Interview // Bird Berlin "Ich habe Sehnsucht nach Feierabend"

Bye-bye, Knutschkugel: Nach 15 Jahren macht der Nürnberger Sänger Bird Berlin Schluss mit Shiny-Happy-Glitzerpop. Wie viel sein Streit mit der AfD damit zu tun hat und ob er uns trotzdem als Künstler erhalten bleibt, erzählt er im Interview.

Von: Lili Ruge

Stand: 07.05.2019 | Archiv

Künstler Bird Berlin inmitten von Palmen  | Bild: Cris Civitillo

Er ist der wohl ausgeflippteste Pop-Export aus Bayern: Bird Berlin. Aus Berlin kommt er übrigens nicht, sondern aus Nürnberg, wo er seit 15 Jahren quietschbunten Elektropop macht. Bei seinen Liveshows tritt der stattliche Mann bis auf eine Mini-Radlerhose fast unbekleidet auf – dafür mit umso mehr Glitzer im Brusthaar.

Bird Berlin will Fröhlichkeit verbreiten in seinem Publikum. Nebenbei entzieht er sich allen klassischen Deutungsmustern: Darf ein Mann auf der Bühne hin und her tänzeln, Aerobic-Stulpen tragen und sich mit Glitzer einpudern? Eigentlich möchte man meinen, die Antwort kann 2019 nur JA! lauten. Aber obwohl Bird Berlin nicht explizit als politisches Projekt angelegt ist, wurde er von politischen Kräften instrumentalisiert. Nach einer Anti-AfD-Demo, auf der er gespielt hat, gab es einen heftigen Shitstorm gegen Bird Berlin.

PULS: Was war da eigentlich los mit der AfD?

Bird Berlin: Es war AfD-Parteitag in Nürnberg und ich wurde gefragt, ob ich auf der Gegendemonstration spielen möchte. Und da ich die Veranstaltung gegen diesen Parteitag sehr befürwortenswert fand, habe ich ein bisschen geglitzert und gespielt und ich glaube, die Leute fanden das ganz, ganz, ganz, ganz schön. Aber die Leute von der AfD irgendwie nicht so. Ich spiegel halt ein genau gegenteiliges Gesellschafts- oder Menschenbild, als das was sie gerne hätten. Dann haben sie mich zur Zielscheibe gemacht, indem sie ein Foto des Auftritts für so ein AfD-typisches Meme verwendet haben, um damit ihren Leuten verständlich zu machen, wie stark sie dieses Glitzerige und dieses Freudige verabscheuen.

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Bird Berlin - Birdi Pourquoi | Bild: Barbara Vöckler (via YouTube)

Bird Berlin - Birdi Pourquoi

Wie hast du darauf reagiert?

Ich habe das erst gar nicht mitbekommen, am Tag nach der Veranstaltung war ich wandern und komplett offline. Erst einen Tag später habe ich gesehen, dass meine Downloads sehr in die Höhe gegangen sind. Dann habe ich mal geguckt, woran das liegen kann. Auf Social Media hatte ich da schon von ganz vielen Leuten Nachrichten bekommen, ob ich den AfD-Post schon gesehen hätte.

Dann habe ich mir irgendwann ein Butterbrot genommen und fast alle Kommentare dazu durchgelesen. Aber irgendwie haben mir diese Kommentare nichts Neues erzählt: Da stand halt das Übliche: "Du fette Sau" oder irgendwelche anderen Dinge. Ich meine, dass ich dick bin, weiß ich. Ich weiß, dass ich schwitze und dass ich glitzere, weiß ich auch. Ich habe auch versucht, mit ein paar Leuten in Kontakt zu treten, die mir privat via Facebook geschrieben haben – aber es ist alles leider ins Leere gelaufen. Mehr als ein wahlloses Abfeuern von Hasstiraden war da nicht.

Weil ich das Ganze nicht unkommentiert stehen lassen wollte, habe ich dann die ganzen Einnahmen, die durch die gestiegene Aufmerksamkeit erzeugt wurden, an eine Organisation gespendet, die Leuten hilft, aus dem rechtsradikalen Milieu auszusteigen.

Hast du Tipps im Umgang mit Hetze im Netz?

So pauschale Tipps habe ich nicht. Sehr wichtig ist aber, dass man sich selbst nicht so wichtig nimmt und auch mit einem gewissen Abstand über Dinge reden kann. Ich glaube es ist gut, sich vorher zu wappnen und ein gewisses Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aufzubauen, das nicht davon abhängt, wie andere Menschen über einen denken.

