Dos and Don'ts auf Demonstrationen Wie ihr demonstriert, ohne Stress zu kriegen

Auf Demos kann es zu Auseinandersetzung mit der Polizei kommen. Dann solltet ihr eure Rechte kennen und wissen, wie ihr euch verhaltet, ohne Probleme zu bekommen. Denn die Welt lässt sich nicht vom Gefängnis aus retten.

Von: Hannah Heinzinger

Stand: 10.10.2019 | Archiv

Grafik: Demonstranten halten Schilder in die Höhe  | Bild: BR

Überall auf der Welt ziehen Leute für Fridays for Future und Extinction Rebellion (XR) auf die Straßen und kämpfen für Klimagerechtigkeit – lautstark, aber ohne Waffen. Das Mittel, zu dem vor allem Extinction Rebellion aufruft, heißt ziviler Ungehorsam. Das heißt, der Protest wird vorab angekündigt, Regeln werden in begrenztem Rahmen überschritten – und vor allem friedlich und ohne Gewalt.

Denn friedlicher Protest wirkt, das ist wissenschaftlich belegt. Gewaltfreie Proteste haben doppelt so große Chancen ihre Ziele zu erreichen, als gewalttätige Proteste. Zu dem Ergebnis kamen zwei US-amerikanische Forscherinnen, nachdem sie für ihre Studie "Why Civil Resistance Works" 323 Widerstandsbewegungen der letzten 106 Jahre untersucht haben. Die Gründe: Information und Aufklärung steht bei friedlichen Protesten mehr im Mittelpunkt, die Bereitschaft mitzumachen und die Identifikation mit dem eigentlichen Ziel ist daher größer. Gewalt lenkt meistens vom Thema ab und führt öfter zu nichts.

Aber auch bei friedlichen Protesten kann die Stimmung schnell mal kippen. Wenn zum Beispiel Sitzblockaden aufgelöst werden sollen und es zur Auseinandersetzung mit der Polizei kommt. Wer im Gefängnis sitzt, hilft dem Klima allerdings auch nicht sonderlich. Deswegen kommen hier fünf Dinge, die ihr in solchen Situationen wissen solltet, um beim Demonstrieren – und auch später noch – keine Probleme zu bekommen.

1. Was ihr auf Demos dürft – und was nicht

Tanzen, singen und friedlich durch die Straßen ziehen, das ist bei einer Demo kein Problem. Auch Verkleiden ist in Ordnung. Es gibt allerdings das Vermummungsverbot: Als Person muss man auf einer Demonstration zu erkennen sein. Bei Masken, die das Gesicht verdecken oder Schals, die bis über die Nase hochgezogen sind, kommt die Polizei unter Umständen auf euch zu und bittet euch, sie abzulegen. Bei kreativer Gesichtsbemalung kommt es auf den Kontext an. Wenn ihr mit 20 anderen Leuten für den neuen Kindergarten im Ort demonstriert, ist es eher unwahrscheinlich, dass die Polizei euch drauf anspricht.

Auch laute Musik ist in Ordnung, so lange sie nicht eine andere angemeldete Demonstration stört und damit das Recht der anderen Kundgeber*innen einschränkt, ihre Meinung frei zu äußern. Dann kann es sein, dass die Polizei eingreift, denn sie muss auch dieses Recht gewährleisten. Laut Marcus da Gloria Martins, Sprecher der Polizei München, gibt es zwei große Regeln, an die man sich halten sollte: "Friedlich und ohne Waffen – das ist laut Gesetzgeber Grundbedingung zur Teilhabe am Versammlungsgrundrecht."

Wer gegen diese zwei Bedingungen verstößt, macht sich strafbar. Welche Strafe einen dann aber erwartet, kommt immer auf den Kontext an und wird im Einzelfall entschieden.

2. Wann der Inhalt eurer Taschen Probleme verursachen kann

Gewisse Sachen solltet ihr also zu Hause lassen, wenn ihr auf dem Weg zu einer Demonstration seid, empfiehlt Wilhelm Achelpöhler. Er ist Rechtsanwalt aus Münster und Mitglied des Ausschusses "Gefahrenabwehrrecht" des Deutschen Anwaltvereins, der sich mit Polizei- und Ordnungsrecht beschäftigt: "Man sollte vermeiden Schutzwaffen, Helme oder Motorrad-Sturmhauben dabeizuhaben, denn es gibt ein Vermummungsverbot und ein Verbot von Schutzwaffen. Da ist es schon strafbar, wenn man die auf dem Weg zur Versammlung mit sich führt."

Zu Schutzwaffen zählen Taschenmesser, Pfeffersprays, Schlagringe, aber auch Boxhandschuhe oder lange Stöcke. Auch Schutzkleidung kann darunter fallen. Am besten also auf Nummer sicher gehen und alles, was irgendwie als Waffe genutzt und zu Missverständnissen führen kann, zu Hause lassen.

3. Ab wann ihr für zivilen Ungehorsam belangt werden könnt

Ziviler Ungehorsam ist ein ziemlich dehnbarer Begriff. Auf dem Boden sitzen kann völlig unproblematisch sein, aber betreibt es eine Gruppe unangekündigt auf einer vierspurigen Straße, macht ihr schnell Bekanntschaft mit der Polizei. Es kommt also immer darauf an, welche Art von zivilem Ungehorsam betrieben wird, wie, wo und wann.

