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Trauer um Münchens Alt-OB Kronawitter Kämpfer für die kleinen Leute

Aufrecht, unbeirrbar, stur - so haben Weggefährten den Menschen und SPD-Politiker Georg Kronawitter beschrieben. Er selbst wollte vor allem immer eines sein: ein Kämpfer für die kleinen Leute. Am 28. April ist ist der ehemalige Münchner Oberbürgermeister im Alter von 88 Jahren verstorben.

Von: Hedwig Thomalla und Stefan Trinkl

Stand: 29.04.2016 | Archiv

Georg Kronawitter  | Bild: picture-alliance/dpa

Kronawitter kam aus einfachen Verhältnissen. Der 1928 geborene Bauernsohn aus Oberthann bei Pfaffenhofen absolvierte zunächst eine Bäckerlehre, machte erst auf dem zweiten Bildungsweg Abitur und studierte. Seine Herkunft, so erzählte Kronawitter kurz vor seinem 80. Geburtstag, habe er nie vergessen:

"Und ich finde, dass das eine Grundvoraussetzung für jeden Politiker ist. Politiker, die aus kleinen Verhältnissen kommen und dann aufs hohe Ross sich setzen, die haben auch meistens keinen Erfolg. Ich bin so geblieben und die Leute haben mir das auch abgenommen."

Georg Kronawitter

15 Jahre Münchner OB

Der junge Kronawitter (undatierte Aufnahme)

Kronawitter war immer beliebt bei den Münchenern. 15 Jahre lang war er insgesamt Oberbürgermeister, bis er 1993 Platz machte für seinen Nachfolger Christian Ude. Zum ersten Mal gewählt worden war Kronawitter 1972 - damals mehr oder weniger von seinem Vorgänger Hans-Jochen Vogel zur Kandidatur verdonnert.

Kronawitter und Vogel 1976 auf dem Oktoberfest

"Ich war baff, wie man so schön sagt. Und habe gesagt: Ist das denn Dein Ernst?"

Georg Kronawitter

Reaktionen auf den Tod von Georg Kronawitter

Dieter Reiter (SPD - Amtierender Münchner OB)

München hat Kronawitter viel zu verdanken, er hat viel für München getan, und ich glaube, das wissen die Münchnerinnen und Münchner auch. Er war unglaublich beliebt, und hat sich bis zu seinem Tod immer eingesetzt für die Münchner Belange. Wir werden ihn nie vergessen und ihm immer ein ehrendes Anerkennen bewahren.

Christian Ude (SPD - Nachfolger Kronawitters als OB)

Kronawitter war ein Anwalt der unteren Einkommensgruppen, er hatte ökologisches Gespür und hat auch das Bündnis mit den Grünen ermöglicht. Er ist immer für soziale Gerechtigkeit eingetreten, auch noch im Ruhestand,  woran sich viele Amtsinhaber der SPD ein Beispiel nehmen könnten.

Josef Schmid (CSU - Zweiter Bürgermeister Münchens)

Georg Kronawitter war ein großer Münchner Oberbürgermeister. Er hat den Charakter Münchens als erfolgreiche und gleichzeitig liebenswerte Stadt maßgeblich mitgeprägt. Meine Gedanken sind bei seinen Angehörigen.

Horst Seehofer (CSU - Bayerischer Ministerpräsident)

Georg Kronawitter war ein herausragender Kommunalpolitiker mit Rückgrat und einem Herz für die kleinen Leute. In seinen vielen Jahren als Oberbürgermeister von München hat er die Stadt leidenschaftlich gestaltet und engagiert die Weichen für ihre Zukunft gestellt. Georg Kronawitter war Wegbereiter und stand auch selbst wie kaum ein anderer für das, was München ausmacht: gelebte Weltstadt mit bayerischem Charme. Der Familie und den Angehörigen von Georg Kronawitter spreche ich meine tief empfundene Anteilnahme aus. Als Ministerpräsident Bayerns sage ich ihm für seine Verdienste um die Landeshauptstadt München meinen Dank und Respekt.

Hans-Jochen Vogel (SPD - Kronawitters Vorgänger als OB)

Gerechtigkeit und Solidarität waren für ihn ganz wichtig, und er war in der Lage mit "normalen" Menschen sofort ins Gespräch zu kommen. Er hat sich ihrer Sorgen angenommen und sich um sie gekümmert... Als ich ihn zuletzt gesehen habe, bei meinem 90. Geburtstag, war er schon in sehr besorgniserregender Verfassung.

Ludwig Spaenle (Münchner CSU-Vorsitzender)

Georg Kronawitter war eine prägende Persönlichkeit Münchens. Er hat sich weit über die Parteigrenzen hinaus Anerkennung und Respekt erworben. Unser Mitgefühl gilt seiner Gattin und seiner Familie.

