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HipHop wird alt Straight Outta Altersheim

Jay Z, Eminem und Kanye West haben zwei Dinge gemeinsam: Sie sind Rapper und sie werden alt. Und wenn man wissen will, was alternde HipHop-Stars so treiben werden, muss man nur schauen, was alternde Rockstars so getrieben haben.

Von: Malte Borgmann

Stand: 19.10.2015 | Archiv

HipHop wird alt | Bild: BR

Jay Z ist der Best Buddy des Präsidenten der USA und Kanye West hat schon mal seine eigene Kandidatur für das Amt angekündigt. Biopics wie "Straight Outta Compton" betreiben geschichtsklitternde Heldenverehrung, während Dr. Dre seine Altersdepression mit einem auszehrenden Fitnessprogramm bekämpft. Eminem und Kendrick Lamar schreiben nostalgische Briefe an ihre einstigen Rap-Idole. Es hilft nichts, blicken wir der traurigen Wahrheit ins Auge: HipHop wird alt. Und wer wissen will, was das für Folgen haben wird, der muss einen Blick über den Genre-Tellerrand wagen: Rock war vor HipHop die dominierende Jugendkultur und hat ein paar Jahrzehnte mehr auf dem Buckel. Wer wissen will, zu welchen Albernheiten sich alternde Rapper und ihre Fans in Zukunft hinreißen lassen werden, muss sich also nur anschauen, was die Rocker von früher treiben.

1. Sondereditionen für Kleinwagen

Bon Jovi hatten sie, Pink Floyd ebenso und die Rolling Stones natürlich auch: Eine eigene gebrandete Version des VW Golf. Die kommenden Kindergenerationen werden allerdings von Eltern zur Schule gebracht, die in ihrer Jugend nicht mehr zu Hardrock sondern zu G-Funk gekifft haben. Keine Frage: Die entsprechenden Auto-Sondermodelle werden nicht lange auf sich warten lassen. Bereitet euch darauf vor: Bald sind die Straßen jeden Morgen um 7.45 Uhr vollgestopft mit spritsparenden Hybridkombis, die Namen tragen wie VW Biggie, SEAT Snoop oder Opel Hova. Am Steuer sitzen dann junge semi-dynamische Väter mit Bauchansatz, Halbglatze und Karl-Kani-Shirt, die ihren genervten Sprösslingen auf dem Rücksitz die komplette "Chronic" vorspielen (in der geremasterten "Golden Classic Edition"), weil das war damals noch richtige Musik, nicht so ein alberner Autotune-Sirup wie heutzutage.

2. Teure, distinguierte Hobbies

Ab einem gewissen Alter nimmt es einem der Körper sehr übel, wenn man pausenlos Drogenberge in ihn hineinschaufelt, und das mit den Sexorgien klappt ohne pharmazeutische Hilfsmittel leider auch immer seltener. Das ist der Grund, warum sich alternde Rockstars dämliche und überteuerte Hobbies suchen. Bei den Rappern wird es nicht anders sein. Jay Z zum Beispiel sammelt bereits Kunst. Andere werden nachziehen. Wer weiß, vielleicht ist Snoop Dogg bald der Besitzer einer der weltweit größten Sammlungen spätromantischer, europäischer Landschaftsmalerei. Ghostface Killah keltert seinen eigenen Wein auf seinem Landgut in der Provence. Timbaland macht Bono-mäßig auf Charity in Afrika. Und Ludacris ist auf Bärenjagd in Sibirien. Auch werden Rapper bald immer öfter unter ihrem bürgerlichen Namen Romane schreiben. Ihr könnt schon mal damit rechnen, dass 50 Cent im großen ZEIT-Interview behauptet, sein neuestes Werk "Der 100-jährige Hustler, der aus dem Blockfenster sprang und verschwand" sei eine Mischung aus urbaner Härte und magischem Realismus.

3. Cover- und Tribute-Bands

Egal ob AC/DC, Aerosmith oder Deep Purple: Ab einem gewissen Status haben etablierte Rockbands ihre eigenen Cover- und Tributegruppen: Anderweitig erfolglose Profimusiker, die als möglichst originalgetreue Imitationen über die Mehrzweckhallen- und Dorffestbühnen dieser Erde tingeln. Diese Entwicklung wird auch vor dem HipHop nicht Halt machen. Während die Originale versuchen werden, ihre Comeback- und Best-Of-Shows mit Symphonieorchestern und Hologrammen ihrer verstorbenen Featurepartner aufzupeppen, werden Acts wie die GinandJuicers, die Killabeez, Tha Blueprint oder Shim Slady die Provinzbevölkerung bei Laune halten. Bei der nächsten Baumarkteröffnung kommt ein Ol'-Dirty-Bastard-Double, und Bierzelt- und Hochzeitsbands werden in Zukunft auch immer ein paar Gangstarap-Classics im Repertoire haben, falls einer der betrunkenen Gäste danach fragt. "Bitches Ain't Shit" zum Beispiel oder "Shake Ya Ass".

4. Körperlicher Verfall

Eines der perversen Vergnügen bei Liveshows von alten Rockstars besteht darin, dass man sich nie ganz sicher sein kann, ob ihr Körper noch mitspielt. Schaffen es Keith Richards oder Lemmy durch die Setlist, oder brechen sie vorher zusammen? Auch Rapshows werden so in Zukunft ein neues Level an Suspense erreichen: Hält der Herzschrittmacher von Raekwon durch? Nach wie vielen Nummern muss Busta Rhymes wieder ins Sauerstoffzelt? Und kann Method Man trotz künstlicher Hüfte noch so bouncen wie früher? Auch das Reality-TV wird nochmal ordentlich aufdrehen - "Flavor of Love" war nur ein Vorgeschmack. Freut euch schon mal darauf, wenn ein völlig pillengeschädigter, 60-jähriger Eminem in "Meet the Mathers" zum wiederholten Male mit zitternder Hand versucht, den Fernseher einzuschalten oder seine Frau Kim mit einem Buttermesser zu erstechen, während die entnervte Tochter Hailey ihrer Magersucht frönt und ein ganzes Rudel von Schoßhündchen in jeden verfügbaren Winkel der grotesk überdimensionierten Traumvilla kackt. Ach, herrlich wird das!


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