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Bayerische Sportarten Das Hakeln ist des Bayern Lust

Es ist die Nummer eins unter den bayerischen Sportarten: das Fingerhakeln. Fast ausschließlich Mann gegen Mann, aber immer: Finger gegen Finger. Wie das funktioniert? BR.de sagt es Ihnen.

Stand: 12.03.2015 | Archiv

Zwei Fingerhakler und ein Schiedsrichter beim Wettkampf | Bild: Süddeutsche Zeitung Photo/Joker

Beim Fingerhakeln sitzen sich die Gegner traditionell an einem massiv gebauten Tisch gegenüber. Dann fädeln die Männer die Finger in eine Schlaufe, bringen sich in Position und warten auf das Kommando: "Beide Hakler - fertig - zieht!" Nun legen sich die Gegner gleichzeitig ins Zeug, um den anderen im wahrsten Sinne des Wortes über den Tisch zu ziehen. Aber mit Gefühl - denn wer reißt, anstatt gleichmäßig zu ziehen, wird sofort disqualifiziert. Für den Sieg braucht es Reaktionsvermögen, Körperkraft, Technik und Schmerzresistenz. Selbst gestandene Profis halten kaum länger als eine Minute durch. Derjenige, der seinen Gegner über die Seitenlinien des Tischs zieht, hat gewonnen; der Unterlegene scheidet aber erst nach zwei Niederlagen aus. Antreten kann man übrigens mit allen Fingern seiner Wahl außer dem Daumen, am beliebtesten ist aber der Mittelfinger.

Pittoreske Anmutung, strenge Regeln

Nur Ignoranten und Touristen meinen, dass das Fingerhakeln eine Gaudi ist. In Wirklichkeit ist es eine ernste Angelegenheit. Das zeigt sich schon vor dem Start: Denn laut der strengen Statuten, die der "Landesverband bayerischer Fingerhakler" erlassen hat, darf sich beileibe nicht jeder an den Hakeltisch setzen: Ein guter Leumund und ein fester Charakter sind zwingende Voraussetzung. Schließlich ist es offiziell Sinn und Zweck des Hakelns, den bayerischen Heimatsport, die guten Sitten und Gebräuche zu pflegen. Und zu diesen "guten Sitten" gehört, dass der Ziehfinger nur mit Magnesiapulver gedopt werden darf: Mull, Pflaster oder Watte zum Abpuffern sind verboten. A Guader hält's aus!

Was ein Hakler braucht

  • als Sportgerät: den Hakelriemen, einen lederbezogenen Hanfring (zehn Zentimeter lang)
  • als Kampfanzug: am besten die volle Montur mit Lederhose und Gamsbart
  • als Turniermöbel: einen stabilen, am Boden festgeschraubten Hakeltisch mit einer Polsterung an der Unterkante
  • als Auffänger: einen reaktionsstarken Spezi, der den rückwärts stürzenden Körper des Haklers zur Not auffängt

Bayerisch + österreichisch = international

Wie bei Ringern oder Boxern gibt es Gewichtsklassen. Dazu verschiedene Altersklassen, genormtes Turnier-Equipment und ein festes Regelwerk. Jedes Jahr werden Bayerische, Deutsche und Internationale Alpenländische Meisterschaften ausgetragen. "International" bedeutet übrigens: Bei diesen Wettkämpfen dürfen auch Österreicher teilnehmen. Damit den Haklern der Nachwuchs nicht ausgeht, gibt es außerdem jedes Jahr eine spezielle Schülermeisterschaft: Da treten die Sechs- bis 16-Jährigen gegeneinander an.

Gesundheitsgefahren und Trainingstricks

Die Schwellung verrät's: Der linke Mittelfinger hat schon etliche Wettkämpfe hinter sich.

Man darf sich nichts vormachen: Verrenkte Ziehfinger und abgeschürfte Hornhäute sind beim Fingerhaklen gängiges Berufsrisiko. Um es zu minimieren, trainieren die meisten Hakler ihren Ziehfinger vor großen Turnieren in Heimarbeit. Am besten geht das mit Gewichten. Manch einer hakelt aber lieber mit der Wand, andere mit dem Tisch oder dem eigenen großen Zeh. Um Knochenbrüche und Gelenkabrisse zu vermeiden, wird meist mit einem Hakelriemen zwischen den Fingern gekämpft. Herbert Rosendorfer warnt in seinem "Königlich-bayerischen Sportbrevier": "Leistenbruch, Blähhals und Kropfbildung werden durch das Fingerhakeln gefördert". Der Brauchtumssport macht seine Fans also nicht gerade schöner. Vielleicht ist das der Grund, warum nur wenige Frauen ganz wild darauf sind, sich gegenseitig über den Tisch ziehen.

Abarten des Fingerhakelns

Selbst der bayerischste Kraftsportler mag nicht laufend Fingerhakeln. Zum Glück hat er zwei Alternativen: Boahakeln und Gnackziagn. Beim Boahakeln kommen statt der Finger einfach die gegnerischen Beine zum Einsatz. Die Sportler liegen also am Boden, verknoten auf Kommando ihre Kniekehlen ineinander und versuchen dann, das Bein ihres Kontrahenten zu Boden zu drücken. Wer seine Stärke eher im Halswirbelbereich sieht, kann auf das Gnackziagn ausweichen: Hier stecken die am Boden knieenden Gegner ihre Köpfe freiwillig durch einen Tuchstrang. Dann geht's mit purer Nackenkraft in den Rückwärtsgang: Wer den anderen zuerst über eine Trennlinie zieht, hat gewonnen. Klagen über eine verspannte Nackenmuskulatur verbieten sich natürlich - eine Frage der Ehre!

Fingerhakel-Regeln

Neugierig geworden? Die Schlierachgauer Fingerhakler aus dem Kreis Miesbach haben Regeln, Alters- und Gewichtsklassen auf ihre Homepage gestellt.


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