Florian Pronold (SPD-Landesvorsitzender)

Die SPD verliert einen herausragenden Kommunalpolitiker. Der Schutz der Mieterinnen und Mieter war ihm wichtig, getreu seinem Motto: 'Die Menschlichkeit kommt vor der Rendite'. In seinen 15 Amtsjahren wurden in München 127.000 Wohnungen gebaut. Auch für die Neue Messe in Riem stellte er die Weichen. Bis zuletzt engagierte sich Georg Kronawitter, vor allem für soziale Gerechtigkeit. Der 'Bürgeranwalt' wird uns fehlen!

Barbara Stamm (CSU, Landtagspräsidentin)

Wir trauern um einen engagierten Parlamentarier und Kommunalpolitiker, der die Geschicke unserer Landeshauptstadt nachhaltig geprägt hat. Persönlich habe ich immer seinen Einsatz für die Schwächeren in unserer Gesellschaft sehr geschätzt. In Gedanken sind wir bei seiner Ehefrau und seinen Angehörigen und hoffen auf Trost in dieser Zeit der Trauer.

Kronawitter war zu jenem Zeitpunkt Agrarexperte der SPD im Landtag und träumte eigentlich davon, bayerischer Landwirtschaftsminister zu werden. Obwohl er für seinen Wahlkampf nur wenig Zeit hatte, wurde Kronawitter mit rund 60 Prozent der Stimmen zum OB gewählt. Sofort legte er sich mit den wichtigen Bauträgern der Stadt an, als es darum ging, ob der Westpark in München bebaut werden soll.

Kronawitters Einsatz fürs Grüne in der Stadt: Westpark

"Ich bin raus, habe mir's angeschaut und habe gesagt: Ja, hier ist Grünfläche in diesem großen alten bebauten Bereich für die Leute wichtiger als Wohnungen und Büros. Die können wir wieder woanders machen. Hier muss ein Park entstehen. Und ich habe mich durchgesetzt gegen heftigen Widerstand."

Georg Kronawitter

Gegenwind aus der eigenen Partei

Widerstand schlug Kronawitter bald auch aus der eigenen Partei entgegen. Die Vorwürfe: Er sei zu rechts, zu konservativ, zu altbacken. 1976 erklärte der Parteivorstand dem OB, er sei in der SPD nicht mehr mehrheitsfähig. 1978 trat Kronawitter deshalb nicht mehr zur Wahl an. OB wurde erstmals ein CSU-Mann:

"Nach knapp sechs Jahren Amtszeit übergebe ich heute mit der goldenen Kette auch die Verantwortung für München an den, von unseren Bürgern gewählten Nachfolger, Oberbürgermeister Erich Kiesl."

Georg Kronawitter

Viel Wohnungsbau, wenig Arbeitslosigkeit

Gebaut während Kronawitters Amtszeit: Kulturzentrum Gasteig

1984 holte sich Kronawitter diese Verantwortung zurück. Diesmal hatte er die SPD hinter sich. In seiner Amtszeit baute er die Messe, das Kulturzentrum Gasteig und verhinderte den Abriss der Seidl-Villa. Die Zahl der neugebauten Wohnungen stieg auf Rekordhöhen, die Arbeitslosigkeit fiel auf Rekordtiefstwerte. All diese politischen Erfolge erreichte Kronawitter trotz zum Teil erschwerter Bedingungen im Stadtrat. 1984 hatte die SPD-Fraktion keine Mehrheit mehr. Kronawitter musste mit der CSU zusammenarbeiten.

"Wer da nicht den politischen Instinkt hat, wie man mit Mehrheiten des Gegners umgeht, der tut sich schwer."

Georg Kronawitter

Pro Ude ...

1993: OB Kronawitter überreicht seinem Nachfolger Ude die Bürgermeisterkette.

1990 schließlich hob Kronawitter das rot-grüne Bündnis aus der Taufe und bestimmte Ude zum Bürgermeister. Drei Jahre später trat Kronawitter als OB zurück. Ude wurde sein Nachfolger. Für Kronawitter war damit seine politische Arbeit aber noch nicht vorbei. Per Direktmandat zog er für vier Jahre in den bayerischen Landtag ein. Dort kämpfte er vor allem für mehr Steuergerechtigkeit.

"Ich glaube, dass es mir in den vier Jahren immer wieder gelungen ist, Bewusstsein dafür zu wecken, dass die Steuer ungerecht verteilt wird, dass die Großen immer wieder die Möglichkeit haben, Abschreibungen zu machen, und die Arbeitnehmer diejenigen sind, denen der letzte Pfennig herausgeholt wird, durch den Lohnzettel."

