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Atomausstieg Landgericht Hannover schmettert Eon-Klage ab

Mit seiner Atomklage ist der Energiekonzern Eon gescheitert. Der Konzern forderte für die Abschaltung des Kernkraftwerks Isar 1 vom Freistaat Bayern Schadenersatz in Höhe von 154 Millionen Euro. Von Lorenz Storch

Von: Lorenz Storch

Stand: 04.07.2016

Die Atomkraftwerke (AKW) Isar 1 (l) und Isar 2 mit dem Kühlturm in der Mitte, aufgenommen am 03.05.2016 in Niederaichbach (Bayern). Eon verlangt Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe wegen der von Bayern und Niedersachsen im März 2011 angeordneten vorübergehenden Betriebseinstellung der Kernkraftwerke Isar 1 und Unterweser. Am 04.07.2016 soll vor dem Landgericht Hannover das Urteil gesprochen werden.  | Bild: dpa-Bildfunk/ Armin Weigel

Der Energiekonzern Eon hat mit seiner Atomklage gegen den Bund und zwei Länder eine Schlappe erlitten. Das Landgericht Hannover wies die Klage auf rund 382 Millionen Euro Schadenersatz ab. Das Unternehmen hatte Entschädigung dafür gefordert, dass es 2011 nach der Atomkatastrophe von Fukushima mehrere Meiler für drei Monate abschalten musste.

Anfechtungsklage versäumt

Martin Schulz, der Vorsitzende Richter, begründete die Entscheidung gegen einen Ausgleich damit, dass das Unternehmen den Stopp der Meiler mit einer sofortigen Anfechtungsklage hätte verhindern können - dies aber unterlassen habe.

"Wir prüfen die Entscheidung des Gerichts."

Eon-Sprecher

Mehrere Klagen gegen Atomausstieg

Eon hatte dem in einer Verhandlung im April unter anderem entgegengehalten, dass ein solches Verfahren länger gedauert hätte als die Zwangspause selbst. Die Klage ist Teil einer Reihe von Bemühungen deutscher Energiekonzerne, Entschädigung für finanzielle Einbußen rund um den von der Politik beschlossenen Atomausstieg vor Gericht zu erstreiten.

Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf begrüßte die Entscheidung:

"Am Atomausstieg wird nicht gerüttelt – spätestens 2022 geht der letzte Reaktor vom Netz. Ich sehe die Entscheidung als Bestätigung dieses gesamtgesellschaftlichen Konsenses."

Ulrike Scharf, CSU

Auch die Landtagsopposition begrüßt das Scheitern des Eon-Konzerns mit dessen Schadenersatzklage wegen der Abschaltung des Kernkraftwerks Isar 1. Die energiepolitische Sprecherin der Landtags-SPD, Natascha Kohnen, erklärte:

"Die verzögerte Klage von Eon hat das Gericht nicht überzeugt. Eon hätte bereits 2011 reagieren müssen. Der nachträgliche Versuch, Schadenersatz zu bekommen, sieht ganz so aus, als sollte lediglich der Steuerzahler gemolken werden."

Natascha Kohnen, SPD

Der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen, Ludwig Hartmann, kommentierte:

"Eon musste heute schmerzlich erfahren, dass Schadenersatzklagen für abgeschaltete Atomkraftwerke kein neues Geschäftsmodell sind. Der Versuch, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu melken, ist zu Recht gescheitert."

Ludwig Hartmann, Grüne

Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU), ließ eine Sprecherin mitteilen: "Die Staatsregierung hat der Klage von Anfang an gelassen entgegengesehen, weil die Rechtsposition ziemlich eindeutig war. Das ist vom Gericht jetzt bestätigt worden."

Söder war im März 2011 als bayerischer Umweltminister für das Kernkraftwerk Isar 1 zuständig. Er ist sich sicher, damals alles richtig gemacht zu haben – anders als das Land Hessen, das wegen einer fehlerhaften Stilllegungsanordnung für das Kernkraftwerk Biblis des RWE-Konzerns bereits rechtskräftig verurteilt ist. Hessen drohen nun deshalb tatsächlich hohe Schadenersatzforderungen.

Bayern: Eon hat Isar 1 freiwillig abgeschaltet

Der entscheidende Unterschied: Anders als RWE hatte Eon sein Kernkraftwerk Isar 1 damals laut bayerischem Umweltministerium bereits heruntergefahren, bevor die Anordnung erging – also quasi freiwillig. Und der Konzern akzeptierte die vorläufige Stilllegung damals sogar per Vorstandsbeschluss.

Dass Eon im Nachhinein dann doch noch Klage erhob, begründete ein Konzernsprecher gegenüber dem Bayerischen Rundfunk mit dem Aktienrecht: Dieses zwinge Eon, die finanziellen Interessen seiner Aktionäre zu wahren. Eon ist im Vergleich zu RWE auch weniger offensiv und später in die juristische Auseinandersetzung um das Atommoratorium von 2011 gegangen – erst veranlasst durch das Urteil gegen die Landesregierung von Hessen in Sachen Biblis.


