Ende der Welt - Die tägliche Glosse "Einfach mal liegen lassen"
Bei schlechtem Wetter fallen Schuldsprüche eher zu Ungunsten der Angeklagten aus, es wäre also besser, würden die Verfahren erstmal liegenbleiben. Wie auch bei vielen anderen Dingen. Heute sollte eigentlich der Dampfer Säntis gehoben werden, aber warum lassen wir ihn nicht einfach am Seegrund liegen? Eine Glosse von Georg Bayerle.
Das Wetter, das uns ja gerade mal wieder besonders eindrücklich zeigt, wer hier den Hut aufhat, wirkt bis in die Gerichtssäale: so hat eine Studie ergeben, dass Schuldsprüche bei schlechtem Wetter eher zu Ungunsten der Angeklagten ausfallen. Nun gibt es freilich Studien zu praktisch allem und mit jedem beliebigen Ergebnis, trotzdem wäre es sicher vorteilhaft im Sinne der Beschuldigten, wenn das Verfahren in den nächsten Tagen einfach liegenbleiben würde, bis das Wetter wieder besser wird.
Müde Ärzte verschreiben häufiger Antibiotika und Schmerzmittel, was sich besonders ab dem Nachmittag auswirkt. Auch hier würde die Patientenakte besser liegenbleiben, bevor es zur pharmakologischen Überdosis kommt. „Chi va piano va sano“, wer bedächtig geht, geht gesund, wie es in Italien in Abwandlung einer bereits von den Römern gekannten Weisheit heißt.
Pandabären sind die animalische Verkörperung dieser Weisheit und so könnte sich die pandabärenartige Diplomatie von Olaf Scholz in China ja doch noch auszahlen.
Gut 90 Jahre wurde der Stahlkoloss auf dem Grund des Bodensees liegen gelassen
Wie immer gibt es Ausnahmen von der Regel: 150 liegengelassene Papiertaschentücher auf dem Wanderweg zum Lusen im Bayerischen Wald sind eine Sauerei. Kaugummis am Boden erst recht: allein in den Niederlanden werden 1,5 Millionen Kilo jedes Jahr ausgespuckt und liegengelassen. Welche Studie das jetzt wieder herausgefunden hat? – Lassen wir das an dieser Stelle einfach mal liegen.
Was uns überhaupt zum Thema bringt, ist der Schaufelraddampfer „Säntis“. Gut 90 Jahre wurde der Stahlkoloss auf dem Grund des Bodensees liegen gelassen. Seinerzeit der günstigen Entsorgung wegen versenkt. Heute nun sollte das Schiff, das vermutlich längst zum Lebensraum zahlreicher Fische geworden ist, geborgen werden. Sieben Zuschauerschiffe der Aktion waren bereits mit 1000 Gästen ausgebucht. Dummerweise ist in der Vorbereitung eine Bergeleine gerissen, alles wurde aus technischen Gründen abgesagt und soll möglichst noch im Sommer nachgeholt werden.
Warum aber lassen wir den rostigen Kahn nicht auf dem Seegrund liegen, wo er würdig weiterrostet. Überall kruschteln wir herum.
Kürzlich wurde in einer Villa in Pompei ein Bankettsaal neu ausgegraben, dabei übersteigen schon die bisher zugänglichen Objekte das Fassungsvermögen. So ruhelos waren die Römer nicht: sie lagen lässig auf ihrer Ruheliege, der Kline, und ließen sich und den Rest der Welt einfach mal liegen.