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Der Fall Edathy Chronologie eines Politkrimis

Kriminalfall, Regierungsskandal, Justizwirrwarr: der Fall Edathy war und ist alles in einem. Wir blicken zurück auf eine turbulente Polit-Affäre, die vor allem für die SPD-Spitze noch nicht ausgestanden ist.

Von: Florian Haas

Stand: 23.02.2015

  • Dezember 2011
    BKA-Gebäude in Wiesbaden | Bild: picture-alliance/dpa

    Bundeskriminalamt in Wiesbaden

    Dezember 2011

    Operation "Selm"

    Ende 2011 bekommt das Bundeskriminalamt über Interpol die Kundenliste einer kanadischen Firma, die Bilder und Videos mit Darstellungen nackter Kinder sowie harte Kinderpornografie vertreibt. Auf der Liste stehen auch hunderte Deutsche, darunter offenbar Sebastian Edathy. Der Name fällt zunächst niemandem auf. Die deutschen Behörden starten die Ermittlungsoperation "Selm".

  • Oktober 2013
    Klaus-Dieter Fritsche und Jörg Ziercke | Bild: picture-alliance/dpa

    Klaus-Dieter Fritsche und Jörg Ziercke

    Oktober 2013

    Edathys Name im Umlauf

    BKA-Präsident Jörg Ziercke informiert den damaligen Staatssekretär im Innenministerium, Klaus-Dieter Fritsche: Edathys Name tauche im Rahmen eines internationalen Ermittlungsverfahren gegen Kinderpornografie auf, so Ziercke. Fritsche gibt diese Information weiter an den damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

  • Oktober 2013
    Sigmar Gabriel und Hans-Peter Friedrich | Bild: picture-alliance/dpa

    Sigmar Gabriel und Hans-Peter Friedrich

    Oktober 2013

    Die SPD wird informiert

    Friedrich informiert SPD-Parteichef Sigmar Gabriel über die Ermittlungen gegen Edathy - ohne aber, so sagt es zumindest Friedrich, Informationen über den Inhalt der Vorwürfe weiterzugeben. Gabriel stellt es später anders dar: Ihm zufolge schloss Friedrich in dem Gespräch nicht aus, dass es zu strafrechtlichen Ermittlungen gegen Edathy kommt. Unstrittig: Gabriel informiert dann den damaligen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und den damaligen Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Die drei SPD-Politiker beschließen, den Fall vertraulich zu behandeln.

  • Oktober 2013
    Thomas Oppermann und Jörg Ziercke | Bild: picture-alliance/dpa

    Thomas Oppermann und Jörg Ziercke

    Oktober 2013

    Wer lügt?

    Oppermann ruft nach eigener Aussage bei BKA-Chef Ziercke an, um über den Fall Edathy zu sprechen. Laut Oppermann bestätigt Ziercke dabei, dass es möglicherweise strafrechtliche Ermittlungen gegen Edathy geben werde. Ziercke bestreitet später, Oppermann Informationen gegeben zu haben. Er habe Oppermann nur zugehört.

  • Oktober 2013
    Polizei Niedersachsen | Bild: picture-alliance/dpa

    Polizei Niedersachsen

    Oktober 2013

    Von wegen vertraulich...

    Das Bundeskriminalamt informiert das Landeskriminalamt in Hannover, das die Information über die Edathy-Ermittlungen an die Polizeidienststelle Nienburg im Edathy-Wahlkreis weiterträgt. Später werden auch mehrere Landeskriminalämter darüber in Kenntnis gesetzt - und zudem die Innenminister der Länder. Der Vorgang gilt eigentlich als streng vertraulich.

  • Oktober 2013
    Jörg Fröhlich, Staatsanwaltschaft Hannover | Bild: picture-alliance/dpa

    Jörg Fröhlich, Leiter Staatsanwaltschaft Hannover

    Oktober 2013

    Späte Information

    Eine Vielzahl an Personen weiß Ende Oktober inzwischen über die Ermittlungen gegen Edathy Bescheid - doch erst jetzt erfährt davon auch der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich.

