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on3-Lesereihe 2012 in München Matthias Tonon gewinnt beim Auftakt

Premieren über Premieren: Ein proppenvolles Provisorium, eine Moderatorin in Mull, Autoren und Band im Kamikaze-Rausch. Der Auftakt der on3-Lesereihe in München war ganz nach unserem Geschmack.

Von: Felicia Reinstädt

Stand: 23.10.2012 | Archiv

Whohooo: So klang das erste Lebenszeichen der on3-Lesereihe 2012. Über den Äther geschickt wurde es vom Publikum aus dem bis auf den letzten Platz gefüllten Provisorium. Dort begrüßte Moderatorin Kaline Thyroff alle Zuhörer vor Ort und im Radio und klärte als Erstes auf, was es mit ihrem Daumen in hübscher Mullverpackung auf sich hatte. Den hatte sie sich nämlich passend zum Motto der Lesereihe in einer Kamikaze-Putzaktion am Wochenende zugezogen. Eine erprobte Bühnenmoderatorin hält so etwas natürlich nicht auf: Frisch gepflastert und gepudert empfing Kaline den ersten Autoren – und späteren Gewinner - Matthias Tonon auf der Bühne.

Der blieb trotz Pole-Position erstaunlich cool, ein kurzes "Tschhh" in den Raum genügte und schon lauschten alle gespannt seiner Geschichte über einen Epileptiker, dessen Codewort für seine Krankheit schlicht "Kamikaze" ist. Geschrieben hat Matthias seinen Text aus der Perspektive des besten Freundes. Und auch das Thema ist für den 23-Jährigen gar nicht so weit hergeholt. Denn Matthias studiert im siebten Semester Medizin. Dass Ärzte auch gute Schreiber sind, ist ja spätestens seit Gottfried Benn bekannt – und wurde von Matthias eindrucksvoll bestätigt. Das Publikum sah das genauso und kürte den Studenten zum ersten Finalteilnehmer der on3-Lesereihe.

Blonde Haare, Bomben und Bushido

Mit 18 Jahren die jüngste Autorin der on3-Lesereihe: Lara Hampe aus Seefeld-Hechendorf

Das war jedoch bei Weitem keine leichte Entscheidung. Lara Hampe, die Dame unter den Münchner Autoren und gleichzeitig die jüngste der gesamten Lesereihe, trug einen Text vor, dem schon die Auswahljury das Prädikat "beklemmend gut" verpasst hatte. Er handelt vom Tod eines geliebten Menschen und langen, blonden Haaren. Die Idee zu ihrer Geschichte kam Lara dabei in der buchstäblich allerletzten Minute. Nachdem sie ihre Lesereihen-Bewerbung immer wieder vor sich hergeschoben hatte, setzte sie sich am Abend des Abgabetermins hin und schrieb alles in einer Stunde herunter.

Mit Samuel Langer, dem dritten und letzten Kandidaten in München, wurde es dann philosophisch – und gefährlich. Im Vorab-Gespräch mit Kaline erzählte der studierte Künstler von der gelebten Verbindung zwischen Maler-Existenz und Schriftstellerdasein, zwischen Kunst und Literatur und assoziierte frei zum Motto von der Antike bis in die Moderne, von John Lennon bis Bushido. Seine Geschichte stand diesem kulturellen Rundumschlag in Nichts nach: ein Kamikaze-Attentat mit vielen Anspielungen, explosiven Impressionen und natürlich ordentlich Sprengstoff – von Samuel präsentiert auf künstlerisch gestalteten Papierausdrucken.

Pop trifft Poesie

Außer Konkurrenz, aber mit nicht weniger Kribbeln im Bauch, war es dann Zeit für unsere diesjährige Lesereihen-Musikerin Gustav aka Eva Jantschitsch. Ihr Auftritt war eine Premiere im doppelten Sinn: Zum einen für ihren Kamikaze-Text – der wie bei Lara Hampe auf den letzten Drücker entstanden ist und den noch niemand vorher zu Gesicht bekommen geschweigen denn gelesen hatte – und zum anderen für die Lesesituation selbst.

Denn obwohl die Wienerin mittlerweile auf stolze zehn Jahre Bühnenerfahrung blickt: Gelesen – so ganz ohne Musik – hat Gustav vor Publikum noch nie. Dass die Zeit dafür nun mehr als reif war, bewies das Ergebnis: eine Geschichte in kunstvoller Versform, poetisch und prägnant wie Gustav-Songs an sich. Die gab es dann im Anschluss. Unterstützt von ihrer Band performte die Laptop-Chanteuse ihren experimentierfreudigen Elektro-Pop-Tanz-Mix. Das Publikum war hin und weg. Und wir sind es auch.


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