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HinterTürkisch, Montag, 04.Juli 2016, 16:47 Uhr

9. Nach vorne schauen...

...heisst es jetzt. Die Energiewende ist noch nicht in trockenen Tüchern und Verbraucher ausser dem Einzelbürger MÜSSEN angemessen an ihrem (Gross-)Verbrauch gemessen an den Kosten der Energieversorgungsumstellung beteiligt werden. Ein Quasi-Freispruch, wie er von Frau Kohnen angedeutet ist, darf es nicht auf Dauer geben-viel Nachfrage hat sonst auch einen höheren Preis zu Folge, nur dass jetzt eben die vorher Preis-Erstellenden Preise zu zahlen haben. Die sich als falsch herausgestellt habenden Monopole in der Energiewirtschaft dürfen nicht flankiert durch "10-H-Regel" & Co. noch in eine neue Zeit hinüberbefördert werden.

MD, Montag, 04.Juli 2016, 15:34 Uhr

8. Der Staat hat den Konzernen mit dem Atom-Ausstieg beim Sparen geholfen!

Der Atomstrom ist teuer. Sehr teuer. Das wissen viele nicht, weil die Lobbyisten der AKW-Betreiber sehr gute Arbeit gemacht haben. Wenn ein Privatmann eine Solaranlage auf seinem Dach errichten will, muss er eine Versicherung abschließen; wenn eine Genossenschaft eine Windkraftanlage errichten will, muß ebenso eine Versicherung abschließen. Ein AKW-Betreiber kann aber keine Versicherung abschließen, weil da keine Versicherung gibt, die bereit wäre eine abzuschließen, denn im Falle der Fälle wäre die Versicherung womöglich dann auch pleite.
Und die Kosten des Atomstroms wird weiter steigen - nicht sinken.
Kein Wunder, dass RWE und Eon aus Atom (und übrigens auch Kohle) aussteigen will und in erneuerbare Energie investieren wollen. Warum haben die Unternehmen solange gegen erneuerbare Energie gewettert und sind auf einmal dafür? Sie sollen dem Staat danken, dass sie die Umstrukturierung der Konzerne beschleunigt hat und dankbar sein.

G.W., Montag, 04.Juli 2016, 15:19 Uhr

7. keine Kernkraft mehr

die Firmen müssten eigentlich auch dafür sorgen, dass der Abfall weg kommt, aber die kassieren nur. Wer zu doof ist eine Klage rechtzeitig einzureichen, der zahlt eben, das ist im Privatleben auch so. Gut gemacht Bayern, keinen Euro soll es geben.

Und wir haben genug Strom, soviel dass wir gar nicht wissen, wohin damit. Und? Wir es preiswerter für uns Bürger? Nein, teurer wird es. Die Energiekosten steigen ins Unermessliche, vor allem für Alleinstehende und Rentner/innen. Egal was es ist, Öl, Gas, Strom, Benzin, wir blechen.

Diese Konzerne entwickeln sich immer mehr zu Stinkbomben. Man kann nur noch die Nase rümpfen. 154 Millionen Euro---man glaubt es ja nicht.

Hoffe, die können da nicht noch weiter klagen, das kostet ja auch wieder. Irre ist das alles, einfach nur irre.

Oliver S., Montag, 04.Juli 2016, 14:32 Uhr

6. SInn und Unsinn der Privatisierung ...

Bei dieser Gelegenheit sollten wir uns mal Gedanken über Sinn und Unsinn der Privatisierung Gedanken machen. Käme die gesamte Energieversorgung aus staatlicher Hand, dann gäbe es diese sinnlosen Diskussionen nicht. Zudem wäre der Energiemix einfacher zu realisieren. Bis wir von Kernenergie und fossilen Energieträgern weg sind, wird es noch eine Weile dauern. Bis dahin benötigen wir diese Energiearten aber, auch wenn diese zwangsläufig immer weniger gewinnbringend sein können, wenn die regenerativen zunehmen. Dafür tragen dann die zunehmend gewinnbringenden regenerativen Energien die "unrentablen" mit, solange wir diese noch benötigen. Das aber funktioniert nur, wenn das alles aus einem Topf finanziert wird.

Da wir das leider anders handhaben resultieren Klagen und sinnlose Diskussionen über die Abschaltung von unrentablen Gaskraftwerken, die wir zwar dringend zur Abdeckung von Spitzenlast brauchen, die aber nicht mehr gewinnbringend sein können ...

  • Antwort von Chris, Montag, 04.Juli, 15:21 Uhr

    Da bin ich ganz ihrer Meinung. Es gab einige Privatisierungen die sinnvoll waren, Post/Telekom z.B.
    Aber andere wie die Bahn würde ich persönlich gerne rückgängig gemacht sehen.
    Das was der "normale Bürger" braucht, einen funktionierenden Nahverkehr der ihn pünktlich in die Arbeit bringt und außerdem einen funktionierenden Güterverkehr der LKWs von der Straße holt, diese zwei Bereiche sind "unrentabel", und werden zu Tode gespart.
    Ihr Beispiel von der Energieversorgung (oder z.B. auch das Wasser) sehe ich ähnlich.

Nachdenker, Montag, 04.Juli 2016, 11:45 Uhr

5. Schadenersatz

154 Millionen Euro Schadenersatz? Schadenersatz? Steuergeld? Da sind doch unsere Politiker großzügig. Vielleicht kommt was als Spende wieder zurück. Oder noch besser ein guter Job.