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Identitätssuche nach dem Brexit Britische Zeitenwende

Die Wunden der britischen Seele sind aufgerissen. Der Brexit wird die gesamte Gesellschaft des Vereinigten Königreichs verändern, das progostizieren Forscher und Wirtschaftsexperten. Kurzfristige Eruptionen sind bereits in der Politik zu spüren. Premier Camerons Rücktritt ist da nur der Anfang.

Stand: 28.06.2016

Brexit und die Konsequenzen | Bild: picture-alliance/dpa

David Cameron sagt heute in Brüssel Goodbye – es wird sein letzter EU-Gipfel sein. Und dazu nur ein halber: Denn für morgen haben ihn die anderen Regierungschefs bereits von den Beratungen ausgeschlossen. Auf dem nächsten Gipfel wird Großbritannien bereits von seinem Nachfolger vertreten sein, und der kommt voraussichtlich nur noch, um die Austrittsverhandlungen einzuleiten. Wer das sein wird, dass wird sich nun doch früher als erwartet entscheiden.

Der Zeitplan steht

Großbritanniens Gesundheitsminister Jeremy Hunt.

Bis übermorgen können die Kandidaten sich bei der Unterhausfraktion der Konservativen melden. Bereits in der kommenden Woche sollen die Abgeordneten über eine Vorauswahl abstimmen und bis zum 2. September sollen die Mitglieder der konservativen Partei in einer Urabstimmung den neuen Vorsitzenden bestimmen. Dwird dann gleichzeitig auch das Amt des Premierministers übernehmen. Heute meldete sich ein weiterer möglicher Kandidat – Gesundheitsminister Jeremy Hunt. Er präsentierte auch gleich einen Plan für den Austritt aus der EU

"Wenn wir jetzt austreten, dann ist es für uns absolut essentiell, dass wir im Europäischen Binnenmarkt bleiben, weil Hunderttausende unserer Jobs vom Zugang zum größten Markt der Welt abhängen. Aber wir müssen auch die andere Botschaft des Referendums berücksichtigen. Die Bürger wollen die Freizügigkeit der Menschen in Europa nicht. Deshalb plädiere ich für ein Norwegen Plus-Modell. Norwegen ist kein Mitglied der EU, gehört aber zum Binnenmarkt, aber wir brauchen noch etwas, was die Norweger nicht haben, nämlich die Kontrolle über die Zuwanderung."

Gesundheitsminister Jeremy Hunt

Die Reaktion der Medien waren heftig - ebenso wie die Überrraschung über das Ergebnis der Abstimmung.

Jeremy Hunt, der vor dem Referendum für den Verbleib des Landes gekämpft hat, ist allerdings nicht der Favorit für Camerons Nachfolge. Das ist Boris Johnson, der frühere Londoner Bürgermeister, der Anführer der Austrittskampagne und Sieger des Referendums. Er hält sich aber weiter bedeckt, sammelt seine Unterstützer um sich und ist angeblich bereits dabei, ein Team für die Übernahme der Regierungsgeschäfte zu bilden. 

Der ungeliebte Favorit

Gilt als Favorit, hat aber auch eine mächtige Gegnerschaft: Boris Johnson.

Doch das Rennen ist nicht gelaufen. Johnson hat viele Feinde. Vor allem unter den Abgeordneten, die bereits unter dem Titel „Anyone but Boris“ - übersetzt "Jeder, nur nicht Boris" - nach einem Kompromisskandidaten suchen. Das könnte Innenministerin Theresa May sein, die zwar für den Verbleib des Landes in der EU war, aber mit dieser Position in der Kampagne vor dem Referendum nicht besonders aufgefallen ist. Und: Sie ist in Sachen Zuwanderung, dem Thema, das das Referendum beherrscht hat, eine Hardlinerin.

Labour zerfleischt sich selbst

Während die Konservativen nun also einen neuen Vorsitzenden und Premierminister suchen, versucht Labour, die größte Oppositionspartei, ihren Vorsitzenden Jeremy Corbyn aus dem Amt zu kippen. Seine Gegner machen ihn dafür verantwortlich, dass so viele Labour-Wähler dafür gestimmt haben, aus der EU auszutreten. Sie haben ein Misstrauensvotum in der Fraktion durchgesetzt. Am Abend sollen die Labour-Abgeordneten darüber abstimmen. Angela Eagle, die bereits aus seinem Schattenkabinett zurückgetreten ist, fordert, dass Corbyn geht.

"Im Interesse der Partei muss Jeremy zurücktreten. Er schadet unserer Partei. Eine Labour-Party, die keine Wahl gewinnen kann, nützt den Ärmsten in unserem Lande nicht."

Angela Eagle, Labour-Abgeordnete

Geschasst von der eigenen Partei. Nur Labour-Chef Jeremy Corbyn will sich nicht absetzen lassen.

Doch Corbyn, der Alt-Linke, der nach der Niederlage bei der Unterhauswahl vor einem Jahr überraschend Labour-Vorsitzender wurde, will nicht gehen. Nach einer turbulenten Fraktionssitzung wandte er sich gestern Abend auf dem Parliament Square an seine Anhänger und rief die Partei zur Einigkeit auf.

"Am Ende sind es wieder die Mitglieder, die einen neuen Labour-Vorsitzenden wählen. Und die haben vor einem Jahr für Corbyn gestimmt."

Labour-Vorsitzender Jeremy Corbyn


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