Tracks der Woche #33/18 Ruthven, Travis Scott, Kimi’s Paradise, Kala Brisella, Party Nails

Was machen die Tracks der Woche, wenn sie nicht Musik machen? Brände löschen, Geisterbahn fahren, möglicherweise eine Pension leiten, Rammstein hören und sich für die LGBTQ-Community engagieren.

Stand: 08.08.2018 | Archiv

Tracks der Woche 32/18 | Bild: Andre Wunstorf, Sophie Wanninger, Sonstige

Ruthven – Evil

Was passiert, wenn sich ein bekannter Produzent einen Feuerwehrmann ins Studio holt und ihm ein Mikro in die Hand drückt? Im Optimalfall kommt dabei ein Song wie "Evil" raus. Der Track fängt mit einem geschmeidigen Acapella-Intro an, das nur von ein bisschen Beatboxen rhythmisch begleitet wird. Da es sich bei besagtem Produzent aber um A.K. Paul handelt, dauert es nicht lange, bis sich Synthesizer zum Gesang gesellen. Zusammen mit den klatschenden Percussions entsteht ein funky Sound, der durchaus seine Prince-Momente hat. Und wer ist jetzt dieser so wundervoll singende Feuermann? Der in der Musikszene noch Unbekannte aus dem Süden Londons nennt sich Ruthven. Der Sänger wird gerade mit Hilfe des neu gegründeten "Paul Institute" gepusht, eine Einrichtung, die – laut den Initiatoren A.K. und Jai Paul – britische Newcomer fördern soll. Mit Ruthven haben sie jedenfalls schon mal einen Rohdiamanten ausgegraben.

Travis Scott – Stargazing

Schon zu Beginn seiner Karriere hat Travis Scott mit den ganz Großen – unter anderem Kanye West, Rihanna oder Drake – zusammengearbeitet und sich anschließend mit seinen Soloveröffentlichungen als bedeutender Player im Hip-Hop etabliert. Sein Sound ist unverwechselbar: Travis Scott und Autotune gehören zusammen wie Spiegelei und Spinat. Und auch der neue Track "Stargazing" passt zunächst in die Kategorie ‚Trap-Shit‘. Aber damit nicht genug, denn Travis Scott tobt sich auf dieser Single richtig aus: der Texaner rappt mit psychedelischem Anstrich und lässt sich von schrillen Zwischenrufen und leisem Heulen begleiten. Dazu kommen quietschende Gitarren, ein unheilvolles Piano und als Höhepunkt des gespenstigen Mittelparts rollt ein Geisterbahnwagon durch den Track – Stille. Jetzt sind die Geister verschwunden und Travis Scott rappt ohne Verzerrung auf einem nervösen Beat mit eingestreutem, trippy Flötenspiel. "Stargazing" ist eine aufregende Achterbahnfahrt.

Kimi’s Paradise – Dorothy

Kimi’s Paradise – was klingt wie eine kleine Urlaubspension auf den Bahamas, die von einer Auswanderin mittleren Alters mit Perlen in den Haaren und Henna-Tattoo auf der Schulter geführt wird, ist in Wirklichkeit eine taufrische Newcomerband. Eine Band, über die noch nicht viel in Erfahrung zu bringen ist. Ein echter Geheimtipp also. Was aber bis jetzt an die Oberfläche gesickert ist: Es handelt sich bei Kimi’s Paradise um ein Duo, dass sowohl in London, als auch in München zu Hause ist. Gerade haben die beiden ihre erste EP "House of Love" mit vier Tracks gedroppt. Die erste Nummer darauf heißt "Dorothy" und gibt einen Einblick, was uns bei Kimi’s Paradise erwartet: eine einfühlsame Stimme mit ordentlich Soul singt über ein elektronisches Musikbett, dass softe Dub-Elemente und chilligen House kombiniert und so einen exotischen und erfrischend abwechslungsreichen Klangteppich kreiert.

Kala Brisella – I’m Sorry

Auf dem Debütalbum "Endlich Krank" der Berliner Band Kala Brisella dominieren martialische Drums, fetter Bass und hingerotzter Gesang in allen möglichen Varianten. Mal verfällt Sänger Jochen Haker in lethargischen Sprechgesang – zum Beispiel, wenn es auf "Braun Oral" um das Thema Mundhygiene geht – mal schreit er sich mit voller Wucht den Frust von der Seele. Kala Brisella liefern herrlichen, deutschen Noise-Sound mit einer gehörigen Punk-Note. Ihre neue Single "I’m Sorry" ist die erste Auskoppelung vom neuen Album, das im September rauskommen wird. Der Song liefert zwar etwas weniger ungezügeltes Gitarrengeschrammel und mehr Melodie als seine Vorgänger, klingt aber deshalb noch lange nicht zahm. Selten wurde sich musikalisch so passiv-aggressiv entschuldigt wie auf "I’m Sorry". Außerdem wurden hier gekonnt Textanspielungen auf Ja, Panik und Rammstein eingeflochten und ein Refrain mit absolutem Hymnencharakter geschaffen.

Party Nails – My 404

Ursprünglich aus New York, lebt Elana Belle Carroll aka Party Nails mittlerweile seit einiger Zeit in Los Angeles. Und die vielen, dort gesammelten Sonnenstunden hört man ihrer neuen Single "My 404" auch an: ein filigranes Zusammenspiel aus alternativem Pop mit klaren Reggae-Einflüssen, intimem Gesang und einem elektronisch-verspielten Grundsetting. Ein luftig-leichter Lovesong für jede Gelegenheit, der ziemlich Bock macht auf das kommende Debütalbum "Past Lives and Paychecks". Als Inspiration für den Sound ihres Albums haben der Künstlerin nach eigener Aussage Acts wie Haim, Grimes und Robyn gedient – eine sehr vielversprechende Vorlage. Wenn Elana Belle Carroll gerade nicht Texte schreibt, Gitarre spielt oder Songs produziert, ist sie als LGBTQ-Aktivistin unterwegs. Dazu zählt auch, dass sie jungen Frauen im Rahmen eines Förderprogramms umsonst Lehrstunden in Musikproduktion gibt. 

Sendung: Freundeskreis, 13.09.2018 - ab 10.00 Uhr