  • November 2013

    November 2013

    Operation "Spade"

    In Toronto berichtet die kanadische Polizei von einem "weltweiten Schlag" gegen Kinderpornografie: Bei der Operation "Spade" seien 386 Kinder befreit und mehr als 300 Tatverdächtige festgenommen worden. Zuvor hatte es eine große Razzia bei einer Firma in Toronto gegeben, die Kinderpornografie vertreibt. Auch Edathy ist Kunde dieser Firma; er soll hier 31 Filme gekauft haben.

  • November 2013
    Sebastian Edathy | Bild: picture-alliance/dpa

    Sebastian Edathy

    November 2013

    Edathy scheint alarmiert

    Edathy ist womöglich durch die Razzia in Kanada alarmiert. Er beauftragt seinen Rechtsanwalt: dieser solle nachforschen, ob und wie gegen ihn ermittelt werde. Der Anwalt nimmt Kontakt zur Staatsanwaltschaft Hannover auf - und, wie sich später herausstellt, zu anderen Staatsanwaltschaften, unter anderem in Berlin und Niedersachsen.

  • Dezember 2013
    SPD-Politiker Lambrecht und Oppermann | Bild: picture-alliance/dpa

    Christine Lambrecht, Thomas Oppermann

    Dezember 2013

    Kein Kabinettsjob für Edathy

    Immer mehr SPD-Politiker haben inzwischen Kenntnis von den Vorwürfen: Thomas Oppermann informiert auch seine Nachfolgerin als Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Christine Lambrecht. Edathy, über Jahre hinweg hoch gehandelt in der Partei, bekommt in den neuen schwarz-roten Koalition keinen Posten. Und: im Januar meldet er sich arbeitsunfähig.

  • Januar 2014
    Staatsanwaltschaft Hannover | Bild: picture-alliance/dpa

    Staatsanwaltschaft Hannover

    Januar 2014

    Jetzt wird ermittelt!

    Obwohl schon zahlreiche Politiker und Polizeichefs von den internationalen Ermittlungen wissen, beginnt die Staatsanwaltschaft erst jetzt mit ihren verdeckten Ermittlungen

  • Februar 2014
    Bundestagspräsident Norbert Lammert | Bild: picture-alliance/dpa

    Bundestagspräsident Lammert

    Februar 2014

    Wer war der Brieföffner?

    Die Staatsanwaltschaft Hannover informiert Bundestagspräsident Lammert über die gestarteten Ermittlungen - per Brief. Dieser jedoch geht erst eine Woche später bei Lammert ein. Und zwar offenbar geöffnet. Jemand hat das Schreiben abgegriffen, womöglich sogar im Bundestag...

  • Februar 2014

    Februar 2014

    Ereignisse überschlagen sich

    Edathy erklärt Lammert seinen Verzicht auf das Bundestags-Mandat - "aus gesundheitlichen Gründen". Die Staatsanwaltschaft Hannover wirkt überrascht, ehe sie durchstartet: Sie durchsucht Büros und Wohnungen von Edathy. Dieser meldet wenig später den Diebstahl seines Laptops. Der NDR berichtet überdies erstmals vom Vorwurf, wonach Edathy Material habe, das unbekleidete Jungen zeige.

  • Februar 2014
    Hans-Peter Friedrich | Bild: picture-alliance/dpa

    Hans-Peter Friedrich

    Februar 2014

    Friedrich im Visier

    Oppermann, inzwischen SPD-Fraktionschef, geht in die Offensive. Er sagt: SPD-Chef Gabriel habe im Oktober durch Innenminister Friedrich von den internationalen Ermittlungen erfahren. Die Berliner Staatsanwaltschaft leitet sogleich Vorermittlungen gegen Friedrich ein - wegen "möglicher illegaler Informationsweitergabe aus der Bundesregierung". Und es wird bekannt, dass bei den beschlagnahmten PCs von Edathy Daten gelöscht und beschädigt wurden.

