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Entscheidung zum Riedberger Horn Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Kurz vor der Sommerpause packt das bayerische Kabinett ein heißes Eisen an: Die umstrittene Skischaukel am Riedberger Horn. Es geht um wirtschaftliche Interessen, den Naturschutz - und um die Glaubwürdigkeit der Politik. Eine Einschätzung.

Von: Nikolaus Neumaier

Stand: 18.07.2016

Ein Wintersportler fährt am Riedbergpass die Piste hinab.  | Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Am Dienstag will das bayerische Kabinett über eine neue Skischaukel am Riedberger Horn im Allgäu und damit über eine Verbindung zwischen zwei Skigebieten entscheiden. Allein schon das ist bemerkenswert. Eigentlich dürfte nämlich gar nicht abgestimmt werden. Ein Teil des Gebietes, das zu einer Skischaukel ausgebaut werden soll, ist nämlich strengstens geschützt. Das Areal liegt in der sogenannten Zone C. Laut bayerischem Alpenplan dürfen in dieser Zone aber keine Seilbahnen und keine Abfahrten gebaut werden.

Naturschutz als Vorgabe

Die Gebiete müssen auf Grund ihrer hohen Schutzbedürftigkeit ungeschmälert erhalten werden. Genau so steht´s im Dokument. Nun ist dieser Alpenplan kein x-beliebiges Regelwerk. Der Plan wurde 1972 beschlossen und 2008 mit der Unterschrift von Ministerpräsident Horst Seehofer bestätigt. Die CSU war bisher immer stolz darauf. Der Deutsche Alpenverein lobte den Alpenplan als einmaliges landesplanerisches Instrument, das seit seinem Bestehen einen großen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung geleistet habe. Die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf sieht das genauso. Doch jetzt soll der Plan erstmals aufgeweicht werden. Gegen den erklärten Willen der Umweltministerin und eigentlich auch gegen geltendes Recht. Mit einem Zielabweichungsverfahren wollen die Bürgermeister der betroffenen Orte und die örtlichen CSU-Abgeordneten in die Schutzzone C eingreifen. Wegen kommerzieller Interessen soll zerstört werden, worauf viele mit Recht stolz sind. Dabei ist das von den Liftbetreibern begehrte Riedberger Horn nicht mal ein besonders toller Pisten-Skiberg. Mit seinem nur 1787 Meter hohen Gipfel kann der Berg nicht mit den wesentlich höheren Gebieten in Österreich oder der Schweiz konkurrieren.

Sanfter Tourismus als Chance?

Das Riedberger Horn ist ein klassischer Skitourenberg. Genau darin liegt auch die Chance. Der Trend zum Skitourengehen ist ungebrochen und Regionen, die sich darauf einstellen, können auch gutes Geld damit verdienen. Touren-Skifahrer oder Schneeschuhwanderer sind keine armen Schlucker, sondern schätzen gemütliche und komfortable Übernachtungsmöglichkeiten, hochwertige Gastronomie oder Wellness. Man muss sich nur darauf einstellen wollen. In Österreich macht man bereits vor, wie es geht. Etliche Gebirgsorte haben sich auf sanften Tourismus spezialisiert und bieten zum Beispiel als "Bergsteigerdörfer" unzerstörte Natur, touristische Qualität und besonderen Flair an. Die gleiche CSU, aus deren Reihen heraus jetzt das Schutzgebiet am Riedberger Horn zerstört werden soll, schreibt gerade in einem Konzeptpapier zur wirtschaftlichen Entwicklung des Alpenraums, dass der Alpenplan auch künftig die Leitlinie bleibt und dass man das Konzept der Bergsteigerdörfer auch in Bayern angehen will.

Nun aber hat der Ministerpräsident angekündigt, die betroffene Bevölkerung zu befragen. Getrieben vom Finanzminister und dem aus dem Allgäu stammenden CSU-Fraktionschef simuliert Seehofer Bürgerfreundlichkeit. Die Bürger sollen ihre Meinung abgeben, weil sich der Regierungschef nicht traut. Das aber ist falsch verstandene Bürgerbeteiligung. Hier geht es nicht um lokale, sondern um übergeordnete, landesweite Interessen. Die Entscheidung im Kabinett ist also eigentlich überflüssig, doch wenn schon entschieden werden muss, kann der Ministerrat die Skischaukelpläne nur ablehnen. Alles andere würde die Glaubwürdigkeit massiv untergraben.


