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Baufirma geht in Streik Kampf gegen Abschiebung eines afghanischen Kollegen

Weil Tavus Qurban die Arbeitserlaubnis entzogen werden soll, ließ das Unternehmen Strasser heute zwei Stunden lang die Arbeit ruhen. So will die Chefetage um ihren Angestellten kämpfen.

Von: Mirijam Trunk

Stand: 30.09.2016

Kollegen des Afghanen Tavus Qurban protestierten gegen die drohende Abschiebung | Bild: BR/Trunk

Um kurz vor 10 geht die Sirene los. Ein Bauarbeiter nach dem anderen legt das Werkzeug auf den Boden, in einer Reihe steigen sie die Treppe hoch, raus aus der Baugrube, hin zum Container. Dort hängt ein großes Banner: "Keine Abschiebung für integrierten Flüchtlingskollegen! Tavus Qurban, wir stehen hinter Dir!"

Letzter Arbeitstag

Tavus Qurban ist Afghane, seit fast fünf Jahren arbeitet er für Strasser Bau. Heute soll sein letzter Arbeitstag sein. Seine Arbeitserlaubnis endet zum 1. Oktober.
Alle 220 Mitarbeiter haben am 30. September zwischen 10 und 12 Uhr ihre Arbeit niedergelegt, aus Solidarität. Auf allen Strasser-Baustellen in ganz Bayern ist Stille, über 100 Mitarbeiter aus dem Raum München sind in Fahrgemeinschaften auf die Großbaustelle im Münchner Süden gekommen. Dort stellen sie sich vor den Container, unter das Banner, hinter Tavus Qurban.

Kein Pass, kein Visum

Tavus Qurbans Arbeitserlaubnis wurde nicht verlängert, weil er keinen Pass hat. Jeder Asylbewerber muss sich selbstständig um einen gültigen Ausweis kümmern. "Er müssten beim zuständigen Konsulat oder bei der Botschaft Dokumente beantragen, die Auskunft über seine Identität und Herkunft geben", erklärt Markus Huber vom Landratsamt Altötting. "Und das ist in diesem Fall bislang noch nicht geschehen."

Ohne Geburtsurkunde steckt er in der Zwickmühle

Tavus Qurban sagt, er habe mehrmals versucht, in der Afghanischen Botschaft einen Pass zu bekommen, doch ohne Erfolg. Er hat keine Geburtsurkunde und bekommt deshalb keinen Ausweis. Außerdem steckt Qurban in der Zwickmühle: Wenn er sich einen Pass besorgt, wird er vermutlich abgeschoben. 2013 wurde sein Antrag auf Asyl vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, Deutschland zu verlassen, sobald er einen Pass hat. Bis dahin ist er geduldet. Ein Pass könnte also das Ende der Duldung bedeuten. Obwohl Afghanistan laut dem BMF nicht als sicheres Herkunftsland gilt, plant die Bundesregierung, zehntausende Afghanen dorthin zurück zu schicken. „Wenn es dort nicht so schlimm ist, warum fahren Deutsche dann nicht in Urlaub nach Afghanistan? Die meisten trauen sich ja noch nichtmal in die Türkei“, sagt ein Kollege von Qurban.

Druck auf die Behörden

Die Mitarbeiter und die Geschäftsführung von Strasser Bau wollen Druck auf die Behörden aufbauen, zeigen, "dass man sich die Einzelfälle anschauen muss", sagt Simone Schedel, Mitarbeiterin bei Strasser. "Wir haben Tavus angelernt, haben ihm Deutsch-Kurse bezahlt“, erzählt der Geschäftsführer Stephan Birnbacher. "Tavus ist extrem fleißig, eine Bereicherung für unser Team“.

"Was für eine Frechheit, diesen Mann auszuweisen! Der zahlt hier Steuern."

Kollege von Tavus

Zwischen 15.000 und 20.000 Euro kostet der Streik die Firma Strasser Bau, "das ist mir egal“, sagt Stephan Birnbacher und nickt entschlossen. "Das ist ein emotionales Thema und das liegt mir am Herzen." Seine Unterstützung ist ansteckend: Am Mittwochabend hat Strasser Bau die geplante Aktion auf Facebook geteilt, fast 100.000 Menschen haben den Post geteilt, über sieben Millionen haben ihn gesehen. "Wir sind überwältigt von dem Zuspruch, den wir bekommen", sagt Birnbacher. Und auch Tavus fehlen die Worte: "Schau mal, wie viele Menschen hier sind!", schreit er über die Stimmen der Kollegen hinter ihm, die Augen ungläubig aufgerissen, er strahlt: "Danke! Danke meine Kollegen, danke mein Chef, danke, danke."

Symbolische Aktion

Dennoch: die Aktion ist symbolisch. Markus Huber vom Landratsamt sagt: "Wir haben wenig Spielraum." Erst wenn Tavus Qurban einen Pass hat, kann er erneut Asylantrag stellen. Die Firma Strasser und ihr Geschäftsführer Stephan Birnbacher haben ihm versprochen, ihn auf allen Ebenen – menschlich und juristisch – zu begleiten.


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