BR Heimat

Bayern - Land und Leute Macht, Moral und Medien

Montag, 24.05.2021
15:05 bis 16:00 Uhr

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Macht, Moral und Medien: Kapfinger versus Friedmann
Ein Verlegerkrieg der frühen 60er Jahre
Von Thomas Grasberger

Wiederholung von 13.05 Uhr, Bayern 2
Als Podcast verfügbar

Im Mai 1960 erschienen drei Polizeibeamte in der Münchner Sendlingerstraße und verhafteten Werner Friedmann, den Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung. Er wurde genau wie sein Schützling, der Schriftsteller Sigi Sommer - berühmt als "Blasius, der Spaziergänger" - unter dem Verdacht der fortgesetzten Anstiftung zur Kuppelei festgenommen. Friedmann, so der Vorwurf, der später zur Verurteilung führte, hatte sich regelmäßig in Sommers Wohnung mit einer minderjährigen Verlagsangestellten zum Schäferstündchen getroffen.

Die sonst so wortgewandten Münchner Journalisten von SZ und AZ waren zunächst sprachlos. Ganz im Gegensatz zu den Kollegen der Passauer Neuen Presse. Deren Verleger Hans Kapfinger, ein zutiefst konservativer, katholischer und kämpferischer Publizist, griff in diesem Münchner „Sittenskandal“ selbst zur Feder und empfahl wortreich, den „Sumpf trocken zu legen“. Umso peinlicher war es dann, als er selbst wenige Monate später ein Schreiben der Passauer Staatsanwaltschaft erhielt: eine Anklage wegen Kuppelei ...

Freilich ging es damals nicht allein um Fragen der Moral, sondern um knallharte Politik. Denn während Friedmann sich stets als kämpferischer Linksliberaler in politischen Fragen exponiert hatte und dabei nicht selten die Moralkeule schwang, stand Kapfinger der CSU nahe und war ein Duz-Freund von Franz Josef Strauß.

Thomas Grasberger rekonstruierte ein Stück Sitten-, Medien- und Justizgeschichte, die, gewürzt mit viel Scheinheiligkeit, als bayerische Provinzposse daherkommt.

BR 2008