Bayern 2

     

Bayern - Land und Leute Nürnberger Brillen und andere Sehhilfen

Frau mit "Brille am Stiel" | Bild: picture-alliance/dpa

Freitag, 01.01.2016
13:30 bis 14:00 Uhr

BAYERN 2

Blindschleichen und Monokelmänner
Nürnberger Brillen und andere Sehhilfen
Von Ulrike Rückert
Als Podcast verfügbar

Markenpiraterie, Dumpinglöhne und Industriespionage - nicht von asiatischen Billigwarenländern ist die Rede, sondern von Brillenmachern aus Nürnberg, Regensburg, Augsburg und Fürth. Jahrhundertelang versorgten sie die deutschen Lande mit Augengläsern, lieferten ihre Kneifer bis in die Türkei und kämpften mit harten Bandagen um Marktanteile.

Das Gewerbe florierte, vom Utensil auf Gelehrtennasen wurde die Brille zum Gegenstand des alltäglichen Gebrauchs. Reiche Kunden allerdings fanden die Klemmer aus Nürnberg zu schlicht. Man trug elegante Kostbarkeiten um den Hals oder graziös in der Hand - sie vor den Augen zu benutzen, galt als unfein. Goethe pflegte ein ambivalentes Verhältnis zu seiner Lorgnette: "Ich sehe mehr, als ich sehen sollte." Die Aura von Intellektualität behielt die Brille - für Frauen war beides ein Schönheitsfehler. Das Monokel wurde zum Inbegriff des preußischen Offiziers, schon weil es stramme Haltung erforderte, das Einglas am Platz zu halten.

Der Kneifer überlebte Perücken- und Scherenbrille, Stielglas, Faden-, Falt- und Klappbrille. Von der Renaissance bis zum Industriezeitalter verkauften die Nürnberger Brillenmacher und ihre benachbarten Rivalen ihr Erfolgsmodell in alle Welt.
Ein Hörstück mit Durchblick von Ulrike Rückert.