Natürlich ist es trotzdem unangenehm. Und ich glaube, es ist auch sehr gut, da manche Dinge einfach mal ins Leere laufen zu lassen und nicht alles zu kommentieren. Wichtig ist, die Dinge durch die eigenen Kommentare nicht noch größer zu machen, als sie sind. Einfach mal ein paar Minuten, vielleicht auch mal ein paar Tage, darüber nachdenken und dann erst schreiben. Ich mag dem Hass nicht so viel Raum geben und lieber mit anderen Dingen punkten: mit schönen Dingen, mit freundlichen und liebevollen Dingen. Wenn wir uns nur über Hass unterhalten, dann besteht unser Leben auch hauptsächlich aus Hass.

Hattest du manchmal das Gefühl, die fiesen Kommentatoren leiden selbst unter ihrem Hass?

Es ist unglaublich wichtig, gegen Hass, rechte Parolen und Homophobie eine ganz klar Kante zu zeigen. Im gleichen Atemzug finde ich es unglaublich wichtig, den Menschen mit einer gewissen Würde entgegenzutreten und zu sagen: 'Hey, die Gesellschaft hat euch nicht aufgegeben.' Der Mensch ist ja nicht erst mal schlechter, nur weil er rechts denkt. Ich finde, eine Gesellschaft sollte sich zumindest zum Ziel setzen, die Menschen, die von Politikern oder von anderen Leuten verführt werden, irgendwie wieder zurückzuholen.

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Bird Berlin - Mini Doku | Bild: PULS Musik (via YouTube)

Bird Berlin - Mini Doku

Der Streit mit der AfD hat aber nichts damit zu tun, dass du jetzt aufhörst, oder?

Ich glaube, in einem Artikel über mich kann man das herauslesen, wenn man will – aber das ist nicht der Fall. Ich will mich musikalisch ein bisschen verändern. Dieses Happy-Birdi-Ding ist zwar noch unglaublich spaßig und ich mag es, die Leute beim Fröhlichsein zu begleiten – aber ich mag mich auch ein bisschen erweitern und noch andere Emotionen in meine Musik mit reinnehmen. Da könnte es sein, dass Birdi – die Figur mit Glitzer, halbnackt und schwitzend – nicht das geeignete Medium ist.

Der andere Punkt ist: Ich habe eine unglaubliche Sehnsucht nach Feierabend. Ich mache das jetzt seit 15 Jahren. Ich fange an zu arbeiten und irgendwann nach der Arbeit gehe ich ins Bett und habe daneben sehr wenig Privatleben. Ich sehne mich danach, einfach mal ja sagen zu können, wenn mich Freunde fragen, ob ich spontan ein Bier trinken will.

Wenn man daran denkt, welche Emotion bei Bird Berlin im Moment noch nicht so ihren Platz findet, dann wäre das vielleicht etwas Ernstes, oder?

Es ist schon eine gewisse Ernsthaftigkeit oder vielleicht auch Melancholie, vielleicht auch eine größere Aggressivität auf der Bühne oder eine andere Art des Ausdrucks, nach der ich suche. Vielleicht finde ich auch einfach eine andere Musikrichtung, vielleicht wieder zurück ins Punkige. Vielleicht wird es auch eine Band oder ein Kollektiv, wo man zusammen etwas erfährt. Es gibt eine Sehnsucht zu irgendetwas Anderem – aber es ist noch sehr verschwommen. Vielleicht wird es ja auch eine Kochshow mit den besten tausend Toast-Rezepten, wer weiß?

Zum Abschied haust du noch mal ein Best-Of-Album raus. Was ist da alles drauf?

Ich habe alle Songs, die ich jemals geschrieben habe, nochmal komplett neu aufgenommen und nochmal neu arrangiert, neue Instrumente verwendet und andere Ideen eingebracht. Dazu hatte ich eine riesengroße Hilfe: Tom König hat da ganz viel an dem Album mitgearbeitet und es ist quasi ein Dreifach-Album geworden. Auf der ersten CD ist die Best Of drauf und auf den anderen beiden CDs Remixe von Tom König.

Bird Berlin ist noch bis Anfang Januar 2020 mit seiner Best-Of-Platte "Immer Birdi Alles Forever" auf Tour und wird sich danach zur kreativen Schaffenspause zurückziehen. Ihr könnt ihm noch auf Facebook und Insta schreiben, wo ihr ihn gerne sehen wollt. Er bemüht sich, alle Wünsche zu erfüllen. Seine Bingo-Abende in Nürnberg wird er übrigens weiter veranstalten.

Sendung: Plattenbau, 06.05.2019 - ab 19.00 Uhr