Bürgerbegehren für fahrradfreundlichere Städte Das muss sich ändern, damit mehr Leute Fahrrad fahren

Fahrräder sind für Innenstädte eigentlich das perfekte Verkehrsmittel: Leise, schnell, gesund. Trotzdem sind Städte nicht an den Radverkehr angepasst, finden zumindest viele Radler. Auch eine Studie sagt: Die meisten Städte sind fahrradunfreundlich. Was muss sich ändern, damit man sich auf dem Rad wohl fühlt?

Von: Lea Otte

Stand: 10.04.2019 | Archiv

Radfreundlichere Städte | Bild: BR

Berlin hat es vorgemacht, alle machen es nach. Bamberg hat einen Bürgerentscheid schon 2017 angestoßen und auch in der Landeshauptstadt München laufen seit April 2019 zwei Bürgerbegehren, die die Stadt radfreundlicher machen sollen. Die Forderungen sind immer relativ ähnlich: Fahrradfahren soll entspannter und vor allem sicherer werden. Besonders schwierig ist das überall, wo sehr viele Menschen auf sehr wenig Platz leben: In Städten. Die hat der ADFC in seiner Fahrradklima-Studie nach Fahrradfreundlichkeit untersucht. Die Tester konnten Schulnoten verteilen für viele Faktoren, die eine Stadt angenehm für Fahrradfahrer machen. Die meisten bayerischen Städte hätten eine nüchterne vier im Zeugnis stehen. Keine bayerische Stadt hat es an die bundesweite Spitze geschafft, die Fahrradfahrer in Bayern sind nicht wirklich zufrieden. Diese fünf Dinge müssen sich ändern, um Innenstädte fahrradfreundlicher zu machen:

1. Platz schaffen

The struggle is real: Auf der Straße haben Fahrradfahrer keinen Platz. Ihnen wird die Vorfahrt genommen und ständig kommt es zu Stress mit Autofahrern. Auf dem Fußweg sind Fahrräder sogar verboten. Die einzig sinnvolle Lösung sind also Fahrradwege. Die gibt’s aber nicht auf allen Straßen. Dabei sind enge, unübersichtliche Straßen für Radfahrer besonders gefährlich. Und wenn es eh schon eng ist, ist für einen Fahrradweg noch weniger Platz. Oder eben nur für einen sehr Schmalen. Aktuell müssen Radwege nur eineinhalb Meter breit sein. Die Fahrradklimastudie bestätigt das Münchner Radwegdefizit: Beim Punkt "Breite der Radwege" kassiert München zum Beispiel eine glatte fünf. Ein Münchner Bürgerbegehren fordert deshalb auch einen neuen Radweg rund um die Innenstadt und zwar mit zweieinhalb Metern Breite.

Außerdem sind die Wege oft noch von ausweichenden oder parkenden Autos blockiert. München ist in der Fahrradklimastudie im Punkt "Falschparkerkontrolle auf Radwegen" mit einer 5,1 sehr weit hinten im Ranking. Nürnberg, Coburg, Hof und Kulmbach sind sogar noch schlechter: Note 5,3.

2. Kreuzungen müssen übersichtlicher werden

Okay, Autofahrer sollten eigentlich immer aufpassen und aufmerksam fahren – genauso wie Radler, eh klar! Allerdings sind manche Fahrradwege so unauffällig, dass man sie aus einem Auto heraus gar nicht sieht. Autofahrer rechnen also oft nicht mit Radfahrern. Das ist extrem gefährlich. Die meisten Unfälle mit Autos oder LKW passieren beim Abbiegen. Viele Radwege enden kurz vor Kreuzungen, weil sie zum Beispiel einer Abbiegespur für Autos weichen müssen. In dem Bürgerbegehren der Initiative "Radentscheid München" gibt es dazu Lösungsideen: Mehr Ampeln speziell für Fahrräder, Radwege besser kennzeichnen oder sogar physische Abgrenzungen. Berlin hat zum Beispiel Ende 2018 den ersten Radweg mit Pollern eingeführt. In anderen Ländern, wie den Niederlanden, ist ein Bordstein zwischen Straße, Fuß- und Radweg oder eine andere Abgrenzung ganz normal. Noch wichtiger ist aber: Fahrradwege dürfen nicht einfach plötzlich enden.