  • Februar 2014

    Februar 2014

    Friedrich tritt zurück

    Die Opposition fordert den Rücktritt von Agrarminister Friedrich - wegen Starfvereitelung im Amt als Innenminister. Die Staatsanwaltschaften erwägen Ermittlungen. Friedrich tritt zurück. Jörg Fröhlich von der Staatsanwaltschaft Hannover äußert sich "fassungslos" über die Weitergabe der Informationen und über die Informationspolitik der Regierung.

  • Februar 2014
    SPD-Chef Gabriel | Bild: picture-alliance/dpa

    SPD-Chef Simar Gabriel

    Februar 2014

    SPD in Bedrängnis

    SPD-Chef Gabriel sieht kein Fehlverhalten seiner Partei - und dennoch geraten die Sozialdemokraten in die Kritik. Vor allem die CSU attackiert. Sie ist sauer, dass "ihr" Minister Friedrich das einzige politische "Opfer" der Affäre ist. Hinzu kommt: SPD-Fraktionschef Oppermann rudert zurück. Er sagt nun, dass BKA-Chef Ziercke in dem Telefonat mit ihm die Informationen nicht kommentiert habe. Gabriel stellt sich dennoch hinter Oppermann.

  • Februar 2014

    Februar 2014

    Koalition in der Krise

    Die Koalition ist in der Krise - und CSU-Chef Seehofer versucht zu beruhigen: Er sieht keine Gefahr für Schwarz-Rot, spricht aber von einem "massiv gestörten Vertrauensverhältnis". Die Merkwürdigkeiten reissen derweil nicht ab: laut dem niedersächsichen Innenminister Heiner Bartling, ebenfalls SPD, wurde auch Edathy selbst über die Verdächtigungen der Staatsanwaltschaft informiert. Edathy bestreitet das.

  • Februar 2014
    Bundespolizei | Bild: picture-alliance/dpa

    Februar 2014

    Wo ist der Laptop?

    Edathys Laptop ist weg. Nach Angaben des SPD-Politikers kam er während einer Bahnfahrt von Hannover nach Amsterdam abhanden. Seltsam: Edathy meldete dem Bundestag den Diebstahl erst zwei Wochen später. Und die Staatsanwaltschaft Hannover wurde gar nicht darüber informiert. Die Bundespolizei lässt nach dem Laptop suchen - ohne Erfolg bisher.

  • Februar 2014
    BKA in Wiesbaden | Bild: picture-alliance/dpa

    BKA-Gebäude in Wiesbaden

    Februar 2014

    Ermittler in der Kritik

    Nicht nur die SPD ist in der Kritik - auch das Verhalten der Staatsanwaltschaft wirft Fragen auf. So soll sie vor der Razzia im Haus Edathys Verdachtshinweise nicht ausreichend geprüft haben. Und auch das Bundeskriminalamt muss sich rechtfertigen: Politiker bezweifeln, dass das BKA bei der Auswertung von Daten eines Kinderpornohändlers nicht über Edathys Name gestoßen sei. BKA-Chef Ziercke spricht von absurden Unterstellungen und verweist auf die Masse der zu analysierenden Daten.

  • Februar 2014
    Edathy | Bild: picture-alliance/dpa

    Sebastian Edathy

    Februar 2014

    Morddrohungen gegen Edathy

    Die SPD lässt den einstigen Hoffnungsträger Edathy fallen und leitet ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn ein. Edathy selbst meldet sich aus dem Ausland, vermutlich aus Dänemark. Er habe zahlreiche Morddrohungen erhalten und könne deshalb zunächst nicht nach Deutschland zurück.

  • März 2014

    März 2014

    Ziercke in Erklärungsnot

    Bundeskriminalamt-Chef Ziercke hat ein neues Problem. Zwar sind sich alle weitestgehend einig, dass er im Telefonat mit SPD-Mann Oppermann keine Informationen zum Fall Edathy herausgab. Doch nun wird bekannt, dass auf der Liste des Kinderporno-Anbieters aus Kanada nicht nur Edathys Name stand, sondern auch der eines BKA-Spitzenbeamten. Und dass letzterer viel früher vom BKA entdeckt wurde...