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Ocist, Dienstag, 19.Juli 2016, 01:03 Uhr

6. Humbug

Ist doch alles ganz einfach.
Der MP macht einen tollen Vorschlag, der suggeriert, daß man bestehende Schutzregelungen doch aushebeln kann. Dann klagen die Naturschutzverbände und erhalten vor Gericht Recht.
Und so ist letzten Endes Allen gedient. Die Partei, die sich für die "ernsthaften Anliegen" einsetzte, bauen wollte, aber nicht durfte und den Naturschutzverbänden, die mit viel Kraftaufwand einen Status Quo erhalten halfen. Der Böse? Das Gericht, an dem man leider leider scheiterte.
Ist es das Wert? Das alles wegen eines Schigebiets auf dieser lächerlichen Höhenlage? Könnte der MP nicht einfach einmal VERNUNFT walten lassen anstelle des ewigen Populismus?

Helmut vollman, Montag, 18.Juli 2016, 14:21 Uhr

5. Skischaukel Riedberger Horn?

Wozu gibt es die ganzen Schutzkategorien, wenn sie mit einem "Bauerntrick" überlistet werden könnten? Sie sin dann wenn`s ernst wird nur Alibipapiere!

Lotti, Montag, 18.Juli 2016, 09:07 Uhr

4. Offener Brief an die CSU

Hallo CSU,

hier ist Ihr Koalitionspartner, das Volk (naja, nur eine davon :-).

Der Lösungsansatz, den Ihr Finanzminister und Ihr Ministerpräsident am Riedberger Horn vorhaben, ist ein Kuhhandel orientalischer Prägung. Sind wir auf einem Basar in Bagdad? Das Ganze ist naturschutzrechtlich, aber auch verkehrssicherungstechnisch Wahnsinn!

Wie kann man einen Nachbarberg, der de facto bereits eine Schutzwirkung auf seltene Arten hat, als Ersatz für die Zerstörung eines anderen Schutzgebiets ersten Ranges anbieten?

Merke: Einen Gefangenenaustausch kann nur anbieten, wer Gefangene hat. Das Riedberger Horn und sein Nachbargipfel sind aber frei! Und sie bleiben es auch.
Im Falle einer völlig abgedrehten Entscheidung Ihrerseits werden darauf folgende Gerichtsverfahren Ihnen eine schmerzvolle Niederlage bereiten.

Also lassens den Schmarrn.

Viele Grüße,
Andreas Walthes

Bernhard, Sonntag, 17.Juli 2016, 18:35 Uhr

3. Das ist wie mit den Bebauungsplänen,

es gibt immer einen Grund, die Pläne über den Haufen zu werfen.
Nun versucht man das als Willen der Bevölkerung zu verkaufen, in Wirklichkeit hat man Angst um Wahlstimmen.
Das ist Politik nach Lust und Laune, aber keine Weitsicht.

  • Antwort von Birkhuhn & Alpenrose, Sonntag, 17.Juli, 22:54 Uhr

    War von Drehhofer und Söder ja auch nicht anders zu erwarten.

  • Antwort von focus, Montag, 18.Juli, 14:57 Uhr

    Zustimmung zur Antwort Birkhuhn
    Gut daß Sie den Söder ins Gespräch bringen. Der ist ja u.a. Heimatminister. Und wenn die Verantwortung für Natur und Naturschutz nicht zum Erhalt der Heimat gehören, dann stimmt was nicht. Aber das Riedberger Horn geht ja nicht wählen.

Birkhuhn & Alpenrose, Sonntag, 17.Juli 2016, 11:54 Uhr

2.

Soweit d'accord. "Hier geht es nicht um lokale, sondern um übergeordnete, landesweite Interessen." Ich würde noch weiter gehen und alpenweite Interessen unterstellen (Stichwort: Alpenkonvention der 8 Apenanrainerstaaten). Grüße