Bayern 2


1

Glück bescheren, bevor es zu spät ist Unterwegs im Wünschewagen

Ich bin wunschlos glücklich – das sagt sich so einfach. Aber was sind die wahren Wünsche im Leben? Das müssen sich schwerkranke Menschen fragen, die dem Tod entgegensehen. Solche Wünsche werden im Wünschewagen des ASB erfüllt.

Von: Tanja Gronde

Stand: 21.12.2018 | Archiv

"Mein Mann ist in dem Wünschewagen aufgeblüht, er hat gestrahlt die ganze Fahrt über die ganze Fahrt über bis nach Leipzig und durch diese Panorama Fenster ist er, wir kommen von Leipzig, ist er seiner Heimat mit dem Panorama blick und dem Sternenhimmel mit der hervorragenden Betreuung mit hingefahren."

Christina Neuhäuser

Christina Neuhäusers Mann Rainer hat Parkinson. Seit zehn Jahren beeinträchtigt die Nervenkrankheit das Leben des Paares. Mit 55 Jahren erfährt der aktive Wanderer und Radfahrer von seiner Erkrankung. Bald nach der Diagnose kann er nicht mehr selbständig gehen, seit fünf Jahren sitzt Rainer Neuhäuser im Rollstuhl. Jede Bewegung kostet Kraft und Konzentration. Während unseres Gesprächs liegt er in seinem Pflegesessel. Manchmal lacht er, da ist klar, dass er zuhört.

"Mein Mann hatte diesen Wunsch, dass ich nicht allein Fahren muss mit dem Zug, sondern dass er zu diesem Geburtstag wo die ganze Familie zusammenkommt, wo auch seine Schwester nach mehreren Jahren mal wieder sieht und … er ist mit dabei!"

Christina Neuhäuser

Christina und Rainer Neuhäuser

Der Wünschewagen war wie ein rettender Engel für die Neuhäusers. Die Fahrt war für beide ein unvergessliches Erlebnis. Es ging nach Leipzig, zum 90. Geburtstag von Christina Neuhäusers Vater. Alleine wäre sie auch nicht gefahren, erzählt die 63-Jährige. Den Mann zurücklassen? Niemals. Der Wünschewagen München macht die gemeinsame Reise möglich: Jennifer Zeller vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) telefoniert, mailt, sucht ehrenamtliche Begleiter.

Zusammen mit dem Pflegedienst vor Ort wird Rainer Neuhäuser betreut, ein  Rollstuhl-gerechtes Hotel wird gefunden, denn die Strecke ist viel zu weit für hin und zurück an einem einzigen Tag. Zusammen verreisen trotz der schweren Parkinson-Krankheit - fast ein Wunder.

Auch Rainer Neuhäuser sind die Tage noch im Gedächtnis. Das Sprechen fällt ihm schwer. Es dauert bis die Antwort kommt, doch dann sagt er, dass die Fahrt richtig toll war. "Ich konnte lange zehren von den Erlebnissen dort. Das schönste war, dass ich die Familie noch gesehen hab. Ich weiß ja nicht, wie oft ich noch hinkomm."

"Bei meinem Mann ist es so, dass das Parkinson leider auch die Mimik verändert. Und oft hab ich gesagt: Du lachst gar nicht mehr. Aber bei dieser Fahrt mit dem Wünschewagen hat er vom ersten Moment an gestrahlt. Er hat drei Tage nur gestrahlt."

Auf der Heimfahrt war ihr Mann total verändert, erzählt Frau Neuhäuser. "450 Kilometer sind ja nicht in einer Stunde erledigt: Er war hellwach, er hat mir gezeigt, schau mal hier, schau mal da." Er hat wieder am Leben teilgenommen. Es war ein Aufblühen, sagt sie. "Und das ist für meine Seele so schön gewesen."

