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Zweite Stammstrecke in München Experte bezweifelt den Nutzen

Die zweite Münchner Stammstrecke kostet Milliarden - die Kosten sind aber aus Sicht von Verkehrsminister Joachim Herrmann gut zu schultern. Experten bezweifeln aber den Nutzen des Prestigeprojekts.

Von: Peter Kveton

Stand: 26.10.2016

Fahrgäste warten auf die S-Bahn | Bild: picture-alliance/dpa

Im Münchner Umland bei den Landräten hat die Finanzierungsvereinbarung für die 2. S-Bahn-Stammstrecke für gute Laune gesorgt – insbesondere beim Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß, Sprecher der im Münchner Verkehrsverbund vertretenen Landkreise.

"Wir brauchen die zweite Stammstrecke. Sie ist der Kern aller weiteren Infrastruktur-Maßnahmen. Die zweite Stammstrecke ist nicht alles, aber ohne sie bringen die anderen Maßnahmen nicht viel. Wir müssen die Menschen durch München durchbringen."

Robert Niedergesäß

"Jetzt das Planen anfangen"

Dass es bei der neuen Stammstrecke allein nicht bleiben wird, weiß auch Verkehrsminister Joachim Herrmann. Er kündigt an, bis Ende des Jahres ein Gesamtkonzept für die Zukunft des S-Bahn-Systems München vorzulegen:

Joachim Herrmann

"Es geht um Dinge für die nächsten fünf bis zehn Jahre – aber auch um Zukunftsperspektiven. Wenn ich z.B. an den Nordring denke, das ist alles nicht allternativ zur zweiten Stammstrecke, sondern das brauchen wir zusätzlich. Wir müssen jetzt das Denken und Planen anfangen, damit in zehn oder 15 Jahren wieder andere Dinge gebaut werden können."

Joachim Herrmann

Allerdings kostet auch das Geld – und der Freistaat muss schon bei der 2. Stammstrecke für den Bund einspringen und einen Großteil selbst vorfinanzieren. Der Bund stottert dann in den kommenden bis zu 30 Jahren ab. Wo dann noch Geld für andere Projekte herkommen soll, ist auch dem SPD-Verkehrsexperten Bernhard Roos unklar:

"Bayern ist groß und Geld ist endlich. Und wenn der Freistaat 1,5 Milliarden Euro vorfinanziert, fehlen die an anderer Stelle."

Bernhard Roos

Michael Piazolo von den Freien Wählern ist ein erklärter Skeptiker, was die 2. Stammstrecke angeht:

Michael Piazolo

"Warten wir einfach mal ab, ob diese Ankündigung mehr ist als die Letzte. Es ist noch nicht klar, wie die Finanzierung im Einzelnen letztlich ausschaut. Zum Zweiten muss man prüfen, ist überhaupt noch ein Kosten-Nutzen-Faktor von über eins gegeben. Da hab ich jetzt von der Staatsregierung und vom Minister noch nichts gehört."

Michael Piazolo

"Nutzen für die Verkehrsentwicklung sehr fraglich"

Die letzte Nutzen-Kosten-Analyse ist schon einige Jahre her – und die lag mit 1,04 nur knapp über der Mindesthürde. Nach einer Kostensteigerung um ein Drittel innerhalb von nur wenigen Jahren ist Piazolo nun auf die Neuberechnung gespannt:

"Also wenn es ein Kosten-Nutzen-Faktor von unter eins ist, dann darf die Stammstrecke nicht auf Staatskosten gebaut werden. Da wird man sicherlich auch nochmal vom Minister hören, wie der Faktor ist, denn er hat versprochen, das nochmal in Auftrag zu geben und nachzurechnen."

Michael Piazolo

Professor Heiner Monheim ist Verkehrswissenschaftler – er weiß, wie entsprechende Faktoren im Zweifelsfall zurecht gerechnet werden können. Er hat da wenig Vertrauen in die Politik, sagte er dem BR in der Radiowelt am Mittag:

"Betonpolitik ist in diesem Land sehr en vogue, Stuttgart 21 ist auch so ein Projekt, wo viel Beton versenkt wird, wo die Tunnelbauer viel Geld verdienen, der Nutzen für die Verkehrsentwicklung aber sehr fraglich ist. Und so wird das in München auch sein."

Heiner Monheim  

Trotz der Finanzierungsvereinbarung bleiben bei der 2. S-Bahn-Stammstrecke noch viele Fragezeichen.  


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