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Gut gewartet und schlechtes Timing Orgel-Notreparatur an Weihnachten

Kennen Sie das? Kurz vor Weihnachten geht irgendwas kaputt. Na toll! Wen soll man jetzt noch einen Handwerker herbekommen? Ärgerlich – aber wenn in der Kirche die Orgel streikt? Um Himmels Willen! Die letzte Hoffnung: Orgelretter.

Von: Petra Nacke

Stand: 22.12.2022 | Archiv

Genau wie Menschen plagt auch Kirchenorgeln ab und an ein Zipperlein, und das schlägt sich freilich meist hörbar nieder. Statt eines kurzen Pfeifens kommt dann zum Beispiel ein Dauer-Heulton heraus. Schön sei das dann nicht, sagt Ingeborg Schilffahrt, die Kirchenmusikerin in St. Michael, der Stadtkirche von Fürth. Eine Katastrophe ist das aber meistens nicht.

"Es kann eben einfach mal passieren, dass wenn man eine Taste drückt und sie wieder loslässt, sich das Ventil nicht wieder schließt." In diesem Fall klingt der Ton immer weiter, obwohl er längst nicht mehr gespielt wird.

Inge Schilffahrt in der Fürther Stadtkirche

Schilffahrts Hauptaufgabe ist das Dirigieren und die Leitung von Chor und Orchester. "Ich habe aber natürlich trotz alledem die Aufgabe, alle Gottesdienste hier auf der Orgel zu spielen. Das gehört einfach zum Dienst einer Kirchenmusikerin dazu." Und wenn die Orgel Probleme macht, kann das manchmal auch Stress bedeuten.

"Bei einem starken Gewitter ist mal der Blitz eingeschlagen und der Motor ging nicht mehr an. Da war es dann damit getan, die Sicherung wieder reinzutun." Doch manchmal sind die Lösungen nicht so einfach bei den riesigen Instrumenten. Wenn ein Ventil hängt eine Stunde vorm Orgelkonzert. "Wenn die Zeitspanne zwischen der Situation, wo man die Orgel braucht und dem Moment, wo man das feststellt, einfach so eng ist, dass man eigentlich nichts mehr machen kann."

Die große Orgel in St. Michael sei sehr zuverlässig, gut gepflegt und mit ihren 43 Jahren eigentlich noch ein Orgelküken, erzählt Schilffahrt. Trotzdem zwackt es auch sie, und natürlich an den unmöglichsten Momenten. Zum Beispiel, als sie im vergangenen Jahr kurz vor Heilig Abend plötzlich einen Heulton von sich gab. Dann, sagt Inge Schilffahrt, hilft eigentlich nur eines: der Orgelretter.

"Man muss erst mal ruhig bleiben, und man weiß ja dann auch, dass es Menschen gibt, die man anrufen kann und die einem helfen. Das ist in unserem Fall der Herr Friedrich, der diese Orgel betreut, der immer versucht, das Beste möglich zu machen. Und der auch dann noch, wenn er eigentlich längst Feierabend hat, noch zur Verfügung steht, wenn es brennt und wirklich Hilfe zu leisten."

Inge Schilffahrt, Kirchenmusikerin

Dominik Friedrich in seiner Werkstatt

Wir gehen auf Besuch in die Werkstatt des Mannes, der Orgeln rettet. Dominik Friedrich, Jahrgang 1976. "Ich hab schon im Kindesalter – mein Vater hat die Werkstatt damals übernommen – in der Werkstatt und auf Montage mitgeholfen, und bin so eben in den Beruf reingewachsen", erzählt er. "Vor 18 Jahren hab ich meine Ausbildung als Orgel- und Harmoniumbauer angefangen, dann später noch den Meister gemacht und bin seitdem in dem Beruf tätig."

Friedrich wirkt unglaublich jung und gleichzeitig wie ein alter Hase seines Metiers. Er strahlt eine Ruhe aus, die Kirchenmusikern in brenzligen Situationen mit so einem Nothelfer in der Hinterhand Sicherheit vermitteln. Er selbst sieht seine Aufgabe gelassen: "Für mich ist das ja nichts Besonderes in dem Sinne. Da ist was kaputt und oft passiert es dann eben, dass es kurz vor einem Konzert passiert. Oder das kurz bevor der Konzertorganist kommt doch noch was auffällt. Und dann kommt man da halt relativ spontan – ja, das schiebt man halt zwischen rein."

Die Windlade einer Orgel

Seine Werkstatt ist in Oberasbach, ein paar Kilometer südlich von Fürth. Im ersten Stock stehen Schaumodelle, die zeigen, wie eine Orgelmechanik von innen aussieht. Viele, viele stehend eingebaute Ventile, unter jeder Pfeife liegt eines in der sogenannten Windlade, erklärt Friedrich. Und wenn ein Ventil nicht mehr richtig schließt, gibt es einen Dauer-Heulton.

Orgel-Stress: Katholisch und in der Stadt

Auch Orgeln brauchen Ersatzteile

Verantwortlich für undichte Ventile ist oft der Feinstaub in der Luft, der sich wie ein Film auf die Dichtungen legt. Deshalb erkennt der Orgelbauer auch auf den ersten Blick in ihr Inneres, ob eine Orgel auf dem Land oder in der Stadt steht. "Da schaut eine gereinigte Orgel nach zehn Jahren aus wie eine Orgel weit draußen auf dem Land nach 30."

Und nicht nur das: Sogar ihren konfessionellen Hintergrund kann der Fachmann erkennen. "In katholischen Kirchen sind natürlich mehr Kerzen an, dann hat man zu dem Feinstaub so eine schmierige, ölige Schmutzschicht. Die gibt es in einer evangelischen Kirche weniger."

Aber auch der ausgeglichenste Orgelbauer ist nicht vor bösen Überraschungen gefeit. Das zeigt sich, als Friedrich seine selbstgebaute Truhenorgel demonstrieren möchte, die er immer mal wieder vermietet. "Oh weh – da weiß ich jetzt gar nicht, ob das mir passiert ist oder beim Verleih. Da ist jetzt sogar ein Stecher abgebrochen. Ja, das ist jetzt der Vorführeffekt."

Ein Stecher? Das Problem ist selbst für einen Laien offensichtlich: da, wo eine Verbindung zwischen Taste und Ventil sein sollte, fehlt etwas. "Das ist eine Stechermechanik, die drückt nach unten und das Ventil auf, und jetzt ist der Stecher zerbrochen und die Taste liegt unten und ist nicht spielbar."

"Aber ich verleihe sie am Montag, also es war jetzt gut, dass ich es gemerkt hab. Da wär ich jetzt blöd dagestanden." Und wieder eine Katastrophe abgewendet.


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