TV & Serie // "Patrick Melrose" Wenig Handlung, viel Wahnsinn

Benedict Cumberbatch ist Patrick Melrose – reich, gutaussehend und dank seiner Heroinsucht direkt am Abgrund. Wer das Ganze genießen will, muss einiges aushalten – bekommt dafür aber eine originelle und sehr unterhaltsame Serie.

Von: Gregor Schmalzried

Stand: 29.05.2018 | Archiv

Patrick Melrose | Bild: BR

Patrick Melrose ist glücklich. Sein Vater ist nämlich gestorben. Sein Vater, der ihn als Kind missbraucht und zu dem zynischen und schwer ausstehlichen Typen gemacht hat, der er heute ist – endlich tot. Für Melrose ist das eine ungeheure Erleichterung. Dabei sieht sein Leben sowieso schon nicht besonders schwer aus. Er hat Geld wie Heu, ist gutaussehend und jetzt auf dem Weg nach New York um die Überreste seines Vaters abzuholen. Alles ganz fein eigentlich. Wäre da nicht eines: Patrick Melrose braucht Heroin. Dringend. Sonst dreht er durch.  

Die Serie, die so heißt wie ihr unverbesserlicher Held, adaptiert in fünf Folgen eine Buchreihe von Edward St Aubyn, einem englischen Aristokraten, der so seine eigenen Erfahrungen mit Heroinsucht und persönlichen Abstürzen verarbeitet hat. Dass die Geschichte ihren Ursprung im echten Leben hat, merkt man ihr an - unter anderem deshalb, weil es fast keine Handlung gibt. Patrick Melrose wandelt durch verschiedene Länder und durchlebt darin seine Gegenwart und Vergangenheit. Aber wirklich voran kommt er nicht.

Die One-Man-Show

Was das Ganze zusammenhält, ist die Performance von Benedict Cumberbatch. Der ist fast durchgehend zu sehen – und zu hören. Denn mit dem Wahnsinn kommen Selbstgespräche, Halluzinationen und ein permanentes Gewitter an Stimmen im eigenen Kopf. Und Cumberbatch setzt das alles großartig um. Natürlich hat der zynische reiche Sack Patrick Melrose Ähnlichkeiten mit Cumberbatchs bekannteren Rollen wie Sherlock Holmes und dem Superhelden Doctor Strange. Trotzdem ist die Rolle kein Abklatsch. Allein wie sich Cumberbatch bewegt, ist faszinierend: Er geht merkwürdig steif, als könnte der leiseste Windhauch ihn umstoßen.

Vor allem aber stellt er pure Verzweiflung dar, Nervosität und Panik. Drogensucht haben wir im Fernsehen oft gesehen, aber nie so wie in Patrick Melrose. Hier ist die Sucht der Bösewicht, das zentrale Element der Geschichte. Sie ist chaotisch, wild und unglaublich unterhaltsam. Wenn Melrose ausrastet und sein Zimmer verwüstet, ist es eine Actionszene – spannender als eine Verfolgungsjagd.

Hart, aber gut

Für manche ist das eine Offenbarung. Der Journalist John Crace wurde von der Serie "Patrick Melrose"dazu inspiriert, für den Guardian erstmals über seine eigene Vergangenheit mit Heroinsucht zu schreiben – und lobte die Serie für ihre Authentizität.

Natürlich klingt das alles ziemlich hart und es ist manchmal auch hart zuzusehen. Wie Melrose sich die Hände verbrüht, weil er vergessen hat das Badewasser abzustellen, wie er wild am Hotelfenster rüttelt, weil er sich zu Tode stürzen will. Aber all das wird von einem zynischen Humor und einer zuckenden, nervösen Energie getragen, die sogar eigentlich banale Momente spannend macht. Wer "Patrick Melrose"genießen will, muss einiges aushalten, hauptsächlich wenig Handlung und viel Wahnsinn. Aber dafür bekommt ihr eine originelle und auf ihre eigene perverse Art sehr unterhaltsame kleine Serie.

Patrick Melrose ist ab 29.5.2018 wöchentlich bei Sky on Demand (SkyTicket und Sky Go) abrufbar.

Sendung: Filter, 30.05.2018 - ab 15.00 Uhr