Bayern 2

     

Hörspiel Raoul Schrott: Erste Erde Epos

Samstag, 07.03.2015
15:05 bis 16:30 Uhr

BAYERN 2

Erste Erde Epos - Autopoiesis
Von Raoul Schrott
Mit Tobias Lelle, Bibiana Beglau, Jens Harzer, Dagmar Manzel und Raoul Schrott
Regie: Michael Farin
BR 2015
Ursendung
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Als Podcast verfügbar im Hörspiel Pool

Erste Erde Forum
Definitionen von Leben und erste Lebensformen
Raoul Schrott im Gespräch mit Joachim Reitner, Institut für Geobiologie, Göttingen
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Erste Erde Epos ist der Versuch eines modernen Epos in einer Zeit, in der aufgrund immenser Wissensbestände, unzähliger Forschungsdisziplinen und des Verlusts klarer religiöser Ankerpunkte die Gattung "Epos" unmöglich scheint. Während sich der Mensch in zentralen europäischen Weltschöpfungsmythen noch im Gegenüber zu seinen Göttern situierte und darin alles festgehalten wurde, was über die Welt gesagt werden konnte, geht es Raoul Schrott darum, die Frage nach der humanen Tragweite unseres aktuellen Wissens von der Welt und ihrer Entstehung zu stellen. Dabei können Poesie und Bilderreichtum der Dichtung das anschaulich und emotional erfahrbar machen, wovon die Wissenschaft in abstrakter Terminologie redet.
Der Musenbrunnen der Hippokrene auf dem griechischen Berg Helikon gilt seit jeher als inspirativer Quell der Poesie. Ob beim allerersten europäischen Dichter Hesiod, bei den Römern Vergil und Ovid oder in der Renaissance: wer dichten wollte, musste vom Wasser dieses Brunnens trinken. Dichtungstradition umfasst jedoch nicht nur im herkömmlichen Sinne Lyrisches - auch Lukrez, dessen naturwissenschaftliches Lehrgedicht De rerum natura dem Erste Erde Epos Pate steht, berief sich auf den Gang zu dieser Quelle. Ihm folgend, stellt Autopoiesis eine autopoetische Selbstvergewisserung dar. Das Wasser des Musenquells wird dabei aus seinem alten symbolischen Kontext gehoben und zu jener Substanz, in der die allerersten Lebensformen hervorgingen. Die ursprünglich aus dem Nahen Osten stammenden Musen werden dabei zu Figurationen dessen, wie Leben aus Stein, Erde und Wasser entstehen konnte. Und die unterschiedlich möglichen, nie ganz aufgehenden Definitionen von Leben lassen sich so mit dem abgleichen, was die Form eines Gedichts auch ist - eine Zelle von Worten, die das Außen in ein Innen verwandelt und ihren eigenen Stoffwechsel entwickelt; Dichtung, die Welt verarbeitet und uns dabei in ihr lebendig hält. Der biologische Begriff des Lebens als Autopoiesis entspricht darin dem der Autopoetik: bei der naturwissenschaftliches Denken und poetisches Sprechen sich in eins bringen lassen.

Raoul Schrott, geb. 1964, Autor und Übersetzer. BR-Hörspiele u.a. Hotels - Ein akustisches Tryptichon (gemeinsam mit Klaus Buhlert, 1995, Hörspiel des Jahres), Erfindung der Poesie (mit HR/ORF 1997), Gilgamesh (2001), Tristan da Cunha (2003).

Erste Erde Forum
Definitionen von Leben und erste Lebensformen
Raoul Schrott im Gespräch mit Joachim Reitner, Institut für Geobiologie, Göttingen