Im Inneren eines Wünschewagens

Blaulicht, Trage, Defibrillator – Der Wünschewagen ist auch für den Notfall ausgestattet. Und doch ist der blau-orange-gestreifte Wagen anders als alle anderen Rettungswagen. "Panoramafenster rundherum, den Sternenhimmel, den man anschalten kann, die deutlich bequemere Auflage … ". Claudia Karner-Hillebrand vom ASB strahlt, als sie ihn vorführt.

Wünsche wagen und erfüllen, das ist für sie und ihre Kollegin Jeniffer Zeller mehr als Ehrensache, es ist eine Herzensangelegenheit. "Diese Menschen sind vergessen, die liegen nur noch zuhause im Hospiz im Krankenhaus und haben keine Lobby", sagt  Karner-Hillebrand. Die Betroffenen haben keine Möglichkeit, herauszukommen aus dem Alltag.

Der Wünschewagen bietet einen Tag, an dem die Krankheit nicht im Vordergrund steht, ist sich Jeniffer Zeller sicher. "Das ist nicht im Bett im Krankenhaus, im Hospiz, es ist einfach Leben!" In vielen Fällen bräuchten die Fahrgäste auch weniger Schmerzmittel. "Weil er einfach dieses Glücksgefühl hat. Das ist für Angehörige schön, mitzubekommen."

Viele Reisen gehen in die Heimat der Patienten, oder auch auf mal auf den Golfplatz oder die Zugspitze. Ganz oft geht es an Wasser. "Es gibt Anfragen zu allen Fußballspielen, also nicht nur zum FC Bayern, sondern auch zum 1. FC Nürnberg, es ist alles drin", erzählt Jeniffer Zeller.

Wünschewagen Franken

Seit Mitte Dezember 2018 gibt es auch einen ASB-Wünschwagen Franken. Er ist als Gemeinschaftsprojekt der ASB-Verbände in den drei fränkischen Regierungsbezirken unterwegs. Bereits im Einsatz sind spendenfinanzierte Wünschewagen in Oberbayern und Schwaben.
Seit 2014 gibt es das Projekt. Inzwischen sind die Wagen in ganz Deutschland stationiert und haben nach Angaben des ASB schon mehr als 1.000 Wünsche erfüllt.
Mehr Infos und das Spendenkonto gibt es auf der Internetseite des Projektes.
Ein ähnliches Projekt ist das Hospizmobil des BRK-Kreisverbands Straubing-Bogen.

Kein Aufwand ist für das Team zu groß, keine Reise innerhalb Deutschlands zu lang. Dabei lebt das Projekt zu 100 Prozent von Spenden, alle Begleiter arbeiten ehrenamtlich. Rund 1.500 Euro kostet eine Reise durchschnittlich. Miteingerechnet sind dabei auch Supervision für die Mitarbeiter, spezielle Dienstkleidung. Auch Kinder sind unterwegs mit dem Wünschewagen. Das sind die bewegendsten Fahrten.

"Da haben wir einen kleinen Jungen aus dem Krankenhaus abgeholt", erinnert sich Claudia Karner-Hillebrand. "Er ist zum Sterben nach Hause gegangen." Fünf Jahre alt, austherapiert. Normalerweise würden das mit dem Rettungswagen passieren, aber dann muss alles schnell gehen. Deshalb kam die Anfrage für den Wünschewagen.

"Wir haben dann im Krankenhaus gewartet, bis er sich von allen Pflegern, von allen Ärzten verabschieden konnte und dann sind wir mit dem kleinen Mann nach Hause gefahren. Das war für mich eine der emotionalsten Fahrten. Definitiv."

Claudia Karner-Hillebrand

Deswegen müssen die Ehrenamtlichen gut auf sich schauen. Auch ehrlich überlegen, ob sie eine Reise mit schwerstkranken Kindern wagen. Der Tod fährt immer mit im Wünschewagen. Aber auch das Leben. Denn jede Fahrt bringt auch ein winziges Stück von früher zurück, vom Leben in Gesundheit.


1