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Ein Fest fürs Hirn Warum das Pfingstfest schwer begreiflich ist

Pfingsten ist ein kirchliches Fest, das viel schwerer begreifbar ist als zum Beispiel Weihnachten oder Ostern. Was feiern wir an Pfingsten genau? Auf der Suche nach Antworten im Innenhof des Klosters Scheyern.

Von: Sarah Khosh-Amoz

Stand: 01.06.2022 | Archiv

Es ist nicht leicht, das Pfingstfest in Worte zu fassen. Selbst die biblischen Berichte tun sich schwer: Sie schreiben vom Brausen, von Feuerzungen, vom Geist, der sich niedersenkt. Letztlich alles Bilder für eine unfassbare, unsichtbare, unbegreifliche Macht Gottes, für Gottes Wirken in der Welt, erklärt Benediktinermönch Pater Lukas mitten in der altehrwürdigen Basilika im Kloster Scheyern.

"Das Einzige was mir immer hilft, das ist ein Jesuswort aus seinen Abschiedsreden: Der Beistand, den der Vater uns schickt. Und genau das ist dieses Unfassbare, dieses Unbegreifliche, der Beistand Gottes. Gott wirkt auf geheimnisvolle Weise, in Begegnungen, in Zufällen, in Augenblicken, auf unterschiedlichste und kreativste Weise und deshalb ist das so unbegreiflich und so unfassbar. Eigentlich feiern wir, dass Gott unter uns da ist, dass Gott unter uns wirkt. Das ist der Heilige Geist, der den Menschen Mut und Freude und Kraft gibt."

Pater Lukas

Und doch ist Pfingsten schwerer zu begreifen als Weihnachten oder Ostern. Woran liegt das? Daran, dass es keinen Pfingsthasen gibt? Weil wir kein Pfingstkindl haben? Oder daran, dass es keine Geschenke gibt?

"Das mag schon sein. Ich bin eigentlich froh, weil ich denke, dass dieses Brauchtum versucht, Glauben anschaulich zu machen, quasi hereinzuholen in den Alltag. Und es hat plötzlich mit einem Glauben eines erwachsenen Menschen ganz wenig zu tun. Und ich glaube auch die Unbegreiflichkeit Gottes und das Wirken Gottes auf eben geheimnisvolle Weise auszuhalten, das ist schon eine Herausforderung, die der Glaube uns als Christen zumutet und stellt."

Pater Lukas

Pfingstbräuche: Heilig-Geist-Löcher, Tauben, Pfingstochsen

Außenansicht des Klosters Scheyern

Trotzdem gibt es Bräuche, um den Menschen das Pfingstfest zu veranschaulichen. Zum Beispiel der Heilige Geist, der an Pfingsten durchs Heilig-Geist-Loch oben von der Mitte der Kirchendecke auf die Menschen herabschweben sollte. Hier in der Basilika in Scheyern hat das Loch fast einen Meter Durchmesser. In dem verschlungenen Gitter stehen in Gold gefasst die Initialen von Jesus von Nazareth, dem Retter.

Früher hat man eine hölzerne Heilig-Geist Taube an einem Seil niedersenken lassen, will heißen: Gottes Wirken kommt auf uns herab. Anschließend regnete es Pfingstrosenblätter. Im Kloster Scheyern wird dieser Brauch nicht mehr praktiziert. Pater Lukas betont einmal mehr, dass man das Unbegreifbare auch aushalten muss und man nicht alles verdinglichen sollte.

"Was mich an Pfingsten auch freut ist die Frage, wer bei uns in der Gemeinschaft der Pfingstochse sein wird? Pfingstochse ist ja der, der als letzter aus dem Bett, aus den Federn kommt."

Pater Lukas

Pfingstlümmel und Pfingstritte

Der Pfingstritt in Kötzting

An Pfingsten muss man viel aushalten, gibt es ja nicht nur den Pfingstochsen, in der Oberpfalz ist es der "Pfingstlümmel", der als letzter aus den Federn kommt. Die männliche Dorfjugend treibt am Pfingstsonntag einen komplett mit Laub eingebundenen Pfingstlümmel durchs Dorf. In der Gemeinde Schmidgaden wird als Pfingstlümmel ein Bub in einen Sack gesteckt und auf einem Wagen spazieren gefahren. Einige Mädchen tragen einen Korb für die Eier und einen Topf für das Schmalz, das die Pfingstlümmelfahrer von der Bevölkerung erbitten.

Auch der Pfingstritt ist in einigen Gegenden heute noch üblich: wie beispielsweise in Bad Kötzting im Bayerischen Wald: Alle Jahre am Pfingstmontag ziehen rund 800 Reiter betend auf geschmückten Pferden und in alten Trachten hinaus durchs Zellertal nach Steinbühl.

"Es ist in unseren Pfarreien, zumindest in unserer Klosterpfarrei, üblich, am Pfingstmontag Flurprozessionen abzuhalten. Es gibt diese Bräuche in sehr vielen Regionen, in sehr vielen Pfarreien, grad im ländlichen Raum. Und es kann ja nicht schaden, wenn wir einen Mutmacher haben."

Pater Lukas

Pfingsten: Kein Fest fürs Herz, sondern ein Fest fürs Hirn

Das Unbegreifliche, den Geist Gottes auf uns wirken zu lassen ist keine einfache Aufgabe. Die Theologie hat sich fast 2.000 Jahre damit beschäftigt, wie man das Unfassbare fassen kann, nicht nur an Pfingsten. Der heilige Augustinus hat einmal gesagt: Eher schöpft ein kleines Kind das Meer in ein Sandloch mit einer Muschel, als dass man dieses Geheimnis ergründen könnte. Pfingsten ist einfach nichts fürs Herz, sondern was fürs Hirn.

"Ich denk Herz und herzlich darf alles sein, aber es stimmt schon, rein durch diese Unbegreiflichkeit von Pfingsten fordert das natürlich mehr heraus. Ich glaub, das liegt an uns Menschen, ob wir Pfingsten zum Underdog werden lassen oder ob wir wirklich sagen: Ja, wir müssen nicht alles selber machen, sondern es gibt diesen Heilligen Geist, dieses Wirken Gottes, der uns immer wieder Mut macht und ich denke das wär doch grade das, was unsere Zeit so dringend braucht, wenn man in die große Welt, und manchmal auch in die kleine hineinschaut."

Pater Lukas


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