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Gesundheitskompetenz in Deutschland Damit Patienten endlich ihren Arzt verstehen

Wenn es um die eigene Gesundheit geht, wird es kompliziert. Deswegen haben Experten den Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz entwickelt. Wie der das Gesundheitssystem in Deutschland ändern will und wie Sie, bis es so weit ist, den Durchblick behalten - das erfahren Sie hier.

Von: Nicole Ficociello

Stand: 08.11.2019

Auf einem Tisch liegen Informationsbroschüren zum Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz zur Mitnahme bereit. | Bild: picture-alliance/dpa

Wer “Kopfschmerzen” googelt, erhält über 11 Millionen Ergebnisse. Bei “Diabetes” sind es über 500 Millionen und bei “Brustkrebs” 16 Millionen Treffer. Diese Fülle an Informationen zu beurteilen und in wichtig und unwichtig, richtig und falsch einzuordnen, ist nicht einfach. Tatsächlich haben sogar mehr als die Hälfte aller Deutschen Schwierigkeiten damit, sogenannte gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen, einzuordnen und für sich zu nutzen. Das hat eine Studie der Universität Bielefeld 2016 herausgefunden. Besonders schwer tun sich demnach Menschen mit niedriger Bildung, geringem sozialem Status oder Migrationshintergrund. Aber auch ältere Menschen und chronisch Kranke.

Gesundheitskompetenz

“Health Literacy” lautet dazu der Fachbegriff oder auf Deutsch “Gesundheitskompetenz”. Was das genau bedeutet, erklärt Prof. Dr. Doris Schaeffer von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld:

"Ich muss nicht ein informierter Patient per se sein. Aber ich muss wissen, wie ich mir Informationen beschaffen kann. Das heißt, ich muss den Arzt fragen können, was ich wissen will. Das ist für viele Patienten gar nicht so einfach, weil das weder in der Patientenrolle noch im Zeitbudget des Arztes vorgesehen ist."

Prof. Dr. Doris Schaeffer

Nationaler Aktionsplan soll Problem lösen

Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz

Um die Gesundheitskompetenz der Deutschen systematisch zu stärken, hat Prof. Dr. Doris Schaeffer zusammen mit anderen Wissenschaftlern einen “Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz” entwickelt. Darin geben die Experten insgesamt 15 Empfehlungen. So soll zum Beispiel die Forschung ausgebaut werden und Kinder sollen schon in der Kita lernen, wie man sich gesund ernährt, sich wäscht und die Zähne richtig putzt. Aber auch an Schulen soll sich etwas ändern. Zum Beispiel mit einem Schulfach “Gesundheit”.

"Das Thema muss an den Schulen eine andere Bedeutung bekommen. Unter den Kindern gibt es auch welche, die chronisch erkrankt sind. Da ist es wichtig, dass alle in der Schulumgebung wissen, was es bedeutet, mit chronischer Krankheit zu leben und damit auch im Schulalltag umzugehen."

Prof. Dr. Doris Schaeffer

Das Gesundheitssystem in Deutschland muss insgesamt nutzerfreundlicher gestaltet werden. Da sind sich die Experten einig. Zum Beispiel mit gesundheitskompetenten Krankenhäusern.

"Das fängt an, wenn man ein Krankenhaus betritt, dass die Navigation und die Orientierung in der Institution eine andere ist. Dass ich mich leicht durch Schilder, die nicht nur auf Schrift basieren, sondern Piktogramme haben, in der Institution zurechtfinden kann. Dass Information selbstverständlich ist und nicht als Störfaktor empfunden wird – auch, wenn Patienten nachfragen. Und dass es ein informationsfreundliches und auch informationskompetentes Personal auf allen Ebenen gibt, das auch mehr Zeit für Informationen hat."

Prof. Dr. Doris Schaeffer

So finden Sie sich im Gesundheitssystem besser zurecht:

Auch wenn laut Prof. Dr. Doris Schaeffer seit der Veröffentlichung des Nationalen Aktionsplans Bewegung in den Prozess gekommen ist - bis sich die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung wirklich verbessert, wird es noch eine Weile dauern. Bis dahin haben wir vier nützliche Tipps für Sie.

1. Wenn Sie googlen, dann richtig

Der VdK gibt auf seiner Seite Tipps, worauf man achten sollte, wenn man sich im Internet über eine Krankheit informieren möchte. So sollten Sie sich folgende Fragen stellen, wenn Sie einen Artikel über eine Krankheit, deren Symptome oder Behandlungsmöglichkeiten lesen:

  1. Wer schreibt?
  2. Wie qualifiziert sind die Autoren?
  3. Macht die Website deutlich, dass sie das Arzt- und Patienten-Gespräch nicht ersetzen kann?
  4. Wer finanziert die Seite?
  5. Werden Quellen genannt?
  6. Und hat die Seite ein Qualitätssiegel wie beispielsweise den HONcode?

