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Syrien und Kalter Krieg Russland lässt den Westen rätseln

Mit seiner Äußerung zum "neuen kalten Krieg" hat Russlands Außenminister Lawrow für Wirbel gesorgt. Aber auch bei Russlands Haltung zum Syrien-Konflikt bleibt fraglich: Will Russland kooperieren oder drohen? Von Kai Küstner

Von: Kai Küstner

Stand: 14.02.2016 07:24 Uhr | Archiv

Sergej Lawrow und John Kerry | Bild: picture-alliance/dpa

Gibt es eine ernsthafte Chance, die Waffen in Syrien wirklich zum Schweigen zu bringen? Das ist die bange Frage, die alle Teilnehmer der Münchner Sicherheits-Konferenz von der ersten Sekunde an umtrieb. Irgendwann wurde es dem Gastgeber, Wolfgang Ischinger, zu bunt. Er wollte es genau wissen: "Wie hoch ist denn nun die Wahrscheinlichkeit einer Feuerpause?", so seine Frage. "51 Prozent" bekam er vom deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Antwort.

"Traurige Gedankengänge"

Dessen russischer Amtskollege Sergej Lawrow drückte die Prognose unter die 50-Prozent-Marke und legte sich auf "49" fest. Bevor er sich zu der Zahl durchrang, hatte Lawrow aber noch einmal ausführlich seine Sicht der Dinge im Syrien-Konflikt ausgebreitet. Was den britischen Außenminister Philip Hammond zu einer doch deutlich pessimistischeren Vorhersage verleitete.

"Ich spreche kein Russisch, aber das hörte sich an wie: eher gegen Null."

Philip Hammond, britischer Außenminister

Vielleicht war es die Klage Lawrows, dass niemand von der US-Koalition verlange, ihre Luftangriffe in Syrien einzustellen, von Russland aber sehr wohl, die Hammonds Optimismus deutlich dämpfte.

"Bei dieser Diskussion um die Feuerpause scheint es letztlich das Ziel zu sein, die russischen Luftangriffe zu stoppen. Das lässt bei mir ernste Zweifel aufkommen. Und ist der Grund für traurige Gedankengänge darüber, was aus der Münchner Vereinbarung wird."

Sergej Lawrow, russischer Außenminister

Der "neue Kalte Krieg"

Russland behauptet: Wir bekämpfen die Terror-Gruppen vom 'Islamischen Staat'. Der Westen klagt: das passiere noch nicht mal halbherzig.

"Bis heute zielt die Mehrzahl der russischen Angriffe auf legitime Oppostions-Gruppen, die Machthaber Assad bekämpfen."

John Kerry, amerikanischer Außenminister

So US-Außenminister Kerry. Ob den Worten von Münschen – mit der dort getroffenen Vereinbarung über ein baldiges Schweigen der Waffen – bald Taten in Syrien folgen, dürfte tatsächlich entscheidend von Russland abhängen. Wird die Opposition weiter bekämpft, dürfte sie sich kaum an den Verhandlungstisch bewegen lassen, so die Sorge. Da Russland aber so eine entscheidende Rolle spielt, wird jedes Wort aus Moskau derzeit auf die sprichwörtliche Goldwaage gelegt – und auf Hinweise abgeklopft. So auch dieses vom russischen Premierminister Medwedew: "Wir bewegen uns schnell auf einen neuen Kalten Krieg zu." So die offizielle Übersetzung jenes Satzes, der die Gemüter in München zu bewegen vermochte wie kaum ein anderer. Angesichts dessen der deutsche Außenminister Steinmeier aber davor warnte, in Panik zu verfallen.

"Wir erleben das fast in jedem Jahr, dass hier in München der Kalte Krieg herbeigeredet werden soll. Der ist nicht da."

Frank-Walter Steinmeier, deutscher Außenminister

Die Anderen sind Schuld

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So Steinmeier im Interview mit den ARD-Tagesthemen. Jenseits der intensiven Diskussion darüber, was genau Medwedew mit seinem Satz vom Kalten Krieg  nun bezweckt haben könnte – wer für die düstere Lage verantwortlich ist, steht aus Moskaus Sicht selbstverständlich fest: die Anderen. Die EU, die NATO, der Westen.

Vielleicht hat es sogar Methode, dass sich viele russische Aussagen auf zwei Arten lesen lassen. "Brauchen wir erst einen Dritten Welt-Schock, bis wir verstehen, dass wir zusammenarbeiten müssen?" Dieses Medwedew-Zitat kann man als Aufforderung zum Gespräch oder als unverhohlene Drohung auffassen. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass es weniger Worte sind als Taten, die letztlich darüber entscheiden, wie sich die Dinge entwickeln. Und das gilt sowohl für den Syrien-Konflikt als auch für die Ost-West-Beziehungen.


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