den Film einschalten. Dass sie sich interessieren.

Schon im Vorfeld entstand eine Kontroverse über den Film wegen des Zeitpunkts von Rommels Ablösung von Hitler und seiner Beteiligung am Widerstand. Mit welchen Reaktionen auf den Film rechnen Sie?

Die Invasion ist erfolgt und die deutschen Soldaten an der Küste der Normandie haben der feindlichen Luftüberlegenheit wenig entgegenzusetzen.

Niki Stein: Die Kontroverse hat mich in der Heftigkeit überrascht. Sie war gemacht und provoziert, in weiten Teilen unfair. Ich glaube, dass die Zuschauer sich nach dem Film wundern werden, warum es überhaupt dazu gekommen ist. Eigentlich hatte ich immer mit Anwürfen von einer ganz anderen Seite gerechnet. Nämlich, dass man uns mit der Frage konfrontiert: Darf man aus einem Mann, der viel zu lange Hitler treu gedient hat, den Helden eines großen TV-Events machen? Diese Frage habe ich mir vorher beantwortet: Ja, denn man darf die Interpretation dieser Figur nicht Leuten überlassen, die immer noch die deutsche Vergangenheit entschulden wollen. Wir müssen uns mit dieser Zeit und ihren Protagonisten immer wieder kritisch auseinandersetzen. Das Thema ist noch lange nicht durch.

Interview vom 18.10.2012


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