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Agatha Christie Wie der Mord zum Kunstwerk wurde

Den perfekten Mord gibt es nicht - den perfekten Krimi hingegen schon: Agatha Christie schuf mit Miss Marple und Hercule Poirot zwei der beliebtesten Detektive des Genres.

Stand: 27.04.2012 | Archiv

Agatha Christie | Bild: picture-alliance/dpa

Miss Marple kommt aus dem kleinen englischen Dorf St. Mary Mead und sieht mit ihren weißen Haaren, den blauen Augen und einer Körpergröße von vermutlich nicht einmal 1,60 Metern unschuldiger aus, als sie ist. Denn sie ist gesegnet mit einer außergewöhnlichen Beobachtungsgabe und der Fähigkeit, logische Schlüsse herzuleiten, an die andere nicht im Traum denken würden. Wenn sie, wie fast immer, zufällig in einen Kriminalfall stolpert, ist es denn auch nur eine Frage der Zeit, bis die rüstige alte Dame die Lösung parat hat.

Die geborene Beobachterin

Agatha Christie

Agatha Christie ist ihrer berühmtesten Schöpfung so gesehen nicht unähnlich. Denn auch sie beobachtete ihre Umwelt genau - ihre Inspiration entsprang dabei nicht selten dem Zufall. "Die Geschichten fallen mir in den seltsamsten Moment ein. Wenn ich die Straße entlang gehe oder in einem Hutladen bin, habe ich plötzlich einen brillanten Einfall", sagte sie. Ihr Enkel Matthew Prichard beschrieb sie als eine Person, die mehr zuhörte als sprach und mehr sah als gesehen wurde. Ihre Figuren waren mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet. Es seien "Menschen mit ihren kleinen Schrullen und ihren großen Passionen, für die die Autorin in ihren Werken leidenschaftliche Plädoyers hält", meint der Kölner Krimi-Experte Rudolf Meier.

Die Fotografin Agatha Christie (2.v.l.)

Viele Einfälle hatte sie auf ihren zahlreichen Reisen ins Ausland. 1928 fuhr sie mit dem Orient Express nach Istanbul - nicht schwer zu erraten, dass sie auf dieser Reise die Idee für "Mord im Orient Express" hatte. Im Irak lernte sie den Archäologen Max Mallowan kennen, den sie wenig später heiratete. Mit ihm unternahm sie weitere Exkursionen in den Orient und nach Griechenland. Während er Ausgrabungen leitete, schrieb sie im Zelt an ihren Krimis oder fotografierte die Fundstücke. Auch hier kam ihr ihre Liebe zum Detail zugute, denn fast nebenbei wurde sie zu einer anerkannten Fotografin.

Agatha Christie: "Auf die Unschuldigen kommt es an"

In ihren Erzählungen lebte Christie auch ihren Gerechtigkeitssinn aus. Sie habe das leidenschaftliche Verlangen, den Unschuldigen zur Seite zu stehen, "denn auf die Unschuldigen, nicht auf die Schuldigen kommt es an", so Christie. Sie selbst stammte aus einer konservativen, viktorianischen Familie und kam - wie sollte es anders sein - durch Zufall auf die Idee, ihren ersten Krimi zu schreiben. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete sie als Apothekerin in einem Krankenhaus. Hier hatte sie das Schlüsselerlebnis: "Während ich in der Apotheke arbeitete, hatte ich das erste Mal die Idee, einen Detektivroman zu schreiben. Ich überlegte, welche Art Detektivroman ich schreiben könnte. Da rund um mich Giftflaschen standen, war es nur logisch, dass ich den Tod durch Vergiftung als Methode wählte."

Wissenswertes über Agatha Christie

Rekord

Ihr Theaterstück "Die Mausefalle" wird seit 1952 ohne Unterbrechung im Londoner St. Martin's Theatre aufgeführt. Es ist damit das am längsten aufgeführte Bühnenstück der Welt.

Istanbul

Im Pera Palace Hotel in Istanbul gibt es ein Agatha-Christie-Zimmer. Hier soll sie große Teile von "Mord im Orient Express" geschrieben haben.

Pseudonym

Agatha Christie schrieb sechs romantische Romane unter dem Pseudonym Mary Westmacott. Über 15 Jahre lang hielt sie geheim, dass sie die Bücher geschrieben hatte.

Heirat

Agatha Christe wurde unter dem Namen Agatha Mary Clarissa Miller geboren. Von 1914 bis 1926 war sie mit dem Oberst Archibald Christie verheiratet - den Familiennamen legte sie nie ab.

Keine Spur

Als sie ihr erster Mann wegen einer anderen Frau verließ, verschwand Agatha Christie für elf Tage spurlos. Man fand sie schließlich unversehrt in einem Hotel - allerdings konnte sie sich nicht erinnern, was sie in den elf Tagen gemacht hatte.

Mythos

Agatha Christie wird oftmals folgender Satz in den Mund gelegt: "Ein Archäologe ist der beste Ehemann, den eine Frau haben kann, denn je älter sie wird, desto mehr interessiert er sich für sie." Sie hat ihn jedoch nie gesagt.

Fiktion

Als sie ihre Figur Hercule Poirot in "Vorhang" (1975) sterben ließ, widmete die New York Times dem Detektiv eine ganze Seite. Bis heute ist er die einzige fiktionale Figur geblieben, der diese Ehre widerfuhr.

Gedenken

Als Agatha Christie 1976 starb, dimmten die Theater im Londoner West End für eine Stunde die Lichter.

Der erste Auftritt von Hercule Poirot

Ihr Debütroman "Das fehlende Glied in der Kette" (1920) war zugleich der erste Auftritt des belgischen Detektivs Hercule Poirot - neben Miss Marple ihre bekannteste Figur. Das Muster ihres Erstlingswerks liest sich heute wie eine Bauanleitung für Krimis: Zunächst deuten alle Indizien auf einen Täter hin. Erst gegen Ende werden die wirklichen Zusammenhänge klar und der wahre Schuldige wird entlarvt. Insgesamt schrieb sie 73 Kriminalromane, 19 Theaterstücke und mehr als 100 Kurzgeschichten.

Christie starb am 12. Januar 1976 nach einem Schlaganfall und hinterließ ein reiches Erbe: Nach Angaben ihres Verlags hat sie über zwei Milliarden Bücher verkauft, was nur von der Bibel übertroffen wird. Bösewichte hat sie damit zwar nicht zur Strecke gebracht, dafür hat sie die Welt ein gutes Stück lesenswerter gemacht. Sie hat ihre "kleinen grauen Zellen" gut eingesetzt, müsste auch Detektiv Poirot neidlos anerkennen.

Bibliografie (Auswahl)

  • Das fehlende Glied in der Kette (1920)
  • Mord im Pfarrhaus (1930)
  • Mord im Orient-Express (1934)
  • Tod auf dem Nil (1937)
  • Zehn kleine Negerlein (1939)
  • Das Böse unter der Sonne (1941)
  • Mausefalle (1947)
  • Fata Morgana (1952)
  • Zeugin der Anklage (1953)
  • Der Wachsblumenstrauß (1953)
  • 16 Uhr 50 ab Paddington (1957)
  • Die Katze im Taubenschlag (1959)
  • Lauter reizende alte Damen (1968)
  • Vorhang (1975)
  • Ruhe unsanft (1976)

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