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Aus Isny nach Flawil In die Schweiz zum "Sattessen" nach dem Krieg

Not, Hunger, Elend - so ging es vielen Menschen nach Kriegsende. Erbarmen zeigte die Gemeinde Flawil im Kanton St. Gallen: Vor fast genau 70 Jahren durften 350 Kinder aus Isny für einen Tag in die Schweiz kommen, um sich zu erholen und einmal so richtig satt zu essen. Von Rupert Waldmüller

Stand: 21.09.2017 | Archiv

Isny erinnert sich an einen besonderen Tag in der Nachkriegszeit. | Bild: Staatsarchiv St. Gallen

Frühmorgens ging es für die 350 Kinder aus Isny los an diesem 26. Oktober 1947 - erst auf der Ladefläche eines Holzvergasers, dann mit dem Schiff über den Bodensee und schließlich mit dem Zug weiter nach Flawil. Ausgehungert, unter den Nachwehen des Krieges leidend kamen sie in die Schweiz, um sich mal richtig satt zu essen. Werner Beutelspacher, damals 12 Jahre alt, landete bei einer Gastfamilie auf einem Bauernhof mit Schweinezucht:

"Da hat es ein wunderbares Mittagessen gegeben. Anschließend ist man zum Einkaufen gegangen. Da bin ich neu eingekleidet worden. Und ganz besonders möchte ich bemerken, dass ich da die erste Banane gegessen habe in meinem Leben."

Werner Beutelspacher

Auch Gerda Porzelius war damals unter den Kindern. Und tief beeindruckt, dass man dort in der Schweiz alles kaufen konnte:

"Ein Erlebnis, das man auch heute - nach 70 Jahren - nicht vergessen hat. Ich weiß, ich habe ein Paar Strümpfe gekriegt. Das waren meine ersten dünneren Strümpfe. Und ein schönes Kleidle. Ja, es war wie Weihnachten und Ostern an einem Tag."

Gerda Porzelius

Werner Beutelspacher und Gerda Porzelius waren als Kinder vor 70 Jahren mit dabei bei der sogenannten Grenzlandhilfe.


Satt essen, einkaufen gehen und dann gab es sogar noch Lebensmittelpakete-Pakete: Zwei Persil-Schachteln randvoll mit Essbarem, Kaffee und allem möglichen, was es in Deutschland damals nicht gab, bekam Werner Beutelspacher von seiner Gastfamilie mit nach Hause.

Bis heute in partnerschaftlicher Verbundenheit

Die Bewohner von Isny stellen die Jubiläumsfahrt nach.

Noch immer sind die Isnyer den Schweizer Nachbarn dankbar. Der Kontakt ist eng, seit 20 Jahren ist Flawil Partnerstadt von Isny. Zum 70-jährigen Jubiläum wiederholt der Partnerschaftsverein um den Vorsitzenden Jan Rübsam die Fahrt und schickt 55 Isnyer Kinder am Samstag nach Flawil. Denn immer noch ist die Erinnerung lebendig an diesen denkwürdigen Tag.

"Es waren ja 'nur' ein paar Stunden in der Schweiz und die sind den Menschen so in Gedächtnis geblieben. Diese Überraschung, dieses Herzliche, dieses Aufgenommensein – das macht das Ganze, glaube ich, so besonders."

Jan Rübsam, Vorsitzender Partnerschaftsverein


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