3. Mehr Abstellmöglichkeiten

Mal angenommen, alle Fahrradwege wären schon super ausgebaut, es bleibt immer noch ein großes Problem: Wohin mit dem Fahrrad? An den meisten Fahrradständern in der Stadt stapeln sich die Räder, jedes kleine Stadtbäumchen muss mindestens drei Bikes stützen. Fahrradaktivisten fordern deshalb genug Abstellflächen, die auch vor Wetter und Vandalen schützen sollen, wie Fahrradparkhäuser oder Garagen, wie es sie in Kopenhagen gibt. Trotzdem gut zu wissen: Auf öffentlichen Flächen darf man sein Fahrrad grundsätzlich überall parken - auch in Fußgängerzonen. Eine Bedingung gibt es aber: Niemand darf behindert werden, also weder Autos, noch Fußgänger oder andere Radfahrer. Und Privatgrund oder -besitz sind natürlich auch tabu.

4. "Bike first" statt "Car first"

Wie gesagt: Um wirklich grundlegend für ein Upgrade zu sorgen, braucht’s vor allem mehr Platz. Platz, der aktuell für die Autos reserviert ist. Parkplätze und Fahrspuren müssten den Autos also genommen werden, vor allem an Kreuzungen und den Radlern zur Verfügung gestellt werden. Das gefällt vielen Autofahrern gar nicht. Aber in den Städten wird es immer enger und mehr Autos gehen nicht – von Umweltaspekten ganz zu schweigen. Viele Aktivisten fordern deshalb ein radikales Umdenken: Wenn es die Städte schaffen, dass das Rad das schnellste, bequemste und sicherste Verkehrsmittel ist, dann wäre das Fahrrad eben auch Verkehrsmittel Nummer eins - und nicht mehr das Auto. Kopenhagen hat es durch Jahrzehnte lange Stadtplanung geschafft, dass dort in der Innenstadt bei weitem mehr Fahrräder als Autos unterwegs sind.

In der Radklimastudie sahnt in Bayern Erlangen einen der wenigen Einser vor dem Komma in der Kategorie "Erreichbarkeit von Stadtzentren" ab und ist generell noch die Stadt mit dem besten Fahrradklima. Das ist eine Frage von Stadtplanung, von großen Veränderungen und von einem anderen Mindset. Und ein langer Prozess. "Wir können nicht sagen 'Leute fahrt alle Fahrrad', wenn die Radwege voll sind.", sieht der Münchner Radbeauftragte Florian Paul ein. Aber "es gibt hier in der Stadt fast 800.000 Autos, die kann man sich nicht mit nem Fingerschnipp wegwünschen."

5. Geduld braucht’s eben auch

Die Städte können nicht zaubern. Stadtplaner mussten seit Jahrzehnten um Straßen herumplanen. Aber mittlerweile tut sich etwas! In München wurden 2018 zum Beispiel insgesamt 830 Fahrradstellplätze geschaffen und viele Radwege verbessert. Bamberg will drei Kreuzungen pro Jahr sicherer machen und testet - genau wie die Landeshauptstadt - den Grünen Pfeil für Radler.

Der Münchner Radbeauftragte Florian Paul sagt: "Man merkt: Das sind nicht nur Spinner, sondern es ist eine breite Masse, die mit dem Rad unterwegs sein will." In der Landeshauptstadt waren zum Beispiel bei einer großen Radlerdemo 15.000 Leute für die Ideen der Initiative "Radentscheid München" auf der Straße.

Sendung: PULS am 11.04.2019