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Familiendynastie Schneider Wie der Vater, so der Sohn

Manche suchen ihr Leben lang nach einer Berufung, andere werden hineingeboren – wie bei der Brauerei Georg Schneider. In sechster Generation führen stets die erstgeborenen Söhne die Geschicke des Familienunternehmens. Eine Last? Oder ein Geschenk?

Von: Ulrich Scherr

Stand: 27.05.2020 | Archiv

Familiendynastie Schneider: Wie der Vater, so der Sohn

Bis heute haben alle Patriarchen der Brauerei "Georg Schneider und Sohn" aus dem niederbayerischen Kelheim den gleichen Vornamen getragen: Georg. Ist ihre Berufung eher ein Geschenk oder eher eine Last? Und: Hätten sie sich einem solchen Erbe auch entziehen können?

"Ich wollte Musik studieren. Das war eine Träumerei. Weil nach dem Krieg alles in Trümmern lag. Da gab es das Händel-Konservatorium. Da waren Freunde, da hat es mich auch hingezogen."

Georg der Fünfte Schneider

Georg der Fünfte Schneider ist 92 Jahre alt. Er erinnert sich an einen Moment in seiner Jugend, als er darüber nachdachte, aus der Familientradition auszuscheren. Die Zweifel waren nur von kurzer Dauer.

"Ich habe dann gemerkt, dass ich eine andere Verantwortung hatte. Dann bin ich aufs Brauereistudium übergegangen. Als ich dann die schwere Malzschaufel in der Hand hatte, dann sind die Pratzen so aufgelaufen, ganz fürchterlich. Dann habe ich am Klavier plötzlich zwei Tasten erwischt statt einer, dann habe ich das aufgegeben und dann ganz bewusst Schluss gemacht mit Musik."

Georg der Fünfte Schneider

Die Geburt der "Schneider Weisse" im Jahr 1872

Abfüllanlage der Brauerei Schneider und Sohn

Seit 150 Jahren braut die Familie Schneider Weißbier. Erst in München. Seit Ende des zweiten Weltkriegs im niederbayerischen Kelheim. Begründet wird die Dynastie vom Unternehmer Georg Schneider im Jahr 1872. Er erwirbt beim Bayerischen Hofbräuamt als erster Privatunternehmer überhaupt das Recht, Weißbier zu brauen und kauft eine Brauerei. Die "Schneider Weisse" ist geboren.

Georg der Sechste Schneider: "Hadern musste ich nie"

Noch heute heißt der Firmenchef Georg Schneider – der 54-Jährige ist der mittlerweile sechste seiner Art.

"Hadern musste ich nie. Ich bin im Paradies aufgewachsen – Bauernhof und Brauerei lagen nebeneinander. Natürlich wollte ich als Kind auch einmal Bauer werden, oder Pilot und Kapitän. Aber ich habe bei meinen Eltern gesehen, welche Freiheitsgrade und Gestaltungsmöglichkeiten es im Unternehmen gibt. Da wird es keinen Tag langweilig."

Georg der Sechste Schneider

Auf Georg folgt Georg

Auch Georg der Sechste hat seinen erstgeborenen Sohn wieder Georg getauft. Und auch der soll schon bald in den Familienbetrieb einsteigen.

"Mein Sohn bereitet sich auf die Nachfolge vor. Das ist schon vereinbart. Er weiß, was ihn erwartet. Er ist jetzt 24, hat seine Studien mit Bravour beendet. Er fängt jetzt an zu arbeiten, in einem ganz anderen Bereich. Um sich Erfahrungen anzueignen. Und in fünf, sechs Jahren möchte er nach Hause kommen. Ich denke, dann werden wir noch eine Zeitlang parallel zusammenarbeiten und dann werde ich mich anderen Dingen zuwenden."

Georg der Sechste Schneider

Und wenn der Sohn zu ihm gesagt hätte: Trotz meines Vornamens und trotz der Familientradition: Ich gehe einen anderen Weg!?

"Dann hätte ich gesagt: Mach das! Das wichtigste ist, dass man im Leben seine Berufung findet, seinen Weg gehen kann und in nichts hineingezwungen wird. Genauso hat es mein Vater mit mir auch gemacht. Er hat mir auch meinen freien Berufswunsch gelassen."

Georg der Sechste Schneider

Familiendynastie: Keine Belastung, sondern ein Geschenk

Es ist eben nicht nur eine Belastung, es ist auch ein Geschenk, in eine solche Familiendynastie hineingeboren zu werden, sagt Georg der Sechste.

"Ein großer Vorteil ist, dass wir nicht in Quartalen denken, sondern in Generationen. Ich glaube, Familienunternehmen leben Nachhaltigkeit vor. Es ist auch so, dass man eine schwierige Marktsituation leichter aushält als ein kapitalgetriebenes Unternehmen. Man ist eben nicht dem Kapital verpflichtet, sondern der unternehmerischen Idee. Das sind die größten Vorteile." Georg der Sechste Schneider

Und dann ist da noch die Geborgenheit in der Familie. Sie bietet Schutz und Sicherheit im Angesicht der Veränderungen, die die Zeit mit sich bringt. Das ist etwas, das dem Vater, Georg dem Fünften, wichtig ist.

"Als ich anfing, war eine Brauerei noch ein rein handwerklicher Betrieb. Ich habe in München im Hofbräuhaus meine Lehrjahre gemacht. Wir haben Malzsäcke getragen, die waren eineinhalb Zentner schwer. Die mussten von unten bis in den vierten Stock hinaufgetragen werden. Das hat sich ja völlig verändert. Jetzt: die Computer. Ich muss sagen, ich habe da nach einer gewissen Zeit fast kapituliert. Das war mir fast unheimlich."

Georg der Fünfte Schneider

Keine Angst vor Veränderungen

Aber Angst haben vor Veränderungen gilt nicht, sagt sein Sohn. Er ist Mitte fünfzig. Die Familie und das Unternehmen müssen mit der Zeit gehen, wenn sie bestehen wollen, sagt Georg der Sechste.

"Ein Unternehmen ist ja nichts Statisches, sondern etwas höchst Lebendiges, das sich auch anpassen muss, weil es sonst irgendwann verschwinden wird. Ich muss mich heute mit Themen auseinandersetzen, da hat mein Vater zu seiner aktiven Zeit noch gar nicht gewusst, dass es sowas überhaupt gibt."

Georg der Sechste Schneider

Und schließlich ist es wieder der Blick in seine Familiengeschichte, die dem Unternehmer die nötige Gelassenheit gibt, wenn er vor schwierigen Entscheidungen steht.

"Wenn man das respektiert, dass jeder zu seiner Zeit seine Lebensaufgabe zu stemmen hat, tut man sich in einer Familiendynastie leicht, auf die nachfolgende und auch auf die abgebende Generation zu schauen und zu sagen: Im Kontext ihrer Zeit haben sie alles richtig gemacht."

Georg der Sechste Schneider

Der Blick in die Zukunft: gelassen und hoffnungsfroh

Blick ins Sudhaus

Alles richtig gemacht in der Vergangenheit. Alles gut bestellt für die Zukunft. Georg der Fünfte, der 91 Jahre alte Patriarch der Familie, schaut jedenfalls gelassen und hoffnungsfroh in die Zukunft.

"Ich hoffe, dass es gut geht. So wie es jetzt angelegt ist. Ich sehe vor allem meinen Enkel, der sehr familiär auch denkt. Und ich denke schon, dass es gut weitergehen wird."

Georg der Fünfte Schneider


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