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Schloss Nymphenburg Blicke hinter Schloss und Riegel

Wie geht das zusammen - touristischer Hotspot und zugleich Rückzugsort für Mensch und Tier? Schloss Nymphenburg schafft genau das. Die ehemalige Sommerresidenz der Wittelsbacher im Münchener Westen ist ein Touristenmagnet, aber auch eine Oase für stressgeplagte Großstädter genauso wie für seltene Insekten und scheue Wildtiere. Wir werfen einen Blick hinter Tür und Tor des barocken Prachtbaus.

Stand: 05.04.2021 | Archiv

Wenn sich abends die Tore des Nymphenburger Schlossparks schließen, heißt es für Jogger, Spaziergänger und Touristen "Bitte draußen bleiben". Doch "drinnen" geht das Leben weiter. Denn viele der Handwerker und Künstler - die Schreiner und Schlosser, Restauratoren und Vergolder, Glaser und Gärtner - arbeiten nicht nur innerhalb der Schlossmauern; viele wohnen mit ihren Familien auch dort in den Nebengebäuden des Schlosses. Es ist schon ein besonderer Reiz, sein Feierabendbier vor der prächtigen Barock-Kulisse zu genießen.

Wo sich Fuchs und Hase 'Gute Nacht' sagen

Ein Ort zum Runterkommen - nur einer will das nicht: Waldkauz Kasimir.

Aber auch nachts, wenn die Großstadtlichter ausgehen, ist in der waldartigen Parkanlage einiges los. Viele der Wald- und Wiesenbewohner werden da erst munter: Kasimir zum Beispiel, der Waldkauz - wobei der sich sogar tagsüber hin- und wieder blicken lässt, wie Gredel Warbeck weiß. Seit 25 Jahren durchforscht die Biologielehrerin und Hobbyfotografin den Schlosspark. Sie weiß, wo im Dickicht des Schlosswaldes Rehe ihre Kitze verbergen, sie kennt die Schlafplätze und Flugrichtungen der Wasservögel.

Paradiesische Flora und Fauna

Eisvogel beim Schlemmen.

Auch seltene Arten wie der Gänsesäger fühlen sich in der heilen Welt des Schlossparks wohl - genauso wie Libellen, Frösche, Enten und Gänse .... letztere wegen ihrer Hinterlassenschaften nicht immer zur Freude der Schlossgärtner. Frisch gepflanztes Grün ist für sie eine besondere Delikatesse.

Kaisermantel beim Naschen.

Raritäten aus der berühmten, deutschlandweit bekannten Pelargonien-Sammlung kämen da wohl einem Fünf-Sterne-Menü gleich. Die Anzuchtgärtnerei des Schlosses produziert im Jahr 500.000 Pflanzen - nicht nur für Nymphenburg, sondern auch für die Anlagen von Schloss Schleißheim und für den Englischen Garten.

Eine Imkerin namens Maja

Um den Baum- und Blumenbestand im Park zu sichern, betreibt Maja Högner eine Demeter-Imkerei hinter dem Kuchlgebäude der Pagodenburg. Pestizide sind da absolut tabu.

Ihr heutiges Gesicht verdankt die 180 Hektar große Parkanlage dem Gartenbaumeister Friedrich Ludwig von Sckell. Er hat den streng formalen Barockgarten ab 1800 in weiten Teilen im Stil des englischen Landschaftsgartens umgestaltet. Auf seine Entwürfe geht auch der Kabinettsgarten zu beiden Seiten des Schlosses zurück.

Der Garten im Garten - ein Ort der "königlich-bayerischen" Ruhe

Dafür ist ihm S.K.H. Herzog Franz von Bayern noch heute dankbar. Der oberste Wittelsbacher liebt diesen Rückzugsort abseits der Besucher, selbst wenn er sich ein Leben ohne diese gar nicht vorstellen könnte - schließlich ist der Park bereits seit 1792 für die Allgemeinheit offen. Aber auch ein Herzog braucht seinen Privatbereich, ein Fleckerl für sich - gerade als Dackel- und Koi-Liebhaber. Ohne den Kabinettsgarten könnte er seinen "Beppi" nicht frei laufen lassen.

