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Bayern - Land und Leute Ödön von Horváths Roman "Jugend ohne Gott"

Ödön von Horváth | Bild: Urheber Anonym

Sonntag, 27.12.2015
15:05 bis 16:00 Uhr

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"Sie haben keine Seele."
Ödön von Horváths Antikriegsroman "Jugend ohne Gott"
Von Elisabeth Tworek
Als Podcast verfügbar
Wiederholung von 13.30 Uhr, Bayern 2

"Sie haben keine Seele," wirft Heinrich Mann den jungen um 1900 geborenen Literaten vor. Dazu gehören Schriftsteller wie Ödön von Horváth, Bertolt Brecht, Marieluise Fleißer und Erich Kästner. Für die Schützengräben des Ersten Weltkrieges waren sie zu jung; die Brutalität und Verrohung des Krieges traf die Heranwachsenden dennoch mit voller Wucht.

In seinem Roman "Jugend ohne Gott" nimmt sich Ödön von Horváth der Seelenlage einer ganzen Generation an. Er ist selbst Mitte dreißig, als er ihn zu schreiben beginnt, und richtet sein Augenmerk auf die kurz nach dem Ersten Weltkrieg Geborenen. Ihre Kindheit erlebten sie in der Demokratie, ihre Pubertät bereits in der Diktatur. Es geht um die "seelenlose Verfassung der Jugend, die, abseits von Wahrheit und Gerechtigkeit, in einer unheimlichen Kälte heranwächst", so der Klappentext der Erstausgabe des Romans. "Jugend ohne Gott" spielt 1936 in Nazi-Deutschland. Schüler werden zu Menschenverachtung, Gehorsam und Rassenhass erzogen. Bei Geländeübungen und Lagerfeuerromantik erlernen sie das Kriegshandwerk. Obrigkeitshörige, selbstsüchtige und opportunistische Erwachsene geben sich am Rande des Abgrunds der Genusssucht hin. Würde, individuelle Freiheit und geistige Unabhängigkeit gelten nichts mehr. Es ist "die Tragödie einer Jugend, die, ohne Liebe zu Gott und Achtung vor den Menschen, in Verachtung all dessen aufwächst, was früheren Generationen heilig war".

"Jugend ohne Gott" erschien 1937 im Exil-Verlag Allert de Lange in Amsterdam und begründete den internationalen Ruf Ödön von Horváths. Der Roman wurde in mehrere Sprachen übersetzt und entwickelte sich zu einem der wichtigsten Bücher im Kanon der Antikriegsromane. 1938 setzten ihn die Nationalsozialisten wegen seiner "pazifistischen Tendenzen" auf die "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums".
Ist das Buch mehr als sieben Jarzehnte nach seiner Erstveröffentlichung noch immer aktuell? Woher bezog Horváth den Stoff für seine Geschichte? Welche autobiographischen Spuren lassen sich in seinem Roman verfolgen? Was wurde aus dieser verlorenen Generation im Zweiten Weltkrieg? Woher rührt ihre Seelenlosigkeit? Diesen Fragen geht Elisabeth Tworek nach.