Und solange sich das im Bereich der Ordnungswidrigkeiten abspielt, gilt für die Polizei das sogenannte Opportunitätsprinzip, sagt Pressesprecher da Gloria Martins: "Wir können auch mal ein Auge zudrücken und jemanden gewähren lassen. Sind wir allerdings in Straftaten drin, haben wir diesen Ermessensspielraum als Polizei nicht. Zum Beispiel beim Bekleben von Fahrzeugen. Das kann ich in einer Art machen, bei der eine rückstandslose Entfernung der Aufkleber möglich ist, das kann ich aber so machen, dass ich die Scheibe beschädige. Dann ist es Sachbeschädigung, also eine Straftat. Und da hat die Polizei einen Handlungszwang, die Kollegen würden teilweise selber in eine Strafbarkeit reinrutschen, wenn sie nichts machen."

Das wahrscheinlich beliebteste Mittel bei Demonstrationen sind Sitzblockaden. Wenn diese im Rahmen einer angemeldeten Versammlung stattfinden, hat man aber nicht so viel zu befürchten. Normalerweise erfolgt die Auflösung irgendwann durch die Polizei und/oder Versammlungsleiter*innen und es gibt eine laute Ankündigung, die laut da Gloria Martins drei Mal wiederholt wird: "Die Kollegen sprechen dann mit den Menschen und sagen: Bitte stehen sie auf. Man kann natürlich die ganze Zeit sitzen bleiben, aber dann ist man irgendwann im regelwidrigen Verhalten. Und dann wird es handwerklich. Aber auch darüber kann man reden. Einfach mit den Kollegen reden und sagen: ‚Ich steh jetzt nicht auf, aber ich werde mich auch nicht wehren‘, das bringt schon viel mehr."

Wenn man friedlich sitzen bleibt und sich dann gelassen von einem freundlichen Polizisten von der Straße tragen lässt, erwartet einen nicht gleich das Gefängnis. Meistens werden dann aber die Personalien aufgenommen, sagt Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler: "Das Schlimmste, was passieren kann ist, dass man einen Bußgeldbescheid bekommt, weil man der Aufforderung nicht nachgekommen ist, sich zu entfernen. Aber das ist eine Rarität, die gibt es selten."

Es handelt sich dabei lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, ungefähr vergleichbar mit Falschparken. Sie verbaut niemandem die Zukunft und man kann trotzdem noch Lehrer*in oder Jurist*in werden, auch mit 15 Strafzetteln.

4. Was ihr tun könnt, wenn andere Demonstrierende gewalttätig werden

Wenn es unter den Demonstrierenden zu Provokationen oder Handgreiflichkeiten kommt, macht es Sinn, davon erstmal Abstand zu nehmen. Laut da Gloria Martins handelt es sich dabei meistens um Leute, die Gewalt ziemlich bewusst nutzen und Eskalationen einkalkulieren: "Sollte man solche Menschen um sich haben und ihre Einstellung nicht teilen, dann gibt es zwei Dinge zu tun: Bitte entfernen Sie sich räumlich von diesen Personen, sie können ruhig auf der Versammlung bleiben, aber vielleicht nicht in unmittelbarer Nähe. Und sagen Sie diesen Personen, dass sie mit so einem Verhalten einer grundsätzlich friedlichen Demonstration keinen Gefallen tun."

Auch Rechtsanwalt Achelpöhler ist der Meinung, dass es dann keinen Sinn mehr hat, noch lange bei der Versammlung zu bleiben, wenn es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt: "Man macht sich jetzt nicht strafbar, wenn man vor Ort bleiben würde. Trotzdem muss man natürlich damit rechnen, dass die Polizei jeden, den sie dort vor Ort erwischt, erstmal festnimmt und ein Verfahren einleitet. Das kann einige Scherereien einbringen, auch wenn am Ende nichts dabei rauskommt."

5. Was ihr tun könnt, wenn Polizeigewalt ausgeübt wird   

Die Polizei hat mittlerweile bei vielen Demonstrationen sogenannte Kommunikationsbeauftragte abgestellt, die man an einer weißen Mütze und einer Weste mit der Aufschrift "Kommunikationsteam" erkennt. Marcus da Gloria Martins weist auch darauf hin, dass persönliche Nachrichten an die Polizei sehr ernst genommen werden – sobald es sich um eigene Beobachtungen und Wahrnehmungen handelt und nicht um Gerüchte. Rechtsanwalt Achelpöhler gibt jedoch zu bedenken, die Fähigkeit der Polizei zu Selbstkritik nicht zu überschätzen: "Man sollte sich bewusst sein, dass die Polizei während der Versammlung am längeren Hebel sitzt. Wenn etwas passiert, womit man nicht einverstanden ist, sollte man sich natürlich beschweren, oder dagegen vorgehen – aber es ist besser, das im Nachhinein zu machen."

Achelpöhler empfiehlt, sich mit anderen zusammenzutun und mit den Ermittlungs-Ausschüssen (EA) Kontakt aufzunehmen. Die gibt es mittlerweile bei den meisten Versammlungen. Oft sind das Rechtsanwält*innen oder Ehrenamtliche, die genau dafür da sind, Demonstrierenden zu helfen oder sie zu beraten, wenn etwas passiert. Meistens wird die Telefonnummer, unter der diese Leute zu erreichen sind, am Anfang der Demonstration durchgesagt oder man erfährt sie bei den Veranstalter*innen.

Sendung: PULS vom 10.10.2019 - ab 15 Uhr