Auszeit für Herzog von Franz von Bayern und Dackel Beppi.

"Die ganze Leistung von Sckell sehe ich aus dem Fenster, jeden Tag und sie hört nicht auf, einen zu überraschen. Jeden Tag wieder, sie ist bei jeder Beleutchtung anders .... er hat den Kabinettsgarten angelegt, der immer ein kleiner Privatbereich war, und das war schon immer die Grundlage, um überhaupt einen Hund zu halten, wo ich auch im Freien sitzen kann, neben dem ganzen Besucherstrom. Die vielen Besucher gehören zu Nymphenburg und der Park wäre leer ohne Menschen - er war immer auf Öffentlichkeit angelegt. Also, über die Besucher freue ich mich, jeden Tag, aber es ist doch gut, dass man noch ein kleines Eckerl hat, das auch privat bleibt."

S.K.H. Herzog Franz von Bayern.

Kurzgeschichte zu Schloss Nymphenburg

Dass Mütter zur Geburt eines Kindes ein Geschenk bekommen, ist ein guter alter Brauch. Bei Herrschern darf es da gerne ein bisschen mehr sein. Im Jahr 1662 als Henriette von Savoyen ihrem Gemahl, dem bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria, den langersehnten Thronerben schenkt, kauft er ihr die Hofmark Menzing und baut darauf ein vergleichsweise bescheidenes Schlösschen: Nymphenburg. Schon eine Generation später erweitert Sohn Max Emmanuel die Anlage zur barocken Schlossanlage, die mit einer Spannweite von 632 Metern sogar Versailles übertrifft. Der Schlossgarten wurde geplant und realisiert von Dominique Girard und Joseph Effner, ab 1800 begann dann dessen Umgestaltung durch Friedrich Ludwig von Sckell. Das weitverzweigte Kanalsystem, gespeist aus dem Wasser der Würm, erlaubte es den höfischen Gesellschaften, trockenen Fußes auf dem Wassser bis nach Schloss Schleißheim zu gelangen. 1845 wurde König Ludwig II. - der das Schlösserbauen auf die Spitze trieb - auf Schloss Nymphenburg geboren. Heute gehört es dem Freistaat Bayern und untersteht der Aufsicht der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung. Die Wittelsbacher haben ein begrenztes Wohnrecht auf Schloss Nymphenburg, das vom jeweiligen Oberhaupt des Hauses Wittelsbach genutzt wird.

Aus der Kraft des Wassers - tadellose Ökobilanz

Was wäre Nymphenburg ohne seine Kanäle, ohne die Fontänen und Brunnen, die sich aus dem Wasser der Würm speisen.

Buch-Tipps

  • "Physik im Schlosspark", von Michael Eckert, ISBN: 978-3-96233-114-6, 204 S. Allitera Verlag München
  • "Schloss Nymphenburg unterm Hakenkreuz", von Doris Fuchsberger und Albrecht Vorherr, ISBN 3869066059, 160 S., Allitera Verlag München

Seit 1803 sind die hydraulischen Pumpanlagen im Grünen Brunnhaus und im Johannis-Brunnhaus gusseiserne Zeugen genialer Ingenieurskunst. Verborgen hinter dicken Mauern - denn die 'krude' Technik war dem adeligen Auge nicht zumutbar - leisten sie noch heute ganze Arbeit, bringen die Fontänen der Tuffstein-Brunnen auf Vorder- und Rückseite des Schlosses zum Sprudeln - aus eigener Kraft, getrieben nur vom natürlichen Gefälle. Brunnwart Claus Berg gewährt einen Blick hinter die Mauern.

"So jetz' pack ma's wieder. Lass' ma unser gutes Stück wieder laufen. Es lauft ja seit eh und je. Bin total begeistert. Ich find des toll, diese Technik damals - genial, einfach perfekt! Also, pack ma's!"

(Brunnwart Claus Berg)


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