  • Juli 2014
    Eva Högl | Bild: picture-alliance/dpa

    SPD-Politikerin Eva Högl

    Juli 2014

    Aufarbeitung beginnt

    Ein Bundestagsuntersuchungs-Ausschuss soll Licht ins Dunkel bringen, den Vorsitz übernimmt die SPD-Frau Eva Högl. Später im Juli erhebt die Staatsnanwaltschaft Hannover Anklage gegen Edathy wegen Besitz von Kinderpornographie; das Landgericht Verden lässt die Anklage zu. Gegen den früheren Agrarminister Friedrich (CSU) hatte bereits zuvor die Berliner Staatsanwaltschaft Ermittlungen begonnen.

  • Dezember 2014
    SPD-Politiker Hartmann | Bild: picture-alliance/dpa

    SPD-Politiker Michael Hartmann

    Dezember 2014

    War er der Informant?

    Monatelang war es ruhig um Edathy - jetzt meldet er sich zu Wort. Er erklärt, dass ihn Parteifreund Michael Hartmann über die BKA-Ermittlungen informiert habe. BKA und Hartmann dementieren. Kurios: Vier Tage später wird bekannt, dass im März Hartmanns abhörsicheres Krypto-Diensthandy gestohlen worden sein soll.

  • Dezember 2014

    Dezember 2014

    Edathy ist zurück

    Edathy geht erstmals wieder an die Öffentlichkeit: Er muss sich im U-Ausschuss äußern, und erklärt sich davor in der Bundespressekonferenz. Dabei belastet er erneut Parteifreund Hartmann und Ziercke, nicht aber die SPD-Spitze. Hartmann widerspricht tags darauf, gibt aber bei seiner Befragung im Untersuchungsausschuss kein gutes Bild ab.

  • Januar 2015

    Januar 2015

    Die SPD mauert

    Die SPD-Spitze um Fraktionschef Oppermann bleibt in der Schusslinie: Die Grünen fordern, dass die Spitze der Sozialdemokraten ihren SMS- und Mail-Verkehr mit Edathy offenlegen solle. Das geschieht nicht. Auch ein Befragungsmarathon im Untersuchungsausschuss bringt keine Klarheit. Doch Edathy zufolge sollen viel mehr SPD-Mitglieder als gedacht von den Ermittlungen gewusst haben. Im U-Ausschuss sollen nun neue Zeugen befragt werden, darunter viele Sozialdemokraten.

  • Februar 2015
    Blick durch Glasscheibe, darauf der Schriftzug "Anhörungssaal" | Bild: Bayerischer Rundfunk

    Februar 2015

    Das große Schweigen

    Der unter Druck geratene SPD-Abgeordnete Michael Hartmann sorgt im Ausschuss für einen Eklat. Überraschend verweigert er die Aussage auf die Frage, ob er im Dezember gelogen hatte. Würde er sich sonst selbst belasten? Edathy hatte Hartmann als Tippgeber genannt, zahlreiche Zeugen hatten diese Version bestätigt.

  • Februar 2015
    Demonstranten vor Gericht | Bild: picture-alliance/dpa

    Protest vor Landgericht Verden

    Februar 2015

    Der Prozess beginnt

    Großer Medienrummel im niedersächsischen Verden: Dort beginnt der Prozess gegen Edathy - und damit die juristische Aufarbeitung der Edathy-Affäre. Einige Demonstranten fordern vor dem Gericht, den Skandal endlich lückenlos aufzuarbeiten.


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Francesco, Sonntag, 08.Februar 2015, 09:32 Uhr

1. Warum wird vertuscht....?

Ich bin mal gespannt, wann man endlich mal an den "lieben Herrn Oppermann" ran geht. Natürlich weiß ich auch, dass dies "politisch nicht gewollt ist". Aber, liebe Politiker, wann kapiert ihr endlich, dass ein großer Teil von PAGIDA und Nichtwählern Menschen sind, die diese Art von Politik unendlich ankotzt. Da nützt auch alles Schönreden nichts. Ihr tragt die Verantwortung dafür, dass die Protest-Schar immer größer wird !!!