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Familiennnachzug Ringen um die richtigen Regelungen

Menschlichkeit versus Machbarkeit; Hilfe versus Überforderung - dies sind die Punkte, die derzeit in Berlin beim Thema Flüchtlingspolitik und der richtige Umgang mit dem Familiennachzug diskutiert werden. Dabei hilft der theoretischen Diskussion ein einfacher Blick in die Realität.

Von: Katja Strippel

Stand: 24.11.2015 | Archiv

Archiv: Die ersten neun Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien sind in Bayern angekommen. (24.09.2013) | Bild: picture-alliance/dpa

"Der Familiennachzug ist jetzt schon sehr eng beschränkt. Er ist beschränkt auf die Kinder und auf die Frau. Und selbst dieser Familiennachzug läuft nur sehr zögerlich."

Familienministerin Manuela Schwesig Anfang November 2015

Anfang des Monats hatten die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD beschlossen, dass Asylbewerber, für die ein subsidiärer Schutz gilt, ihre Kinder und Ehepartner zwei Jahre lang nicht nachkommen lassen dürfen. Subsidiär heißt, der Schutzstatus ist eingeschränkt. Die Flüchtlinge müssen zwar nicht sofort in ihre Heimat zurück, aber sie dürfen zunächst nur ein Jahr in Deutschland bleiben. Im überarbeiteten Referenten-Entwurf zum zweiten Asylpaket, der dem Bayerischen Rundfunk vorliegt, heißt es wörtlich:

"Der Familiennachzug zu Personen, die als international subsidiär Schutzberechtigte anerkannt sind, wird für die Dauer von zwei Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes ausgesetzt."

Referenten-Entwurf zweites Asylpaket

 Um wie viele Personen geht es genau?

Anfang Oktober kursierten Horrorzahlen von einem syrischen Flüchtling, der vier bis acht seiner Angehörigen nachholen könnte. Eine Woche später war plötzlich nur noch die Rede von drei bis vier Angehörigen.

"Die Kinderzahlen sind schon höher als bei uns mit unseren 1,4 pro Frau. Aber es sind nicht die Clans, die kommen, sondern gerade die syrischen Mittelschichtfamilien haben ähnliche Geburtenzahlen wie bei uns."

Steffen Angenendt, Migrationsforscher

Das Familienministerium hält einen Nachzugsfaktor von zwei bis drei für realistisch. Manuela Schwesig weist darauf hin, dass viele Flüchtlinge entweder keine Kinder haben oder schon mit ihren Familien nach Deutschland gekommen sind.

"Ich finde es schwierig, wenn jetzt einige mit vermeindlich einfacher Mathamtik den Eindruck erwecken, als würden übermorgen Millionen Frauen und Kinder vor der Tür stehen."

Familienministerin Manuela Schwesig

Die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt, dass ein normaler Familiennachzug im Moment kaum stattfindet. Das liegt auch daran, dass die Behörden völlig überlastet sind.

"Wir können im Augenblick wegen der hohen Zahl von Anträgen auf Asyl oder auf Genfer Flüchtingskonventionsschutz den Familiennachzug kaum bearbeiten, sondern wir müssen uns auf die konzentrieren, die jetzt zum Teil noch sehr lange warten, ehe sie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Entscheidung bekommen."

Bundeskanzlerin Angela Merkeln, Mitte des Monats im ZDF

Die Wartezeit für den Familiennachzug liegt inzwischen bei bis zu anderthalb Jahren. In Syrien ist die Nachfrage in der deutschen Botschaft und in den Konsulaten zwar hoch, aber auch da fehlt das Personal.

"Man hat Schwierigkeiten, einen Termin im Konsulat zu bekommen und ein Visum zu beantragen. Deshalb sind die Zahlen noch so gering. Die werden sicherlich ansteigen."

Steffen Angenendt, Migrationsforscher

Angenendt fordert mehr Realismus in der Debatte. Und dann erzählt er von einem Gespräch, das er vor kurzem mit einem Flüchtling geführt hat, dessen Familie noch in Syrien ist.

"Jemand, der hier in Berlin als Familienoberhaupt lebt, der wird doch wahnsinnig, wenn er bei Telefonaten hört, das Bomben auf sein Viertel fallen. Man muss eben auch sehen, dass zu einer guten Flüchtlingspolitik gehört, die Familie zu schützen - als Ganzes!"

Steffen Angenendt, Migrationsforscher

Für Angela Merkel sind die Änderungen beim Familiennachzug nur eine Maßnahme von vielen. Konkrete Obergrenzen für Flüchtlinge in Deutschland will die Kanzlerin aber ausdrücklich nicht. Die Bundesfamilienministerin warnt vor falschen Signalen.

"Wenn wir jetzt Flüchtlingen sagen, ihr könnt nur kommen, wenn die Kinder und Frauen dabei sind, dann werden sich die Kinder und Frauen auf gefährliche Fluchtwege begeben."

Familienministerin Manuela Schwesig

Schwesigs Parteichef Sigmar Gabriel ist bei einer Fraktionssitzung noch deutlicher geworden. Etwas zugespitzt soll er gesagt haben:

"Man kann es nicht so machen, dass Angela Merkel die Menschen einlädt, und die Union sagt, die Kinder müssen aber draußen bleiben."

Sigmar Gabriel, SPD-Parteivorsitzender

Eine andere Passage zum Familiennachzug ist vergangene Woche wieder aus dem Referenten-Entwurf für das neue Asylpaket gestrichen worden. Der Innenminister wollte eigentlich, dass alleinreisende Minderjährige ihre Eltern zwei Jahre lang nicht nachholen dürfen. Aber dieser Passus fehlt im überarbeiteten Entwurf, über den die Ministerien zur Zeit beraten. Wie lange diese Beratungen noch dauern werden, wollte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter gestern nicht sagen.


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