Georg Kronawitter

... contra Ude

In die Lokalpolitik mischte sich Kronawitter nach seinem Rücktritt nur noch einmal ein: mit seinem Bürgerentscheid gegen Hochhäuser in München. Seinem Nachfolger Ude fügte er damit die größte Niederlage in dessen Amtszeit zu. Danach zog sich Kronawitter ins Private zurück. Für die Münchner SPD blieb er aber bis zuletzt eine Unterstützung - etwa im Wahlkampf 2014, in dem er Udes OB-Nachfolger Dieter Reiter zur Seite stand.


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Maria, Sonntag, 01.Mai 2016, 19:29 Uhr

15. Georg Kronawitter

Traurig.
Ein so großartiger Mensch und Politiker.
Leider gibt es das nicht mehr, der letzte Aufrichtige ist gestorben.
Und für die Kleinen setzt sich auch keiner mehr ein.
Seinem Nachfolger haben wir zu wenig sozialen Wohnungsbau zu verdanken, und dass er nur mehr daran interessiert war, die Reichen nach München zu holen.
Schwabing hat er erfolgreich kaputt gemacht mit einer Hamburger Immobilienfirma.
Dafür steht er jetzt auf der Bühne als "Künstler".
Die können sich aber die Mieten in München nicht leisten.

Wanda, Sonntag, 01.Mai 2016, 17:27 Uhr

14. Schorsch

- nach ihm kamen von seiner Partei nur die Salon-Sozis für Besserverdienende. Eine Schande...

Argus A., Freitag, 29.April 2016, 21:55 Uhr

13. Kronawitter war anders

Ob das wirklich sein Motto war: 'Die Menschlichkeit kommt vor der Rendite'? Vielleicht als Absicht, aber nicht als Prinzip. Das hätte keiner durchgestanden.

Ude hat das dann umgekehrt: "Rendite kommt vor Menschlichkeit", so ist zumindest mein Eindruck. Er ist der damaligen Mode gefolgt und hat die Bautätigkeit heruntergefahren. Ihm muss ja klar gewesen sein, was das in einer wachsenden Stadt bedeutete: Wohnungsmangel, Mietwucher, Preisexplosion. Dass das aus Versehen passiert ist, nehme ich ihm nicht ab. Er stand halt auf der anderen Seite.

Kronawitter habe ich sein Eintreten für den Normalbürger geglaubt. Er war in München der letzte Politiker, der diesen Eindruck noch vermitteln konnte. Er hatte nicht die ideologischen Scheuklappen der heutigen Schickimickisozis. Reiter oder Pronold würden nicht für eine Begrenzung der Zuwanderung eintreten, obwohl auch sie wissen müssen, dass das eine Menge Probleme verursacht und dass die Zeche der "kleine Mann" bezahlt.

Christa Bleau, Freitag, 29.April 2016, 20:53 Uhr

12. Georg Kronawitter

Er war einer der wenigen aufrichtigen, ehrlichen und nicht verbiegbaren Sozialdemokraten. Mit seiner Sturheit stand er aufrecht seinen Mann. Ich werde immer mit Respekt seiner gedenken.

Tommy, Freitag, 29.April 2016, 19:17 Uhr

11. Zum Tode von Georg Kronawitter

Mit Georg Kronawitter verliert die bayerische Sozialdemokratie wohl einen ihrer Größten.
Er war nicht nur Anwalt der kleinen Leute (Menschlichkeit kommt vor Rendite), sondern sanierte auch den städtischen Haushalt, lies Wohnungen bauen (keine andere dt. Stadt baute in dieser Zeit mehr Wohnungen) und siedelte Gewerbe und Handwerk an (Höchststand). Er erkannte aber auch, dass eine Stadt nicht nur aus Wohnungen und Betrieben besteht, sondern auch der Erholung dient (mehr Grün in die Stadt). Und auch dies: "Wir brauchen ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz, das die Zuwanderung abstimmt auf die Bedingungen unseres Arbeits- und Wohnungsmarktes." In seine Zeit als OB fielen u. a.: Kulturzentrum Gasteig, Trinkwasserprojekt Oberau, neue Schulzentren, Verkehrsberuhigung Viktualienmarkt.
München bedankte sich mehrfach für sein Engagement: Ehrenbürger, Goldene Bürgermedaille, Ludwig-Thoma-Medaille in Gold. Aber auch Bayern mit dem Bayerischen Verdienstorden. Requiescat in pace Schorsch.

  • Antwort von Christa , Freitag, 29.April, 20:56 Uhr

    Sehr schön gesagt, dem muss ich voll zustimmen. Als Chef habe ich ihn sehr geschätzt.