HON ist die englische Abkürzung für “Health On the Net”. Der HONcode ist der älteste und am meisten benutzte ethische Verhaltenskodex für die Veröffentlichung von medizinischen Informationen im Internet. Zum Kodex gibt ein Siegel, dass darauf hinweist, dass Informationen nur von geschultem Personal gegeben werden, Quellen angegeben werden, der Datenschutz eingehalten wird, redaktionelle Hinweise und Werbung getrennt werden, ausreichende Beweise vorliegen, die finanzielle Unterstützung offengelegt wird und Kontaktadressen angegeben sind.

2. Suchen Sie Informationen lieber bei qualitätsgesicherten Webseiten

Statt wild drauf los zu googeln, empfiehlt es sich, von vornherein eine qualitätsgesicherte Webseite anzusteuern. Der VdK hat eine Liste mit Seiten zusammengestellt. Dazu gehören:

Die Website des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) richtet sich mit einem breiten Themenspektrum über Früherkennung, über sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) und über unterschiedliche Therapiemöglichkeiten für Erkrankungen von A bis Z an erkrankte und an gesunde Menschen.

Dies ist ein Service der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Bundesärztekammer. Dort gibt es kompakte und verlässliche Kurzinformationen zu Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten und Patientenleitlinien.

Auf dieser Website findet sich unter der Rubrik, „Cochrane bloggt auf Deutsch“ der Blog „Wissen was wirkt“ von Cochrane – einem globalen, unabhängigen Netzwerk von Wissenschaftlern, Gesundheitsfachleuten, Patienten, Angehörigen und anderen Interessierten.

www.washabich.de

Hier übersetzen Medizinstudenten kostenlos Befunde in eine leicht verständliche Sprache.

www.krebsinformationsdienst.de

Bei Fragen zu Krebs steht der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums zur Verfügung.

www.orpha.net

Dies ist ein Informationsportal für seltene Erkrankungen mit Hintergrundinformationen, Behandlungsmöglichkeiten und Adressen.

Die Weisse Liste unterstützt Sie bei der Suche nach einem Arzt oder einem Krankenhaus. Zusätzlich zu einem Befund-Dolmetscher gibt es hier außerdem noch einen Diagnosen-Dolmetscher und einen Facharzt-Dolmetscher, der Facharztbezeichnungen verständlich erklärt und beschreibt, mit welchen Arten von Krankheiten sich die einzelnen Disziplinen beschäftigen.

3. Bereiten Sie sich vor, bevor Sie zum Arzt gehen

Die Patienten-Universität der Medizinischen Hochschule Hannover hat in ihrem “Pfad-Finder Gesundheit” Checklisten und Tipps für den Arztbesuch gesammelt. Bevor Sie zum Arzt gehen, könnten Ihnen diese sechs Tipps helfen:

  1. Schreiben Sie Ihre Fragen auf, damit Sie diese im Gespräch bereit haben und keine wichtigen Themen vergessen.
  2. Nehmen Sie alle Medikamente, die Sie zurzeit einnehmen, zu dem Termin mit – auch die Medikamente, die Sie rezeptfrei gekauft haben oder die Ihnen nicht von einem Arzt verschrieben wurden.
  3. Notieren Sie Ihre Beschwerden, wann diese genau angefangen haben, was Ihnen Linderung bringt, etc.
  4. Notieren Sie, falls bekannt, allergische Erkrankungen und Medikamentenallergien und informieren Sie Ihre Ärzte darüber.
  5. Legen Sie Krankenversicherungskarte, Impfausweise, Patientenpass etc. bereit.
  6. Nehmen Sie gegebenenfalls eine Vertrauensperson zu dem Gespräch mit.

4. Haben Sie keine Angst, ihrem Arzt Fragen zu stellen

Damit Sie die Arztpraxis nicht mit mehr Fragen verlassen, als Sie beim Betreten hatten, können folgende Tipps der Patienten-Universität helfen:

  1. Arbeiten Sie Ihren Fragenzettel ab.
  2. Hören Sie gut zu und scheuen Sie sich nicht, nachzufragen.
  3. Schreiben Sie die Antworten mit, wenn Ihnen das hilft.
  4. Versuchen Sie, mit eigenen Worten zusammenzufassen, was Sie verstanden haben. Damit können Sie Missverständnisse vermeiden.
  5. Bitten Sie um Adressen oder weiteres Material, wenn Sie zuhause in Ruhe noch etwas nachlesen wollen.
  6. Bitten Sie gegebenenfalls um die Befunde, z.B. Laborberichte.

Am Ende des Gesprächs sollten Sie prüfen, ob alle Fragen von Ihrer Checkliste beantwortet worden sind und Sie genau wissen, was Sie tun können oder sollen. Ist das nicht der Fall, fragen Sie erneut nach oder bitten Sie um einen weiteren Termin zur Klärung der offenen Fragen. Und zu guter Letzt: Wenn Sie ein Rezept bekommen, stellen Sie sicher, dass Sie es lesen können. Wenn Sie die Schrift Ihres Arztes nicht  lesen können, ist es möglich, dass die Apotheker dies auch nicht können.


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