ARD alpha - Klassiker der Weltliteratur


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Klassiker der Weltliteratur Lewis Carroll - "Alice im Wunderland"

Er hieß Charles Lutwidge Dodgson, war Mathematiker und Fotograf, verehrte junge Mädchen und liebte Wortspiele und Reime. Um seine Leidenschaft für Sprache auszuleben, erfand er sich als Lewis Carroll neu und wurde berühmt. Seine Geschichten von Alice im Wunderland beeinflussten Generationen von Schriftstellern.

Stand: 04.11.2019

Carroll führte eine Art Doppelleben als Wissenschaftler und Erzähler. Als Mathematiker Charles Dodgson war es ihm unangenehm, wenn man ihn auf der Straße als Lewis Carroll ansprach. Tatsächlich veröffentlichte er etwa genauso viele mathematische Werke wie belletristische. Weltberühmt aber wurde er mit "Alice im Wunderland".

1832 kam er als ältestes von elf Geschwistern in Daresbury zur Welt. Seine mathematische Begabung kristallisierte sich schon in den ersten Schuljahren heraus. Auch war Carroll schon früh außerordentlich belesen. Die Familie war wohlhabend und konnte den Sohn nach einigen Jahren Privatunterricht erst auf ein vornehmes Internat und schließlich an die Uni in Oxford schicken.

Carroll und Alice

Neben seiner wissenschaftlichen Begabung zeigte Carroll auch erstaunliches Talent in der Fotografie und brachte es zu einem der gefragtesten Porträtfotografen Englands. Besonders gerne lichtete er junge Mädchen nackt oder in fantasievollen Kostümen ab. Eines dieser Mädchen war Alice Liddell, die Tochter eines Oxforder Dekans. Ihr widmete er "Alice im Wunderland" und "Alice hinter den Spiegeln".

In diesen Geschichten entdeckt die kleine Alice fantastische Gegenwelten, bevölkert von skurrilen Gestalten. Im ersten Buch begegnet ihr im Garten ein weißes Kaninchen mit einer Taschenuhr, das aufgeregt zu einem Termin mit der Herzogin eilt und viel zu spät dran ist. Alice folgt dem Kaninchen in ein Erdloch und gelangt ins Wunderland, wo sie den verrückten Hutmacher, den Märzhasen, eine weise Raupe, eine Grinsekatze und die grausame Herzogin trifft. Logische Rätsel und hintergründig-witzige Wortspiele machen Carrolls Erzählungen dabei zu mehr als einem Kinderbuch. Ein Beispiel:

"'Ach,' seufzte das Mäuslein, 'ihr macht euch ja aus meinem Erzählen doch nichts; ich bin euch mit meiner Geschichte zu langschwänzig und zu tragisch.' Dabei sah sie Alice fragend an.
'Langschwänzig! das muß wahr sein!' rief Alice und sah nun erst mit rechter Bewunderung auf den geringelten Schwanz der Maus hinab; 'aber wie so tragisch? was trägst du denn?' Während sie noch darüber nachsann, fing die längschwänzige Erzählung schon an, folgendergestalt:

Filax sprach zu
der Maus, die
er traf
in dem
Haus:
'Geh' mit
mir vor
Gericht,
daß ich
dich
verklage.
Komm und
wehr' dich
nicht mehr;
ich muß
haben ein
Verhör,
denn ich
habe
nichts
zu thun
schon
zwei
Tage.'
Sprach die
Maus zum
Köter:
'Solch
Verhör
lieber Herr,
ohne
Richter,
ohne
Zeugen
thut nicht
Noth.'
'Ich bin
Zeuge,
ich bin
Richter.'
sprach
er schlau
und schnitt
Gesichter
'das Verhör
leite ich
und
verdamme
dich
zum
Tod!'"

(Lewis Carroll: Alice im Wunderland. Übersetzt von Antonie Zimmermann)


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